#actout
Warum Schauspieler Hauke Heumann, am Theater Bremen regelmäßig mit Gintersdorfer/Klaßen zu Gast, das #actout-Manifest unterzeichnet hat.
Am 5. Februar erschien im Magazin der Süddeutschen Zeitung das #actout-Manifest. 185 Schauspieler:innen outen sich darin als lesbisch, schwul, bisexuell, queer, nicht-binär und trans*. Sie sagen, dass sie bislang oft die Erfahrung gemacht haben, dass ihnen geraten wurde, ihre sexuelle Orientierung, Identität sowie Gender geheim zu halten, um ihre Karriere nicht zu gefährden. Das wollen sie nicht mehr hinnehmen. Das Heft beinhaltet ein Manifest und Interviews der Initiator:innen sowie Unterzeichner:innen.
Nachdem ich das #actout-Manifest im Vorfeld gelesen hatte, habe ich es sofort unterschrieben, ohne lange darüber nachzudenken.
Godehard Giese, neben Karin Hanczewski Initiator der Aktion, hatte mich dazu eingeladen. Ich kannte ihn von meiner Schauspielausbildung an der Universität der Künste in Berlin. Ich mochte den Ansatz zu sagen, wir sind schon da! Natürlich arbeiten im Theater, in Film und Fernsehen Schwule und Lesben, Trans- und nicht binäre Personen, wie in allen anderen Bereichen unserer Gesellschaft auch. Trotzdem gibt es immer noch Probleme in der Repräsentation unserer Leben in den Geschichten, die wir erzählen, aber auch im beruflichen Umfeld, ich finde, dass ist sehr klar zu spüren. Deshalb ist #actout für mich eine wichtige Aktion, die für einen kleinen Teil unser Gesellschaft diesen Aspekt beleuchtet. Eigentlich geht es um eine Neubestimmung des Verhältnisses der Fiktionen einer Gesellschaft zu ihrer Realität und auch darum, wer für die Gestaltung der Fiktionen verantwortlich sein soll. Ich habe mich gefreut, dass in den Interviews im Heft auch zur Sprache kam, dass natürlich Schauspieler:innen alles spielen können sollen, dass die Machtverhältnisses im Kulturbetrieb aber lange dazu geführt haben, dass nur Vertreter der weißen, heterosexuellen cis-Dominanzgesellschaft alles gespielt haben, und viele ausgeschlossen waren. Das führte zu einer Verzerrung in der Darstellung von Marginalisierten. Weil diese aber jetzt endlich vermehrt hör- und sichtbar werden, gibt es die Diskussionen darum, ob zum Beispiel Scarlet Johannsen einen Transmann oder eine asiatische Person spielen sollte. Selbstrepräsentation ist sehr wichtig, eine Möglichkeit, die die heterosexuelle, weiße cis-Dominanzgesellschaft schon lange hat.
Je mehr ehemals und immer noch Marginalisierte jetzt produzieren, spielen und schreiben können, um so bessere, richtigere und wichtigere Geschichten werden wir vom Zusammenleben in unser Gesellschaft erzählen können.
Nach der Veröffentlichung des Manifests im Magazin der Süddeutschen Zeitung gab es eine Fülle von Reaktionen. Viele queere Menschen haben sehr emotional und befreit reagiert: Endlich sprechen eine größere Anzahl von Menschen die Probleme an, unter denen wir immer noch leiden, ohne Angst, berufliche Nachteile zu erleben. Auf Facebook konnte ich von Diskrimierungserfahrungen lesen und von der Hoffnung, #actout würde Diskussionen anstoßen, die eine nachhaltige Verbesserung der Verhältnisse einleiten würden. Mir wurde dabei erst klar, wie privilegiert ich in meiner beruflichen Situation seit Jahren bin. Natürlich habe ich als schwuler Mann Diskriminierung erlebt, ich habe heute noch häufig Angst, meinen langjährigen Partner auf der Straße zu küssen, oder habe diese immer noch so verinnerlicht, dass ich es nicht tue. Aber das betraf kaum mein berufliches Umfeld. Seit meinem Engagement am Stadttheater Aachen gleich nach meiner Ausbildung habe ich fast nur in der freien Theaterszene gearbeitet. Bei Gintersdorfer/Klaßen entwickeln wir Stücke selber und wenn wir uns auf klassische Texte beziehen, können wir als Performer:innen immer kommentieren oder den Abstand unser Person zur Rolle thematisieren. So habe ich die Zuschreibung, diese Rolle könne ich aufgrund meiner Homosexualität nicht spielen, eigentlich nie gehört. Weil wir bei Gintersdorfer/Klaßen ja interkontinental arbeiten, war das persönliche Statement der Performer:innen zu den künstlerischen Formen, an denen wir uns abarbeiteten, immer Zentrum der Auseinandersetzung. Ich hatte irgendwann so mein „Bühnen-Coming out“, weil ich dachte, es wäre interessant, diesen persönlichen Blickwinkel auf bestimmte Thematiken in der Performance offenzulegen.
