47 Stunden fotografiert, 6.159 Fotos und 16 Liter Kaffee

Die Ensemblefotos 24/25 sind in einem Projekt mit der Hochschule für Künste Bremen entstanden. Sarah Kreuzberg, Mitarbeiterin der Marketingabteilung, hat mit zwei der drei Fotograf:innen über die Shootings gesprochen.

Für die Fotoreihe habt ihr euch von der russischen und tschechischen Avantgarde des 20. Jahrhunderts inspirieren lassen. Farben, Formen und optische Täuschungen standen dabei im Fokus. Warum habt ihr euch für diese Ausrichtung entschieden?

Talia Ölker: Die Idee von analogen Experimenten mit Farben, Formen und Licht kam bei uns einstimmig aus einem Bauchgefühl. Und die Fotografie der (russischen und tschechischen) Avantgarde bzw. der Surrealismus allgemein ist dafür bekannt. Ein großer Name aus dieser Region ist zum Beispiel Alexander Rodtschenko. Aber auch aus den USA kommen starke Positionen wie Man Ray oder Lee Miller, letztere haben wir vor kurzem noch in einer Ausstellung gesehen. Zwischen dem Ersten und Zweiten Weltkrieg entstanden die meisten und bekanntesten Arbeiten dieser Bewegung. In vielen Methoden und Motiven zeitgenössischer Fotografie – auch in der angewandten Fotografie, im kommerziellen Kontext der Popkultur – lassen sich Einflüsse, Reproduktionen und Weiterentwicklungen der Avantgarde wiederfinden.

Irina Kirchner: Es ist der Zeitgeist, aber auch der Kreislauf von kreativem Arbeiten. Wir können das Rad nicht neu erfinden, besonders jetzt nicht, wo künstliche Intelligenz als digitales Werkzeug Prozesse in der Postproduktion vereinfachen kann. Mit künstlicher Intelligenz zu arbeiten ist spannend, aber es kann auch schnell langweilig werden und zu einer gewissen Abstumpfung führen. Denn sie kann nicht organisch kreativ sein, sie zieht all ihre Informationen aus Datenbänken, Algorithmen und binären Codes. Daher haben wir uns ganz bewusst entschieden, mit all dem was heutzutage möglich ist, uns wieder zurückzubesinnen und auf analoge Techniken und Methoden zurückzugreifen. Diese sind von Zufällen und Umweltfaktoren abhängig und somit nur begrenzt steuerbar. Man könnte es also als eine Art Abgabe von Kontrolle verstehen, als einen Akt von Achtsamkeit, sich mehr auf das, was wir haben und was um uns herum ist, einzulassen.

Ihr hättet die Fotos gerne noch etwas „künstlerischer“ gestaltet, wir mussten euch da leider bremsen, damit es Portraitfotos bleiben und die Personen eindeutig erkennbar sind. Was reizt euch an der Arbeit mit Spiegelwänden, polarisierenden Folien, Prismen und Kaleidoskopen?

Talia Ölker: Uns fasziniert die analoge Verfremdung und Manipulation der Außenwelt, das Experimentieren und Bestaunen von Zufällen.

Was hat euch besonders viel Spaß gemacht? Und worin lagen Herausforderungen?

Talia Ölker: Die Zusammenarbeit im Team war klasse.

Irina Kirchner: Der Brauhauskeller war als Fotolocation ein bisschen tricky, aber wir haben aus dem Platz, den wir hatten, das Beste rausgeholt. Ich fand, wir waren ein richtig gutes Team, sowohl HfK als auch Theater-Crew und haben zusammen tolle Ergebnisse erzielt. Eine andere Herausforderung war, sich stündlich auf neue Charaktere einzustellen.

Wie viele Stunden habt ihr insgesamt fotografiert? Wie viele Fotos sind entstanden?

Talia Ölker: Pro Person haben wir uns eine Stunde Zeit genommen, also 47 Stunden. Fotografiert haben wir an fünf Tagen von 8 Uhr bis 20 Uhr, mit einer Kippenschachtel, Brötchen und Kaffee … 

Irina Kirchner: … und ab und zu ein Schläfchen auf der Couch. Am Ende hatten wir 6.159 Fotos auf unserem Computer.

Nach dem Fotoshooting war eure Arbeit noch längst nicht vorbei. Ihr habt einige Zeit in die Postproduktion gesteckt. Wie kann man sich diesen Prozess vorstellen?

Talia Ölker: Gemeinsam im Atelier auf der Couch oder am Schreibtisch, Herzschmerzlieder summend, bis die Sonne untergeht.

Irina Kirchner: Am Anfang haben wir gemeinsam an der Bildauswahl gearbeitet, danach haben wir uns die Bilder aufgeteilt.

Die vielleicht wichtigste Frage: Seid ihr zufrieden mit dem Ergebnis?

Irina Kirchner: Läuft.

Talia Ölker (lacht): Dito.

Irina Kirchner: Man sieht, dass wir viel Arbeit reingesteckt haben.

Gibt es ein Stück, das ihr nach dem Fotoshooting nun unbedingt sehen möchtet?

Irina Kirchner: Happy Nights! Auf der Suche nach einem geeigneten Shooting-Platz sind wir an der Bühne vorbeigelaufen und waren beeindruckt von dem Konstrukt und dem Konzept. Es ist schon spannend, die Ensemblemitglieder, die man sonst nur auf der Bühne sieht, beim Shooting kennenzulernen und so einen kleinen Einblick in ihre Persönlichkeiten zu bekommen. Die Menschen hinter den Figuren.

 

 

Veröffentlicht am 26. April 2024