bright and shiny

Sie haben die Tiefsee zum Leuchten gebracht: Kascheur Theo Nieländer und Theatermalerin Reina Moos über riesige Seesterne und Bühnentauglichkeit. Ein Text von Diana König.

Er hat seine fünf Arme weit ausgebreitet und leichte Dellen fließen über seinen ganzen Körper. Er strahlt weiß in der Dunkelheit, scheint und glänzt: Drei Meter Durchmesser hat der Seestern in der Produktion Wasserwelt. Das Musical und gemacht haben ihn Theo Nieländer, Reina Moos und ihre Kolleg:innen im Malsaal. Bühnenzauber höchster Güte: Während er in Felix Rothenhäuslers Inszenierung die Tiefsee zum Strahlen bringt, würde er im Meer wohl kaum so tief kommen, denn er besteht aus Styropor, Holz und Hohlraum. „Manche Objekte machen wir ganz klassisch in Handarbeit aus einem Block Styropor. Da der Seestern aber sehr groß ist, eine Oberfläche mit Noppenstruktur besitzt und zudem begehbar sein sollte, haben wir im Inneren ein Holzgestell eingearbeitet. Deswegen sind wir vom klassischen Weg abgewichen und haben mit digitaler Unterstützung gearbeitet“, erklärt Nieländer. Am Computer hat er die digitale Vorlage von Bühnenbildnerin Katharina Pia Schütz zu einer Hohlform umgerechnet und dann in unterschiedliche Arbeitsbereiche aufgeteilt. Diese Bereiche werden dann als Styroporplatten von einer CNC-Fräse exakt nach dem 3D-Modell in Form gebracht. „Das, was der Computer vorgibt, kommt auch genauso aus der Fräse. Viel Kopfarbeit ist das immer, wir gehen ja auch nicht zu einem Styroporblock und hauen erstmal drauf los, wir arbeiten immer genau nach Plan, aber der Seestern war schon sehr herausfordernd“, meint Theo Nieländer.

40 Stunden braucht die Fräse allein nur für alle Teile für einen der Arme. 

Per Hand werden die zusammengebaut und dann kaschiert. „Heute würde ich sagen, ich bin Theaterplastiker, aber Kascheur ist die alte Berufsbezeichnung“, erklärt Nieländer: „Nach dem Zusammenbau haben wir den Seestern dann ganz klassisch mit Holzleim und Schleiernessel, eine Art Leinenstoff, kaschiert. Bei kleinteiligen Objekten arbeiten wir mit Krepppapier.“ Nach dem Trocknen wird Armierungsspachtel aufgetragen, das macht einen festen und harten Untergrund. „Sonst sind die Teile direkt kaputt, wenn sie einmal von der Bühne getragen werden“, erklärt Reina Moos, Leiterin des Malsaals, „die Bühnentechnik muss das ja alles auf- und abbauen können und da müssen die einzelnen Teile auch mal einen Stoß aushalten.“ Im dritten Arbeitsschritt kommt nun pure Spachtelmasse auf den Seestern und wenn alles wieder getrocknet ist, wird feingeschliffen. „Zwei ganze Tage haben mein Kollege und ich geschliffen, um jede Biegung, um jede Delle herum. Feinschliff.“ Erst danach wird der Seestern weiß grundiert und aus Theo Nieländers Werkstatt in den Malsaal geschoben.

So zwei bis drei Monate war der Stern bei den Kascheuren.

„Wenn man den auf der Bühne sieht, denkt man oft gar nicht, wie viel Arbeit darin steckt“, sagt Nieländer, „aber das sind hunderte Stunden für ein Teil dieser Größe.“ Fertig war der Seestern zu diesem Zeitpunkt aber noch nicht, jetzt kommen die Theatermaler:innen: „Damit die Objekte richtig shiny wirken, haben wir für den Untergrund zunächst eine Perlmuttacrylfarbe verwendet“, sagt Reina Moos, „für den richtigen Glanz kam dann noch Glitter Pigment in den Klarlack. Zwei Mal wurde der Seestern damit überstrichen, bevor der letzte Anstrich mit klaren Schutzlack drüber kam.“ Den Stern kann man jetzt auseinanderbauen, damit er durch die Türen passt und auch getragen werden kann, er sollte ein paar Stöße aushalten, ohne gleich Macken zu bekommen und auch die Einlagerung zwischen den Vorstellungen ohne größere Blessuren überstehen. Ansonsten wird regelmäßig ausgebessert, auch das gehört zum Alltag. Und natürlich darf das Material auch nicht zu teuer sein.

Viel learning by doing

„Wir haben viel Routine, aber gleichzeitig ist in unserem Job ja eigentlich fast immer alles das erste Mal“, sagt Reina Moos lachend, denn die Bühnenbildentwürfe sind natürlich sehr unterschiedlich und stellen Plastiker und Theatermaler:innen vor immer neue Herausforderungen. Ob sie so ein Objekt gern haben, wenn es monatelang bei ihnen in der Werkstatt stand? „Ne“, beide schütteln den Kopf, „das gewöhnt man sich schnell ab, denn was damit passiert, liegt nicht in unserer Hand“, sagt Reina Moos und Theo Nieländer ergänzt: „Es kommt ja auch immer wieder etwas Neues, jetzt zum Beispiel überlege ich, wie ich 1 bis 1,5 Meter hohe Blätter herstellen kann, die biegsam sind ohne zu brechen, sich beim Lagern nicht verhaken und von einer Person gut transportiert werden können. Das brauchen wir nämlich für das nächste Bühnenbild …“

 

 

Veröffentlicht am 5. September 2024