Building a room out of light
Spektrum von Máté Mészáros und Unusual Symptoms hatte 2019 Premiere im Kleinen Haus. In einer Neuinszenierung als performative Installation wird es im Herbst 2024 als Spektrum / Raum in der Kunsthalle Bremen zu erleben sein. Vor der damaligen Premiere sprach Gregor Runge, künstlerischer Co-Leiter der Tanzsparte des Theater Bremen, mit Urbanscreen, die bereits damals die Videoprojektionen der Arbeit beisteuerten und auch diesmal mit dabei sind.
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Als Máté Mészáros mit der Idee zu uns kam, das Bühnenbild von Spektrum hauptsächlich über Licht zu gestalten, mussten wir uns mit jemandem in Verbindung setzen, der weiß, wie man das macht – einen Raum aus Licht zu bauen. Uns kam dann recht schnell Urbanscreen in den Sinn.
Till Botterweck (lacht): Ja, in gewisser Weise ist es das, was wir tun – wir schaffen Räume aus Licht. Normalerweise arbeiten wir mit Architektur oder Skulpturen, die wir mit Hilfe von Licht so verändern, dass die Illusion entsteht, eine bestehende Struktur würde ihre Form verändern. Für uns ist es sehr interessant, diese Methode auf das Theater oder den Tanz anzuwenden, denn wenn man in einen Theaterraum geht, kann man unsere Kunst auf eine noch komplexere oder extremere Weise umsetzen. Im städtischen Raum muss man sich immer mit Ablenkungen auseinandersetzen: Straßenlaternen, Passant:innen. Ein Theaterraum kann viel radikaler manipuliert werden, weil man technisch die volle Kontrolle über fast alles hat.
Wenn ihr mit Architektur arbeitet, verwendet ihr Videoprojektionen, um die Illusion zu erzeugen, dass etwas Unbewohntes zum Leben erwacht. Für einige dieser Projekte habt ihr auch schon mit Tänzer:innen gearbeitet.
Till Botterweck: Ja, das stimmt. Als wir mit Urbanscreen begannen, haben wir viel mit Tänzer:innen gearbeitet, weil wir neugierig waren, wie die Projektion eines menschlichen Körpers mit der Architektur interagieren würde und wie das Publikum dadurch eine emotionale Beziehung zu einem Gebäude entwickeln könnte. Von den Choreograf:innen, mit denen wir zusammengearbeitet haben, habe ich gelernt, dass auf ähnliche Weise sie über Bewegung nachdenken wie wir über visuelle Elemente. Wir denken beide in Linien und Formen, in Begriffen der Komposition und musikalischen Beziehungen. Die Art und Weise, wie wir ein Video mit einem Gebäude interagieren lassen, ähnelt der Art und Weise, wie ein:e Choreograf:in Bewegungen mit einem Raum interagieren lässt. In gewisser Weise könnte man unsere Videoprojektionen also auch als eine Art von Tanz betrachten.
Ana Romão: Für mich als Designerin ist es im Moment noch interessanter, mit echten Tänzer:innen zu arbeiten, anstatt nur Videomaterial von ihnen auf eine Wand zu projizieren. Zu sehen, wie eine Projektion mit dem menschlichen Körper interagiert, wie sie auf einem tanzenden Körper von selbst zu tanzen beginnt – das ist sehr spannend. Eine Linie oder ein Muster über einen Körper zu bewegen, bedeutet, ihn zu verstehen, es ist wie eine Abtastlinie, die alle Informationen der Oberfläche, auf die sie aufgetragen wird, offenbart. Und diese Informationen fließen in meine Überlegungen zu den Inhalten ein, die ich im Video selbst schaffen möchte.
Und die Arbeit im Theater hilft dir, diese Ideen in einem radikaleren Sinne zu verfolgen?
