And we'll never be royals

Muss es noch die goldene Kutsche sein? Royals heißt das neue Stück von Felix Krakau: Pressesprecherin Diana König hat ihn getroffen und mit ihm über royale Fragen gesprochen.

Sie sind in aller Munde: Charles wird gekrönt, Harry und Meghan schreiben Bücher und haben eine Netflix-Serie, alle großen Medien haben Adelsexpert:innen. Wo liegt die Faszination rund um die Königshäuser?

Felix Krakau: Zunächst erscheint die Welt des Adels wie eine schillernde Parallelwelt mit ganz eigenen Regeln, Ritualen und natürlich auch einem besonderen Look. Eine Art politisches Disneyland – so wird es auch vermarktet. Und vor allem im britischen Königshaus dominiert noch immer der Prunk, wie zuletzt bei der Krönung von Charles III. zu sehen war. Das wirkt anziehend auf viele Menschen, weil es etwas Utopisches hat, Unerreichbares. Faszinierend ist natürlich auch die unglaublich lange Geschichte der Königshäuser – wenn man den Stammbaum der britischen Königsfamilie zurückverfolgt, landet man ja wirklich irgendwann bei Shakespeare; die Königshäuser atmen Geschichte. Zudem hat es der Machtverlust den Monarchien sicherlich leichter gemacht, Sympathien für sie zu gewinnen, sie tragen politisch wenig bis keine Verantwortung mehr und stellen daher vermeintlich keine Bedrohung dar.

Schiller und Shakespeare haben sich ja auch schon daran abgearbeitet: Warum brauchen wir ein König:innendrama 2023?

Felix Krakau: Was uns interessiert, ist eine zeitgenössische Bestandsaufnahme: Wo steht der Adel im 21. Jahrhundert? Denn heute haben wir natürlich eine ganz andere Situation als bei Shakespeare: Der Adel hat an Einfluss verloren, besitzt nahezu keine Macht mehr, und hat mit steigenden Legitimationsproblemen zu kämpfen. Vor allem in den noch existierenden konstitutionellen Monarchien in Europa, auf die wir uns in unserer Arbeit hauptsächlich beziehen. In Deutschland ist die Lage noch einmal anders, da durch die Weimarer Verfassung 1919 alle Standesvorrechte des Adels abgeschafft wurden. Aber auch hier klammert sich der Adel an alles, was ihm noch bleibt: Er versammelt sich auf privaten Anlässen und verheiratet sich untereinander, als ob nichts geschehen wäre. Er versucht, sich über Wasser zu halten. Allerorts also kämpft der Adel gegen seinen Untergang. Das war für uns ein spannendes Motiv.

Ich habe schon ein bisschen in der Stückfassung gelesen und musste häufig ziemlich schmunzeln. Zum Beispiel bei: „Ich glaube nur, dass die Monarchie Probleme hat, die sich nicht einfach durch eine Werbeagentur lösen lassen.“ In den Adel wird man hineingeboren: Haben die Königshäuser und Adelsfamilien heute nicht große Rechtfertigungsschwierigkeiten, in einer Welt, in der man den Begriff „Familie“ neu und viel offener denkt und die so säkularisiert ist, dass man eigentlich nicht mehr davon ausgehen kann, dass es akzeptiert wird, von Gott eingesetzt zu sein?

Felix Krakau: Absolut. Der Konflikt zwischen Tradition und Modernisierung ist das große Thema der Königshäuser. Einerseits geht es darum, Schritt zu halten mit einer offenen und modernen Gesellschaft, andererseits würden die Monarchien ohne Rückbesinnung auf ihre Tradition(en) in sich zusammenfallen. Zudem wird es niemals eine progressive Monarchie geben können, da der Gedanke, dass eine Person von Gott in ein politisches Amt eingesetzt wurde, per se unmodern ist. Daher entdecken die Königshäuser Betätigungsfelder wie Charity oder den Naturschutz, dort werden sie als gesellschaftliche Akteure akzeptiert und können der Monarchie neue Legitimation verleihen. Immer mehr europäische Königshäuser verabschieden sich darüber hinaus von der übermäßigen Darstellung von Prunk und Luxus, da es der Lebensrealität vieler Menschen, die mit Armut und Arbeitslosigkeit zu kämpfen haben, einfach nicht entspricht. Ein Bild wie das von Charles III. bei seiner Krönung in einer goldenen Kutsche wirkt da wie aus der Zeit gefallen.

