Milan Peschel: „Authentizität interessiert mich nicht“
Ende Mai beginnt das Mittenmang-Festival im Theater Bremen, mit dabei das RambaZamba Theater und seine Produktion Mord im Regionalexpress. Der Theaterkritiker Georg Kasch hat mit dem Regisseur Milan Peschel gesprochen: Ein Gespräch über sozialistische Rollenbilder, Spielweisen und die Einflüsse des viel zu früh verstorbenen René Pollesch.
Milan Peschel, du hast jetzt zum ersten Mal mit dem Berliner Theater RambaZamba gearbeitet: Mord im Regionalexpress ist eine Krimikomödie mit Diskurstiefe – gesucht wird das verschwundene Gemälde Peter im Tierpark. Wer ist Peter?
Milan Peschel: Peter ist die titelgebende und Hauptfigur des Gemäldes Peter im Tierpark von Harald Hakenbeck. Aber natürlich ist Peter noch viel mehr. Wofür genau er steht, soll aber jeder für sich selbst herausfinden.
In der DDR hing das Bild in gefühlt jedem Kindergarten. Warum?
Alle, die im Osten in einer bestimmten Zeit großgeworden sind, kennen zwei Bilder, die überall als Kopie hingen, Walter Womackas Am Strand, das ein junges Paar am Meer zeigt, und eben Peter im Tierpark. Vermutlich haben es beide geschafft, den sozialistischen Alltag so darzustellen, wie die Verantwortlichen in der DDR ihn sich vorgestellt haben. Ein Kind, das eigentlich ganz glücklich guckt, aber auch ein bisschen nachdenklich. Ich mag das Bild sehr! Dieser Blick ist wirklich besonders.
Aus dem Verschwinden des Bildes hast du eine Art Krimi-Komödie entwickelt. Wie ist der Text entstanden?
Ich habe eine Fassung geschrieben, die sich nach Gesprächen noch ein paar Mal verändert hat. Allerdings wusste ich schon, dass ich hier anders arbeiten würde, als ich das sonst mache, nämlich die Texte während der Proben massiv zu verändern. Die RambaZambas brauchen mehr Zeit, um die Texte zu lernen und eine gewisse Sicherheit, dass die dann auch so bleiben.
Spielt Agatha Christie eine Rolle, deren Mord im Orientexpress im Titel nachklingt?
Nicht wirklich. Ich habe in Stücke und Romane von ihr reingelesen, aber das hat nicht so viel abgeworfen, wie ich dachte. Der Titel ist entstanden, weil ich überlegt habe, welche bekannten Krimis es gibt. Und weil ich so diverse Erlebnisse in Regionalexpressen hatte, dachte ich, das wäre ein guter Titel.
Du arbeitest schon seit einer Weile nicht nur als Schauspieler in Film und Theater, sondern auch als Regisseur – mit dieser Produktion zum ersten Mal am RambaZamba. Warum?
Seitdem er das Theater leitet, versucht Jakob Höhne, andere Handschriften mit dem Ensemble zusammenzubringen. Leander Haußmann hat dort zwei Mal inszeniert, Rainald Grebe arbeitet da. Auch mich hat er gefragt und mich hat das interessiert, weil ich die Spieler kennenlernen und herausfinden wollte, wie es ist, mit ihnen zu arbeiten.
Und wie ist es?
Frank Castorf hat mal in einem Interview gesagt, dass das das einzige Theater ist, was sich nicht ständig die Sinnfrage stellt. Das ist toll und sehr besonders.
Hast du in der Zusammenarbeit etwas erfahren, was du vorher noch nicht wusstest?
Die RambaZambas fassen die Texte ganz anders an als nicht behinderte Schauspieler. Über Authentizität machen sie sich überhaupt keinen Kopf! Das interessiert sie nicht, mich übrigens auch nicht. Die Texte bleiben ihnen immer ein bisschen fremd, und das hat zur Folge, dass sie vom Publikum ganz anders gehört werden. Das ist auch was, was René Pollesch als Regisseur versucht hat, dass die Texte einem fremd bleiben und dass man sich bewusst für sie entscheidet, nicht weil man so tun will, als kämen sie aus einem selbst heraus.
Apropos René Pollesch: Zahlreiche Kritiken haben den Abend in Bezug zum viel zu früh verstorbenen Autor und Regisseur gesetzt. Warum?
Das hat mit dem Diskurshaften zu tun. Ich habe ja ein paar Arbeiten mit René gemacht und irgendwann versucht, diese Praxis in meinem Theater anzuwenden. Das hat nicht nur mich viel freier und glücklicher gemacht, sondern vor allem auch die Schauspieler und Schauspielerinnen. Ich arbeite schon eine Weile so, aber das ist den Leuten bislang noch nicht so aufgefallen, weil ich das zum Beispiel in Schwerin gemacht habe und nicht in Berlin. Jetzt hat es mich gereizt, am RambaZamba zu versuchen, das Diskursive mit dem Albernen zusammenzubringen und dabei Themen aufzugreifen, die einem wirklich etwas sagen, mit denen man sich wirklich beschäftigen will. Und es hat funktioniert.
Mord im Regionalexpress ist im Rahmen des Mittenmang-Festivals am Freitag, dem 30. Mai im Kleinen Haus zu Gast. Veranstaltet von der Lebenshilfe Kunst und Kultur zusammen mit dem Theater Bremen und dem Blaumeier-Atelier.
Veröffenlticht am 20. Mai 2025.