Ana Romão: Da wir so viel Kontrolle über die Lichtsituation in einem Theaterraum haben, können wir mit dem Material, das wir schaffen, eine viel stärkere Illusion erzeugen und die Raumwahrnehmung der Menschen völlig verändern. Und Licht oder Video können ein sehr effektives Mittel sein, um dies zu erreichen. Für Máté ist dies einer der Hauptpunkte seines Interesses. Er ist sehr daran interessiert, die Beziehung zwischen Körper, Bewegung und Raum zu erforschen, und es ist ihm ein Anliegen, eine Art hypnotische Erfahrung für das Publikum zu schaffen. Mit Animationen können wir dieses Interesse in einer Weise unterstützen, wie es mit normalem Licht oder physischen Objekten nicht möglich wäre. Durch die Arbeit mit animierten Videos sind wir in der Lage, einen ganzen Raum ständig zu verändern und umzugestalten.
Till Botterweck: Und im Vergleich zu „normalem“ Licht kann man eine Umgebung mit viel mehr Details und Präzision gestalten. Die reine Lichtleistung eines Videoprojektors ist vielleicht nicht so stark wie die einer „echten“ Lampe – aber das Videotool bietet eine ganz andere Vielfalt an Möglichkeiten. Es funktioniert auf eine sehr poetische Weise. Man weiß, dass das, was man in einer Projektion sieht, nicht real ist, und trotzdem fängt der Geist an, damit zu spielen.
Wie wird sich das mit der Choreografie verbinden? Wird es auch einen erzählerischen Aspekt geben?
Ana Romão: Ich sehe es nicht so sehr als eine Erzählung, sondern eher als eine emotionale und sensorische Erfahrung. Als wir im Juni die ersten Proben mit den Tänzer:innen machten, war ich sofort von der Verbindung zwischen Tanz, Sound und Projektion begeistert. Mit sehr einfachen visuellen Mitteln konnte man bereits ein Ergebnis erzielen, das mich darin, wie diese Dinge zusammenkamen, wirklich berührt hat. Die Videoprojektion funktioniert in diesem Sinne sehr gut.
Till Botterweck: Eine von Mátés Hauptideen ist es, mit Entfernungen zu arbeiten. Mit unseren Werkzeugen schaffen wir Möglichkeiten, damit zu spielen, den Raum zu verändern, das Gefühl zu vermitteln, dass man etwas sehr nahe ist und dann von einem Moment zum anderen plötzlich sehr weit davon entfernt. Wir versuchen hier, unsere eigene künstlerische Sprache zu finden und sie mit Mátés choreografischen Werkzeugen zu verbinden. Sobald diese Verbindung hergestellt ist, können wir beginnen, sie wieder zu dekonstruieren. Wir stellen uns das manchmal wie eine Art Meditation vor. Indem wir einen immersiven Raum schaffen, aktivieren wir eine bestimmte Stimmung im Publikum und erweitern seine Wahrnehmungsmöglichkeiten. Wenn man das geschafft hat, können die kleinsten Dinge eine sehr starke Wirkung haben und sich zu einer Dramaturgie aufbauen, die sich durch etwas ganz anderes definiert als eine Geschichte.
Wie eine Dramaturgie der Sinne?
Till Botterweck: In gewisser Weise, ja. Das Ziel ist es, die Wahrnehmung des Publikums zu verändern oder zu schärfen, so dass es am Ende der Vorstellung das Gefühl hat, dass seine Sinne ein bisschen anders funktionieren als vorher. Für uns ist das der Grund, warum wir diese Dinge erschaffen: um etwas zu sehen, das wir vorher noch nicht gesehen haben. Und wenn das für uns funktioniert, dann wird es wohl auch für das Publikum funktionieren. Ich hoffe, dass sich am Ende dieser Kreation alles zusammenfügt. Es ist eine große Herausforderung, dass so viele Leute zusammenkommen, um etwas so Kreatives zu machen. Und genau das macht es so spannend.
--- English version ---
Spektrum by Máté Mészáros and Unusual Symptoms premiered at the Kleines Haus in 2019. In a new version as a performative installation, it will be shown as Spektrum / Raum at the Kunsthalle Bremen in fall 2024. Before the premiere back in 2019, Gregor Runge, artistic co-director of the dance department at Theater Bremen, spoke to Urbanscreen, who contributed the video projections for the work and are involved again this time.
