Das Mai-Editorial

Michael Börgerding über die neueste Corona-Rechtsverordnung und weitere Aussichten

Der April will nicht aufhören, das Wetter wird nicht besser und seit Freitag vor Pfingsten gilt die 26. Corona-Rechtsverordnung. Gibt es beim Wetter zwar für Pfingsten wenig Hoffnung, aber doch ein wenig Sonnenaussicht für die Istanbul-Premiere am Freitag, den 28. Mai, so bleibt die neue Coronaverordnung doch deutlich hinter unseren Erwartungen und Hoffnungen zurück. Nur weniges hat sich verändert, folgendes gilt für uns:

- Kulturelle Veranstal­tungen unter freiem Himmel, „die der Unterhaltung des Publikums dienen (Unterhaltungsveranstaltungen)“, können mit einem aus bis zu 100 Personen bestehenden Publikum durchgeführt werden. 
- Der Veranstalter muss ein Schutzkonzept vorhalten, das vorsieht, dass jede Person vor Beginn der Veranstaltung ein negatives Testergebnis in Bezug auf eine Infektion mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 vorzulegen hat. Wenn der Inzidenzwert unter 50 fällt, müssen keine Testungen überprüft werden. Vollständig geimpfte und genesene Personen sind von der Testpflicht ausgenommen.
-  Theater, Opern, Kinos und Konzerthäuser bleiben für den Publikumsbetrieb bis zum 21. Juni 2021 geschlossen.

Natürlich hatten wir auf mehr Zuschauer:innen gehofft, im Theatergarten könnten wir 165 Plätze unter Einhaltung der Abstandsregeln anbieten. Jetzt wird mehr als ein Drittel der Sitzplätze leer bleiben. Dabei haben wir am ersten Tag des VVKs mehr als 600 Karten verkauft. In Niedersachsen sind im Gegensatz zu Bremen bis zu 250 Plätze erlaubt. Aber wir wollen uns nicht über den Föderalismus beschweren, Bremen ist eine Insel und nicht selten ja auch stolz darauf. Angesichts der sinkenden Inzidenzzahlen war unsere Hoffnung, schon bald wieder auch im Theater am Goetheplatz und im Kleinen Haus spielen zu dürfen, keine unberechtigte, zumindest hätten wir erwartet, dass es eine verbindliche Perspektive gibt, die sich an Inzidenzzahlen knüpft.

Stattdessen enthält die neue Verordnung eine „Niedriginzidenzregelung“ in § 22b. Danach kann, wohlgemerkt „kann“, wenn die 7-Tages-Inzidenz fünf Werktage unter 50 liegt, das Gesundheitsressort durch eine Allgemeinverfügung Erleichterungen festgelegen. Dazu könnten gehören u. a. auch Veranstaltungen mit bis zu 100 Personen in geschlossenen Räumen, bis zu 250 Sitzplätze draußen und auch die vollkommen unspezifisch gehaltene Möglichkeit, die Schließung „einzelner Einrichtungen“ aufzuheben. Welche das dann sein könnten, wissen wir nicht, aber Theater dürften theoretisch auch dazugehören. Die Kulturbehörde schreibt uns zu diesem Paragrafen: „Was genau in einer solchen Allgemeinverfügung in dem Fall bestimmt wird, bleibt aber abzuwarten.“

Für uns heißt das erstmal: bis zum 21. Juni können wir im Grunde nicht für Veranstaltungen drinnen planen. Was bedeutet, dass wir das Theater am Goetheplatz nutzen werden für mögliche Proben von Die Italienerin in Algier, falls es draußen regnen sollte und wir im Theatergarten nicht probieren können. Und wir hoffen, dass wir es irgendwann nach dem 21. Juni nutzen können als Regenalternative mit Publikum für Istanbul und Italiana. Das Kleine Haus werden wir für Regenproben Istanbul bereithalten und anschließend für Proben für den Tanz nutzen. Noch planen wir weiter eine Premiere am 25. Juni mit Starting from Scratch, die erste Arbeit von Andy Zondag hier am Haus. Die geplante Uraufführung von Akın Emanuel Şipals Mutter Vater Land, geplant für den 17. Juni, haben wir vorerst auf Eis legen müssen.

Einen Neustart kann man das noch nicht nennen. Hoffen wir stattdessen weiter auf die sinkenden Inzidenzzahlen und damit auf Öffnungsperspektiven, die es uns ermöglichen, irgendwann oder hoffentlich schon bald in so etwas wie einen Normalzustand zurück zu kommen. Aber wir alle am Haus freuen uns trotzdem weiter auf unsere Aktivitäten unter freien Himmel, auf die Premiere von Istanbul am 28. Mai, auf ein viertägiges King Arthur-Spektakel vom 10. bis 13. Juni von und mit Schorsch Kamerun auf dem Goetheplatz (noch warten wir auch da auf die Genehmigung) und natürlich auf die Opera buffo Die Italienerin in Algier von Rossini  im Theatergarten. Und halten bis dahin auch die Zuschriften von Menschen – meist Impfgegner:innen oder Impfunwilligen – aus, die sich beschweren darüber, dass wir Theater nur für geimpfte, genesene und getestete Menschen machen. Ein Betreff in einer dieser Mails lautete tatsächlich „Apartheid im Theater“.

Es ist allen, die uns da schreiben, natürlich vollkommen unbenommen, sich nicht testen und nicht impfen zu lassen. Aber solange nicht alle, die geimpft werden wollen – und darunter noch immer viele Menschen mit Risiko –, nicht geimpft sind, wird es auch im Theater Bremen vernünftigerweise bei diesen Maßnahmen bleiben. Natürlich ist das alles eine Güterabwägung und auch wir wären froh, wenn wir bei Einhaltung der Abstandsregeln und Maskenpflicht – zumal unter freien Himmel – keine Testungen kontrollieren müssten. Und bei einer Inzidenz unter 50 wird das ja auch so sein. Aber die drei „Gs“ – Geimpft, Genesen, Getestet – können tatsächlich jetzt helfen, wieder gemeinsam Theater sehen zu können. Ich kann gut damit leben, und bin damit nicht der einzige hier am Haus – wie gesagt, es ist eine Verordnung auf Zeit.