Das kann jede treffen

Im Autonomen Bremer Frauenhaus finden Frauen und Kinder, die von Gewalt betroffen sind, Schutz. Diana König hat zwei Mitarbeiterinnen des Hauses zum Gespräch getroffen.

45 Schlafplätze hat das Haus, die Auslastung ist stets hoch und steigt durch die Corona-Pandemie phasenweise noch an. Maria und Lana (Namen durch die Redaktion geändert) arbeiten seit einigen Jahren dort.

Das Autonome Bremer Frauenhaus ist ein Schutzhaus für Frauen und Kinder, die von Gewalt betroffen sind. Wer kommt zu Ihnen?

Lana: Das kann jede treffen. Das ist unabhängig von sozialem Status oder Herkunft. Zu uns kommen Frauen, die entweder so isoliert sind, dass sie niemanden haben, zu dem sie gehen können oder so bedroht, dass sie niemandem zumuten können, zu ihnen zu kommen, weil sie diese Menschen dann auch in Gefahr bringen.

Maria: Es gibt ganz unterschiedliche Arten von Gewalt: physische, seelische und auch wirtschaftliche, indem eine Frau einfach kein Geld bekommt, sich und eventuell ihre Kinder nicht versorgen kann. Wer sich bei uns meldet, hat häufig Todesangst. Die Frauen haben teilweise über Jahre alles ausgehalten und können das dann den Kindern irgendwann nicht mehr zumuten, entwickeln für sie einen Überlebenswillen.

Lana: Das ist etwas, das mir am Herzen liegt: Von Gewalt gegen Frauen sind immer auch die Kinder betroffen!

Wie kommen die Frauen zu Ihnen?

Lana: Es ist wichtig, dass die Frau die Entscheidung selbst trifft, uns selbst anruft. Wir können nicht helfen, wenn die Frau das nicht will. Häufig rufen Freundinnen oder Familienangehörige an, aber das muss die Frau selbst wollen.

Maria: Ja, und dann sprechen wir erstmal am Telefon. Manchmal bleibt es dann bei dem Gespräch, manchmal verabreden wir einen Treffpunkt und holen die Frau und eventuell die Kinder ab. Die Adresse des Frauenhauses ist geheim. Wir sagen immer, die Frauen sollen möglichst viel mitbringen, nicht nur Kleidung, auch wichtige Dokumente wie Heirats- und Geburtsurkunden, Ausweise, etc. Das geht natürlich nicht immer, manche Frauen haben es nur noch geschafft, einen Bademantel über den Schlafanzug zu ziehen, als sie aus der Wohnung geflüchtet sind.

Lana: Bei den Gesprächen sagen wir den Frauen auch, was sie im Frauenhaus erwartet. Frauen mit Kindern bekommen ein Zimmer, Frauen ohne Kinder müssen sich eines teilen. Küche und Bäder werden gemeinschaftlich genutzt.

Maria: Wir helfen bei Anträgen und Behördengängen, bei Kontakten zu Polizei, Jugendamt, Rechtsanwälten. Aber es ist eine Hilfe zur Selbsthilfe.

Wie lange bleiben die Frauen?

Maria: Das ist natürlich abhängig von der Situation, man kann aber feststellen, dass die Verweildauer steigt, da es eine Wohnungsnot in Bremen gibt. Und wenn alle Dokumente fehlen wird es sowieso schwierig.

Wenn ich mit Ihnen spreche, habe ich den Eindruck, dass Sie in einer ganz anderen Welt leben als ich.

Lana: Aber das ist unsere gemeinsame Realität.

Maria: Es stimmt auch nicht, überlegen Sie doch mal: Sie wissen doch, dass es drei Frauenhäuser in Bremen gibt und jedes von ihnen voll ist. Wenn Sie jetzt Frauen in ihrem Umfeld fragen, dann kennt sicher jede eine, die schon mal ein Frauenhaus in Erwägung gezogen hat oder sogar dort war. Das ist ja kein Randphänomen: Da geht in einer Wohnung die Tür zu und die Musik wird laut gestellt, damit keiner etwas hört. Das passiert überall und soll oft verschwiegen werden. Man darf nicht so tun, als wäre das eine Parallelwelt. Das ist unser Alltag.

Den Ausbruch aus dieser Situation stelle ich mir schwer vor: Die Frauen haben ja sicher oft eine jahrelange Geschichte voller Gewalt hinter sich. Wie können Sie da langfristig helfen? Wie kommen die Frauen wieder in ein selbstständiges Leben?

