Believe Israeli Women

Am 4. März 2024, dem 150. Tag nach dem Angriff der Hamas auf Israel am 7. Oktober 2023, veranstaltete das Bremer Junge Forum der Deutsch-Israelischen-Gesellschaft mit Freund:innen der Geisel Hersh Goldberg-Polin eine Kundgebung auf dem Goetheplatz. In Anbetracht der Nähe zum 8. März thematisierte die Gruppe besonders die sexuellen Übergriffe der Hamas und wies auf die verbleibenden weiblichen Geiseln in der Hamas-Gefangenschaft hin. Eine Rede von Alexandra Nozik.

„Ich wusste, wenn die Terroristen mich fangen, würden sie mich auf der Stelle vergewaltigen. Ich erinnere mich nur, dass ich zu mir selbst sagte: Okay Mika, wenn sie dich fangen, das Erste was du tust, versuch alles, um ihnen auf die Nerven zu gehen, denn es ist besser in den Kopf geschossen als vergewaltigt zu werden“ so die Überlebende Mika, die mit Omer Shem-Tov und Itay und Maia Regev das Nova-Festival besuchte. Itay und Maia kehrten im November aus der Geiselhaft zurück, Omer wird immer noch als Geisel festgehalten.

Wir wissen alle, was am 7. Oktober 2023 in Israel passiert ist: Tausende Hamas-Terroristen überfielen Dörfer und ein Festival im Süden Israels und verrichteten das größte Massaker an Jüdinnen und Juden seit der Shoah. Was ebenfalls passiert ist: Der 7. Oktober war auch eine geplante Massenvergewaltigung und ein Massenfemizid an israelischen Frauen. Es gibt genug Beweise, von den Überlebenden wie von der Hamas selbst. Dass die Welt es nicht schafft, den Antisemitismus der Tat zu benennen und zu verurteilen, ist schlimm genug. Aber weltweit Feminist:innen und feministische Organisationen zu sehen, die diese Vergewaltigungen und Schändungen von Frauenkörpern ignoriert, bagatellisiert und relativiert haben, hinterlässt absolut fassungslos.

Zur Erinnerung: Es geht um einen der brutalsten Angriffe der letzten Jahre auf eine Menschengruppe aufgrund ihrer Volkszugehörigkeit, gezielt auch mit sexueller Gewalt. Bei der Demonstration zum Internationalen Tag gegen Gewalt gegen Frauen am 25. November gab es auch in Bremen kein Wort, kein Plakat, das Empathie gegenüber israelischen Mädchen und Frauen gezeigt hat, die erst 7 Wochen zuvor von islamistischen Terroristen bis zu Beckenbrüchen vergewaltigt und bis zur Unkenntlichkeit entstellt wurden, sodass ihre Leichen kaum identifiziert werden konnten.

Yael Sherer, Begründerin einer Organisation für Überlebende sexualisierter Gewalt in Israel, war als Forensikerin nach dem 7. Oktober im Einsatz und teilte folgende Erinnerungen:

„Alle hatten die gewaltige Aufgabe zu bewältigen, Menschen in dieser Geschwindigkeit zu begraben, mit allem was dazu gehört. Wir verstanden ziemlich schnell, dass wir etwas Ungewöhnliches vor uns hatten. Dieser Konflikt hatte nie sexuelle Gewalt, so verbreitet und methodisch, wie das, was am 7. Oktober passiert ist.“

Seit ca. 2 Wochen liegt der UN-Sonderbeauftragten für sexuelle Gewalt in Konflikten ein Bericht der israelischen Organisation „Vereinigung der Krisenzentren für Vergewaltigte“ vor.

Es schaudert uns, noch 14 weibliche Geiseln in der Gefangenschaft in Gaza zu wissen. Wir wissen von den Zurückgekehrten, dass sexuelle Übergriffe auch in Geiselhaft stattgefunden haben. Berichte von Überlebenden und Augenzeug:innen, von Mitarbeitenden der Ersten Hilfe und ZAKA, der israelischen Organisation, die nach Terrorangriffen bei Begräbnissen hilft, von Sozialarbeiter:innen, von Journalist:innen sind ellenlang. Ein Artikel der NYT Screams without words vom 28.12.2023 stellt zurzeit vermutlich die umfangreichste veröffentlichte Investigativrecherche darüber:

Gal Abdushs Identifikation ist ein tragisches Schicksal und steht repräsentativ für zu viele, denen in wenigen Stunden an diesem schwarzen Schabbat ähnliches widerfahren ist. Eine Frau, die am 8. Oktober nach einer vermissten Freundin suchte, drehte das Video, auf dem „die Frau im schwarzen Kleid“ zu sehen war und stellte es online, wie in diesen Tagen alle Hinweise auf Vermisste geteilt wurden: Die Leiche lag in der Nähe des Festivalgeländes auf dem Rücken, zerrissenes Kleid, Beine auseinandergeschlagen, das Gesicht bis zur Unkenntlichkeit verbrannt. Welche Bilder Angehörige der Vermissten ungefiltert gesehen haben, übersteigt jede Vorstellungskraft. Neben vielen Nachrichten von Fremden, die verzweifelt nach der Haarfarbe, Augenfarbe, Ringen usw. fragten, wurde Gal Abdush tatsächlich durch dieses Video von ihrer eigenen Familie erkannt. Sie und ihr Mann wurden ermordet, die zwei Kinder werden nun bei den Großeltern aufwachsen. Mehrere Augenzeug:innen, die sich versteckten, berichteten über Mädchen vom Festival, die (massen-)vergewaltigt und anschließend erschossen wurden. ZAKA-Mitarbeitende berichteten von unzähligen Leichen von Mädchen und Frauen mit eindeutigen Spuren von sexueller Gewalt. Wie lässt es sich normal weiter machen: Etwa nach dem Anblick zweier Schwestern im Kibbuz Be'eri, 13 und 16 Jahre alt, die in ihrem Zuhause gefunden wurden, brutal vergewaltigt und ermordet. Für Tausende Familien in Israel wird es nie wieder ein normales Leben wie vor dem 7. Oktober geben. Alle Geschichten sind wie ein Horrorfilm und sie sind wahr.

Auch wenn es hart ist, wir müssen darüber sprechen, denn: Alles am 7. Oktober war präzise geplant, trainiert und aufgezeichnet. Nichts, was die Hamas ausgeführt hat, war Zufall. Dazu gehört die Entscheidung, spezifisch sexuelle Gewalt an (überwiegend) Mädchen und Frauen anzuwenden. Und auch, die Gewalt präzise mit Bodycams zu dokumentieren und das Material zu verbreiten. Ob es um den IS in Irak und Syrien geht, oder um die Hamas in Israel: Wir müssen sexuelle sowie sexualisierte Gewalt als ein wiederkehrendes Kriegsverbrechen ernstnehmen. Diese Form von Kriegsakt darf nicht in der gesellschaftlichen Betrachtung ignoriert werden, nur weil es überwiegend Frauen betrifft.

Der 7. Oktober ist nicht nur für den 7. Oktober passiert: Es war ein Live-Act mit dem Ziel, alle überlebenden Jüdinnen und Juden weltweit in Angst und Schrecken zu versetzen. Es war ein Live-Act, der nicht nur durch andere Terroristen gefeiert wird und selbstverständlich auf Nachahmung aus ist, sondern auch einer, der in progressiven Milieus relativiert und gefeiert wird. Inklusive allem, was an diesem Tag an Mord, an Gewalt, an Vergewaltigungen passiert ist. Das aktuelle Weltgeschehen isoliert Jüdinnen und Juden enorm in ihren Erfahrungen und Traumata. Insbesondere isoliert es jüdische Mädchen und Frauen, die von den feministischen Strukturen mit der klaren Message von der Hamas – auch Du bist gemeint – fallen gelassen wurden.

Believe Israeli Women! Free Agam Berger, Amit Buskila, Arbel Yahod, Carmel Gat, Danielle Gilboa, Doron Steinbrecher, Eden Yerushalmi, Naama Levy, Noa Argamani, Liri Albag, Karina Ariev, Judy Weinstein, Romi Gonen, Shiri Bibas. Bring them home now!

 

Die Autorin: Alexandra Nozik ist Geoinformatikerin und lebt in Bremen. Ehrenamtlich engagiert sie sich im Bremer Jungen Forum der Deutsch-Israelischen Gesellschaft, besonders zu rechtem Terror in Deutschland im Nachgang des Halle-Anschlags, sowie aktuell dem islamistischen Terror in Israel. Misogynie spielt für sie in beiden Formen eine wichtige und oft vergessene Rolle. Am 7. Oktober war sie in Tel Aviv und erlebte den Schock über das Massaker der Hamas, die Unerträglichkeit der Suche nach den Vermissten und den Kriegsbeginn mit.

 

 

Veröffentlicht am 7. März 2024