Abstand und Inklusion: Wie geht das zusammen?
Karolin Oesker vom Blaumeier-Atelier über das inklusive Theaterfestival Mittenmang in Coronazeiten.
Inklusion bedeutet, dass jeder Mensch ganz natürlich dazu gehört. Mit seinem oder ihrem eigenen Wesen, Eigenarten und Besonderheiten nicht nur in der Gemeinschaft akzeptiert wird, sondern gemeinsam mit anderen die Gemeinschaft bildet. Inklusion geht also nur miteinander.
Inklusive Kunst und inklusives Theater gehen auf Tuchfühlung, sie funktionieren nur, wenn es ein Gegenüber gibt, das sich einlässt und auf Augenhöhe in den Dialog tritt.
Distanzregeln, auf Abstand achten und #stayathome stören die Zusammenarbeit und verhindern Inklusion. Die Durchführung der künstlerischen Angebote im Blaumeier-Atelier war in den zurückliegenden Monaten nur sehr eingeschränkt und mitunter gar nicht mehr möglich. Gruppen wurden in kleinere Einheiten aufgeteilt, Einzelproben ersetzten gemeinsame Proben. Teilnehmer*innen sollten sich möglichst nicht mehr begegnen. Theaterproben wurden in digitale Räume verlegt, diverse Projekte verschoben. Der Kontakt zwischen den Teilnehmer*innen untereinander und mit den Mitarbeiter*innen hat sich sehr reduziert. Besonders schwerwiegend war die Tatsache, dass viele Menschen ihre Wohnheime nicht verlassen und dementsprechend nicht zu Blaumeier kommen konnten. Dies hatte natürlich Auswirkungen auf die künstlerische Arbeit im Blaumeier-Atelier, aber besonders die Menschen in den Wohnheimen wurden durch diese Maßnahme schwer belastet; sie fühlten sich allein gelassen.
Diese Erfahrungen machten auch viele andere künstlerischen Wirkungsstätten in Deutschland, in denen Menschen mit körperlichen oder psychischen Beeinträchtigungen aktiv sind. Abstand und Inklusion scheint ein großer Wiederspruch zu sein.
Neben der künstlerischen hat die Tätigkeit im Blaumeier-Atelier auch eine wichtige soziale Komponente. Denn bei Blaumeier umfasst Theaterarbeit mehr als nur Körper-, Bewegungs- und Stimmtraining, Proben und Theateraufführungen in inklusiven Gruppen. Vielmehr verbringen die teilnehmenden und Mitarbeitenden viel Zeit miteinander. Vor und nach den Proben wird zusammen gesessen, Kaffee getrunken und die Nähe zueinander genossen. Theaterarbeit ohne gemeinsame Proben-Wochenenden, Aufführungen und Feste war bis zu dieser Zeit für Blaumeier undenkbar.
Auch die Vorbereitungen für das Mittenmang-Theaterfestival glichen einem ewigen Vor und Zurück.
Viel weniger Gruppen als sonst konnten aus dem Ausland eingeladen werden, viel mehr Planungszeit ging in Hygienekonzepte und die Liste der Absagen war am Ende länger als die der Zusagen. Aber die finale Entscheidung, das Festival vom Mai in den Juli zu legen und das möglich und sichtbar zu machen, was eben geht, hat gute Motivation geliefert.
Es ist wichtig, dass die Szene des inklusiven Theaters mitten in der Gesellschaft Platz findet, mitten in der Stadt präsentiert wird – vielleicht in keinem Jahr so wichtig wie in diesem.
Mittenmang – ist wie der Name sagt, eine sehr verbindende und nahe Veranstaltung. Die Theatersäle sind voll von Menschen. Und glücklicherweise wirkt Theater nicht nur durch physische Berührung, sondern auch oder vor allem durch die gleichzeitige Anwesenheit von Menschen in einem Raum, der gemeinsam als Theaterraum konstituiert wird. Wenn alle mittenmang sind, ist das mit der Inklusion vielleicht doch möglich.