Maria: Sich vom Mann loszulösen, gelingt oft in der Gemeinschaft im Frauenhaus. Die wollen sie meisten ja anfangs gar nicht: Sie wollen sich kein Zimmer teilen, keine Küche, kein Bad – aber es geht eben nicht anders. Und dann treffen sie aufeinander und sehen plötzlich, dass sie nicht allein sind. Dass auch andere Frauen in der gleichen Situation sind, dass es nicht ihr Fehler war. Denn dieses schlechte Gewissen muss weg, dass Frau selbst schuld ist an ihrer Situation, nur dann kann sie Stärke und Selbstbewusstsein entwickeln.

Lana: Ja, und wir feiern auch die kleinen Erfolge. Aber ich muss sagen, oft ist es einfach schwierig. Wenn eine Frau zum Beispiel Kinder hat und die Eltern gemeinsames Sorgerecht haben, dann kommt es einfach immer wieder zu Zusammentreffen, bei denen sich die Belästigungen dann fortsetzen können.

Maria: Das ist eine Frage von Zeit und Abstand, bis dann irgendwann die Akzeptanz da ist, dass die Frau jetzt allein lebt.

Wir im Theater beschäftigen uns gerade viel mit feministischen Texten, die fordern, dass man sich als Frau nicht als Opfer wahrnehmen soll. Dass man diese Scham, vergewaltigt, geschlagen, genötigt worden zu sein, hinter sich lässt, es nicht zulässt, dass einen die Tat definiert. Aus Ihrer Lebensrealität heraus: Ist das eine Forderung, mit der Sie etwas anfangen können?

Lana: Ja, das würden wir auch sagen, aber mit anderen Worten. Wir versuchen immer, den Frauen klar zu machen, dass sie etwas gemacht haben, sich gewehrt haben, keine Opfer sind. Sie haben geschrien, sie haben Nein gesagt, sie sind gegangen. Auch wenn sie traumatische Gewalterfahrungen hinter sich haben, in denen sie die Kontrolle über ihren Körper und ihre Seele verloren haben.

Maria: Ich würde sagen, wenn Frau verstanden hat, dass sie sich nicht dafür schämen muss, dass sie Gewalt erfahren hat, dann sind wir schon ziemlich weit.

Lana: Das ist ein gesellschaftliches Problem, das fängt schon mit der Sprache an: Die Opfer bleiben, die Täter verschwinden. Hinterher heißt es nur noch: Sie wurde geschlagen, sie ist Opfer häuslicher Gewalt. Aber wo ist der, der geschlagen hat? Der kommt gar nicht mehr vor. Wir müssen schon die Kinder in andere Rollen erziehen!

Maria: Ja, man muss schon in Kindergärten und Schulen ansetzen. Gewalt darf kein Tabu sein und auch nicht immer erst Thema werden, wenn sie stattgefunden hat.

Wir haben am Theater gesagt, wir möchten an diesem Gedenktag gegen Gewalt an Frauen nicht über die Täter sprechen, sondern über die Frauen.

Lana: Warum? Man muss schon fragen, warum Männer so etwas tun, so eine Macht ausüben wollen. Wir müssen das gesellschaftlich anpacken.

Maria: Nein, ich finde das richtig. Ich will mich nicht fragen, warum Mann das und das gemacht hat. Ich will mich auf die Frau konzentrieren, darauf, wie ich sie stärken kann und nicht den Mann mit seinen Schwächen, die er dann durch Gewalt kompensiert, in den Vordergrund stellen.

Das Autonome Frauenhaus wird von der Stadt finanziert, trotzdem sind Sie für Sonderanschaffungen immer auch auf Spenden angewiesen (ein Spendenaufruf steht unter diesem Artikel). Für was brauchen Sie Geld?

Maria: Manche Frauen kommen ohne alles, dann dauert es einfach, bis man wieder einen Grundstock an Sachen hat. Einen Kinderwagen zum Beispiel oder einen Schulranzen.

Lana: Spielzeug überhaupt. Manchmal brauchen wir auch Geld für gemeinsame Unternehmungen. So etwas wird nicht mitfinanziert. Und wenn eine Frau nur wenige Tage bei uns im Frauenhaus ist und dann aufgrund der Gefährdung in eine andere Stadt umziehen muss, dann brauchen wir auch Geld für die Fahrkarten.

Vielen Dank für das Gespräch.

 

 

Bundesweites Hilfetelefon Gewalt gegen Frauen:
08000 116 016 oder www.hilfetelefon.de

Alle Hilfseinrichtungen in Bremen finden Sie unter diesem Link: www.gewaltgegenfrauen.bremen.de

 

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