Aber das war doch schon immer so. Warum regt das heute mehr auf?

Felix Krakau: Weil sich das Menschenbild und die Gesellschaft verändert haben. Individualismus und Selbstverwirklichung sind viel stärkere Themen als es vor hundert(en) Jahren der Fall war. Zudem steht das demokratische Versprechen von Gleichberechtigung den Vorstellungen der Monarchie entgegen. Und trotzdem ist die goldene Kutsche ein tolles Beispiel für diese Ambivalenz, weil sie zum einen ein Zeichen dafür ist, wie veraltet die Staatsform ist, aber zum anderen zeigt, dass die Monarchie eben auch von dieser behaupteten Größe lebt, von dem Anschein, dass sie über dem Menschlichen steht: Das sind keine Nullachtfünfzehn-Leute, King Charles ist eben nicht Olaf Scholz und deswegen muss er auch anders aussehen.

Ein zweites Zitat: „LE PETIT FRÈRE: Findest du uns lächerlich / DIE BÜRGERLICHE GRÄFIN VON UND ZU: Manchmal / LE PETIT FRÈRE: Also immerhin manchmal nicht“ Die Welt der Königshäuser wirkt auf Außenstehende wie Hollywood. Warum verdient sie einen näheren Blick?

Felix Krakau: Wir leben in einer Zeit, in der viele politische Systeme in Frage gestellt werden. Demokratien implodieren, wir erleben wieder imperialistische Kriege, und an allen Ecken und Enden tauchen vergangen geglaubte männliche Herrschertypen auf. Im Windschatten dieser Entwicklungen läuft die Monarchie mit und wird von vielen belächelt: die Königsfamilien werden eher als Maskottchen angesehen, die früher oder später verschwinden werden. Ich weiß nicht, ob das stimmt. Es ist noch nicht so lange her, dass die Reichsbürger einen Monarchen einsetzen wollten. Es ist auch nicht so lange her, dass die Hohenzollern Entschädigungsforderungen an die Bundesregierung gestellt haben. Vielleicht gibt es den schlummernden Wunsch im Adel, irgendwann wieder zu alter Größe aufzusteigen. Die Netzwerke gibt es ja weiterhin. Ich kann mir vorstellen, dass es in der Bevölkerung nicht nur auf Ablehnung stoßen würde, wenn wir heute mal fragen würden, ob wir wieder einen deutschen Kaiser oder eine Königin haben wollen. Das Thema ist nicht nur Pop-Kultur, es ist ein politisches Thema.

Letztes Zitat: „Die Menschen brauchen die Monarchie – aber mich doch nicht …“, sagt die Thronfolgerin in deinem Stück: Der Blick auf den Menschen, der tatsächlich in diese Position reingeboren ist – und ja auch keine Wahl hat – ist schon spannend.

Felix Krakau: Diese Pendelbewegung möchten wir zeigen: auf der einen Seite sind es handelnde Personen in diesem System, Individuen mit individuellen Problemen, und gleichzeitig verkörpern sie das System. Dabei gibt es immer Konfliktpotenzial, wenn diese beiden Seiten kollidieren: zum Beispiel, wenn eine Person nicht standesgemäß heiratet, aus der Thronfolge austritt oder einen bürgerlichen Beruf ergreifen will.

Es gibt viel zu diskutieren bei dem Thema, aber eines fand ich beim Lesen auf jeden Fall: es ist ziemlich lustig.

Felix Krakau: Der Historiker Stephan Malinowski hat mal gesagt, der Adel sei eine Schicht, die zwischen Lächerlichkeit und Grausamkeit changiert … das macht auch unseren Abend aus. Es wird ein heiterer Abend, wir schauen mit Humor auf das Thema.