Wenn der Berliner Fernsehturm ins Theater am Goetheplatz kommt

Bühnen- und Kostümbildnerin Johanna Pfau über Spätis, Berlin für Kinder und ein Bühnenbild, das erobert werden will. Ein Text von Diana König.

„Auf jeden Fall der Fernsehturm, die S-Bahn, ein Spätkauf und viele, viele Lichter“, antwortet Johanna Pfau auf die Frage, was man unbedingt auf der Bühne braucht, wenn man Berlin nachbaut. Das macht die Berlinerin nämlich gerade im Theater am Goetheplatz: Für das Familienstück Emil und die Detektive holt sie die Hauptstadt nach Bremen. Als so eine Art Spielplatz übrigens, denn die Nachbauten laden zum Klettern und Rutschen ein: „Dass es aussieht wie ein Spielplatz, war zu Beginn gar nicht das Ziel, das ist in der Arbeit entstanden, einzig auf den Fernsehturm sollte man klettern können. Ich wollte eine Kinderwelt bauen, die für die Kinder die reale Welt ist.“ Ein Bühnenbild, das zum Spielen einlädt, verändert natürlich die Spielweise der Schauspieler:innen, weil es viele Angebote macht.

Berlin bewohnen und erobern

Während zu Beginn des Stücks die Menschen ziemlich groß und die Häuser in der Provinz ziemlich klein sind, verändern sich die Größenverhältnisse in der Großstadt dann: die Menschen werden kleiner, die Häuser größer. „Aber die Häuser sind nicht so groß, als dass man sie als Kind nicht bewohnen und erobern kann“, sagt Pfau und schaut auf eines ihrer Hochhäuser mit Rutsche. „Berlin ist schmutzig und roh, aber es ist auch wunderschön.“ Im Arbeitslicht der Probe wirkt das Bühnenbild recht nüchtern. Es sieht aus wie eine riesige Bastelarbeit. Und das ist auch richtig, denn das Bühnenbildmodell bestand aus lauter Verpackungen: Klopapierrollen, alte Pappschachteln, Aufkleber und ein Fernsehturm aus Draht. „Ich würde mir sehr wünschen, dass die Kinder nach Hause gehen und inspiriert sind, die Stadt nachzubauen. Dafür muss man gar nichts kaufen, das ist alles schon da“, sagt Johanna Pfau und wünscht sich, dass das Arbeitslicht ausgeht und das Bühnenlicht an. Denn dann verliert das nachgebaute Berlin den nüchternen Charakter und wird bunt.

„Es ist richtig, dass ich das Bühnenbild nicht zu Ende gemalt habe, sozusagen.“

„Es ist richtig, dass ich das Bühnenbild nicht zu Ende gemalt habe, sozusagen,“ fasst Pfau zusammen, „das Licht macht das – und zwar von Szene zu Szene neu. Berlin bekommt dadurch Farbe. In Erich Kästners Roman schwingt einfach das Glitzern der 1920er Jahre mit und auch wenn unsere Inszenierung nicht in der Entstehungszeit des Romans spielt, klingt das trotzdem auch ein bisschen im Text mit und das hat mich sehr inspiriert.“ Eine weitere Inspirationsquelle waren die Filme von Michel Gondry, besonders The Science of Sleep, in dem Traum und Wirklichkeit in surrealen Momenten verschwimmen, sich die Größenverhältnisse verschieben und Fliegen möglich ist.

„Beim Arbeiten hatte ich den kindlichen Blick im Kopf.“

Johanna Pfau hat schon in Berlin und Basel, in Dresden und Hamburg und an vielen anderen Orten Bühnenbilder gemacht, sie arbeitet regelmäßig mit den Regisseur:innen Alexander Riemenschneider, Alize Zandwijk, Stephan Kimmig oder Rosa von Praunheim. Auch in Bremen macht sie nicht das erste Bühnenbild, neben den Opern Juliette und Wo die Wilden Kerle wohnen in der Regie von John Fulljames arbeitet sie hier mit Regisseurin Nina Mattenklotz zum vierten Mal zusammen, neben Schäfchen im Trockenen und Der Russe ist einer, der Birken liebt, baute sie auch schon die Bühnenwelt für Pippi Langstrumpf. „Eigentlich arbeite ich für Kinderstücke genauso wie für andere“, meint sie, „nur versuche ich den kindlichen Blick dabei im Kopf zu haben und die Perspektive von Menschen, die kleiner sind, zu berücksichtigen.“ Na dann, auf nach Berlin!

Veröffentlicht im November 2023.