When Máté Mészáros came up with the idea of using only light to create Spektrum’s stage design, we needed to get in touch with someone who knows how to do that – building a room out of light. It did not take us long, then, until Urbanscreen crossed our mind.
Till Botterweck (laughs): Yes, in a way that is what we do – creating spaces out of light. We usually work with architecture or sculptures, transforming them by means of light to give the illusion of an existing structure changing its shape. For us, it is very interesting to apply this method to theatre or dance, because once you go into a theatre space, you can do that in an even more complex or extreme way. In urban space, you always have to deal with distractions: streetlight, passers-by. A theatre space can be manipulated in a much more radical way, because you have full control over almost everything technically.
When working with architecture, you use video projections to create the illusion of something uninhabited coming alive. For some of these projects, you worked with dancers before, too.
Till Botterweck: That's right. We used to work a lot with dancers when we started Urbanscreen because we were curious how the projection of a human body would interact with architecture and how that would allow the audience to develop an emotional relation with a building. From the choreographers we worked with, I understood that they are thinking about movement in a similar way to how we think about visuals. We both think in lines and shapes and in terms of composition and musical relations. The way we make a video interact with a building is kind of similar to how a choreographer makes movement interact with a space. So, in a way, you could actually think about our video projections as a kind of dance, too.
Ana Romão: As a designer, for me, it is even more interesting right now to work with real dancers instead of just projecting video footage of them onto a wall. To see how a projection interacts with the human body, how it sort of starts dancing itself on a dancing body – that is very exciting. Moving a line or pattern over a body is like understanding it, it is like a scan line that reveals all the information of the surface it is applied to. And this information feeds back to how I think about the content I want to create within the video itself.
And working in theatre helps you follow these ideas in a more radical sense?
Ana Romão: As we have so much control over the light situation in a theatre space, we can create a much stronger illusion with the material we create and completely change people's perception of space. And light or video can be a very effective way to do this. For Máté, this is one of his main points of interest. He is very interested in exploring the relation between body, movement and space, and very passionate about creating a kind of hypnotising experience for the audience. With animation, we can help this interest in a way normal light or physical objects could not provide. By working with animated video, we are able to constantly change and alter a whole room.
Till Botterweck: And compared to using „normal” light, you can create an environment with much more detail and precision. The mere light power of a video projector might not be as strong as that of a „real“ lamp – but the video tool offers a whole different variety of what you can do with it. It works in a very poetic way. You know that what you see in a projection is not real, and still your mind starts playing with it.
How will this add up with the choreography? Will it provide a narrative aspect, too?
Ana Romão: I don't see it so much as a narrative, I see it more as an emotional and sensorial experience. When we did the first tryouts with the dancers back in June, I was immediately absorbed by the connection between dance, sound and projection. With very simple visuals, you could already achieve a result that was really touching me by how these things were coming together. Video projection is working very well in this sense.
Till Botterweck: One of Máté’s main ideas is to work with distances, so with our tools we are creating possibilities to play around with that, changing the space, making you feel very close to something and then suddenly very far from it from one moment to another. We try to find and introduce our own artistic language here and connect it with Máté’s choreographic tools. Once this connection is established, we can start deconstructing it again. We sometimes imagine it as a sort of meditation. By creating an immersive space, we activate a certain mood in the audience, enhancing their way of perception. Once you managed to do that, the tiniest things can have a very strong effect, building up towards a dramaturgy which is defined by something entirely different than a story.
Like a dramaturgy of the senses?
Till Botterweck: In a way, yes. The goal is to change or sharpen the audience's perception, so when the show is over, they have a feeling their senses are working a bit differently than before. For us, that is why we create these things: in order to see something we have not seen before. And if this works out for us, I guess it will work out for the audience, too. I hope that at the end of this creation all things will fall into each other. So many people coming together to do something creative like this is a big challenge. And that is what makes it totally exciting.