Die Auseinandersetzung mit dem Thema Geschlecht und sexuelle Identität und Orientierung zieht sich durch viele Arbeiten von Gintersdorfer/Klaßen.
Das Feld ist zwar vermint durch Homophobie, Rassismus, Sexismus und Transphobie, und trotzdem konnten wir immer wieder theatralen Gewinn herausschlagen. Diese Auseinandersetzungen sind in unserer Gruppe nicht abgeschlossen, unsere Verhältnisse spiegeln die Verhältnisse der Gesellschaft wieder, Machtkonstellationen sind am eigenen Leib spürbar. In unseren Performances haben wir aber die Flucht nach vorn, das offensive Verhandeln unserer Differenzen, das uns bei jeder Erfahrung einen Schritt weiterbringt. Dabei gibt es Durchbrüche und Rückschläge, neue Erkenntnisse, unerwartete Allianzen, rationale Einsichten und performatives Wissen, immer wieder Scheitern, aber auch Solidarität. Ein sehr schönes Erlebnis bei der Produktion von Nathan der Weise am Theater Bremen war die kleine queere Zelle aus Matthieu, Irene, Tucké und mir. Oft bin ich in einer Produktion die einzige schwule Person, hier waren wir vier Queers.
Wir haben beim Arbeiten festgestellt, dass wir uns wohl fühlen, dass wir uns stützen können. Wir konnten uns gegenseitig Sicherheit geben. Das war eine sehr kostbare Erfahrung.
Von den hämischen Bemerkungen der FAZ-Feuilletonchefin Sandra Kegel zur #actout-Aktion war ich geschockt, auch von dem Gespräch mit ihr im Rahmen einer SPD-Diskussionsreihe auf youtube. Ich bin sehr dankbar, dass es Aktivisten wie Johannes Kram vom nollendorfblog und Alfonso Pantisano vom LSVD gibt, die die Begriffe, mit denen da argumentiert wird, kritisch auseinandernehmen. Bei berechtigten Forderung von gleichen Rechten von „Ideologie“ zu sprechen, etwas wie „Opferwettbewerb“ ins Feld zu führen und zu behaupten, LGBTIQ-Charaktere wären im deutschen Fernsehen überrepräsentiert, wie es Frau Kegel tut, zeugt von Ignoranz oder sogar Böswilligkeit und bedient sich tatsächlich rechter Kampfbegriffe.
Wer über die Lebensverhältnisse von Minderheiten nicht informiert ist, sollte sich einfach nicht zu ihnen äußern.
Durch die #actout-Aktion bin ich mir meiner eigenen privilegierten Position beim Arbeiten bewusst geworden. Der eigene Blickwinkel ist doch häufig sehr begrenzt. Umso wichtiger ist es, den marginalisierten Stimmen zuzuhören, ihren Schilderungen zu glauben, ihre Forderungen zu respektieren und sich mit ihnen zu solidarisieren. Diese Vorgänge zerstören mitnichten die grundlegenden Gemeinsamkeiten unserer Gesellschaft, es sind keine „Grabenkämpfe gegen Gemeinsinn“, sondern sie werden erst die gleichberechtigte Teilhabe aller ermöglichen, die noch lange nicht erreicht ist.