Das Sommer-Editorial: Loslassen, abschalten, Kraft tanken.

Michael Börgerding über die Selbstverpflichtung, andere dazu zu ermutigen, glücklich zu sein.

Jetzt sind wir in den Ferien. Theaterferien – wie immer. Sechs Wochen im Sommer. Der Jahresurlaub, wir spielen oder arbeiten ja durch, von Spielzeitbeginn im August bis zum letzten Tag der Spielzeit im Juni oder Juli. In diesem Sommer ist es also wie immer und doch anders, gefühlt anders. Mitte März mussten wir aufhören. Corona. Einstellung des Spielbetriebs und eine Woche später Einstellung des Probenbetriebs. Homeoffice. Kurzarbeit. Einige haben durchgearbeitet (die Verwaltung zum Beispiel), andere sind nach und nach wieder zurückgekommen (die Werkstätten zum Beispiel), im Juni schließlich haben wir den Probenbetrieb wieder aufgenommen, die Technik ist zurück auf der Bühne. Und die Künstler*innen sind wieder im Haus, auf der Probebühne oder sogar auf der großen Bühne im Theater am Goetheplatz. Nicht alle, es gibt noch immer Kolleginnen und Kollegen, die noch nicht arbeiten dürfen oder können wie unsere Damen und Herren des Opernchores. Und im Juni haben wir wieder begonnen, für Sie zu spielen. Draußen im Hof bei frischer Luft. In der Sonne oder im Nieselregen haben wir gespielt – und viele von Ihnen haben sich gefreut, „ihre“ Sängerinnen und Sänger, Schauspielerinnen und Tänzer wieder zu sehen.

Vier Wochen waren wir damit Teil des Bremer Kultursommer Summarum, dieser schönen gemeinsamen Initiative aller Bremer Theatermenschen. Wir haben bis zum 12. Juli gespielt und probiert und alle Planungen auf einen Wiederbeginn am 29. August gerichtet. Es war und ist Zeit, einmal durchzuatmen. Loslassen, abschalten, Kraft tanken, nach vorne schauen. Das alleine wird nicht einfach werden – niemand weiß, was uns nach dem Sommer erwartet.

Ich möchte mich an dieser Stelle ganz besonders bei allen bedanken, die während der letzten vier Monate trotz Corona pausenlos unter Hochdruck gearbeitet haben, hier vor allem die Lohnbuchhaltung, die Personalabteilung, die Finanzbuchhaltung und die EDV und genauso bei denen, die dann wieder sukzessive eingestiegen sind und teils freiwillig dafür gesorgt haben, das wir rund 25.000 Mund-Nasenbedeckungen an den Krisenstab, die Heimstiftung und andere Institutionen liefern konnten. Ebenfalls herzlichen Dank an alle anderen, die einen reibungslosen Neustart ermöglicht haben, egal ob Dramaturgie oder Bühnentechnik, Haustechnik oder Werkstätten, Kasse oder künstlerische Ensembles und alle anderen Abteilungen und Kolleginnen und Kollegen, die den Neustart und die Vorbereitung für die nächste Spielzeit ermöglicht haben!

Unsere Homepage und die sozialen Medien waren viele Wochen lang unsere einzige Verbindung zu unseren Zuschauerinnen und Zuschauern. Die Umstellung vom Monatsheft auf unser digitales Magazin zu Beginn der Spielzeit hat sich in den letzten Wochen als ein Segen gezeigt. Die Grüße aus dem Off, die Lesungen, Podcasts, Essays, Buchclubs, die Brieffreundschaften, die Gespräche – sie alle wurden von vielen Menschen gelesen und die Reaktionen darauf waren immer wieder ermutigend! Und dieses Online-Magazin ist so reich geworden an Inhalten, Bildern, Impressionen, Gedanken, Ideen, dass ich darüber viele Kolleginnen und Kollegen, Freund*innen, Gäste und das ganze Haus ganz anders noch einmal kennengelernt habe. Und wenn es ein Vorhaben gibt für die Sommerferien (neben Sport treiben, dicke Bücher lesen, Freunde und Freundinnen sehen, Maß und Mitte finden), dann tatsächlich, alles noch einmal oder (ich gestehe es) zum ersten Mal zu lesen, zu sehen, zu hören. Und sich darüber freuen, wie klug, wie bunt, wie vielfältig dieses Theater ist. Dafür ein großes Dankeschön allen, die sich beteiligt haben und an das Team um Farina Holle, Lennart Hantke und Diana König, die dieses Magazin gemacht haben. Und jetzt eine Pause, einen wunderbaren Sommer verdient haben. Wir verabschieden uns bis zum 27. August. Die Homepage macht eine Pause und lädt Sie ein, zurückzublicken. Und Entdeckungen zu machen. Und alles, das Schöne wie das Peinliche – Fluch und Segen des Netzes – ist weiter lesbar und verfügbar.

Ziviler Gehorsam. Kaum ein Begriff hat unser Verhalten der letzten Monate mehr auf den Punkt gebracht. Und obwohl uns Nähe fehlt, brauchen wir weiter den Abstand als solidarischen Akt mit den anderen, den Schwachen, den Alten, den Gefährdeten. Der Dalai Lama, geistliches Oberhaupt der Tibeter, ist jetzt 85 Jahre alt. Er hat in einem sehr klugen Essay im Feuilleton der FAZ zwei schöne Sätze geschrieben: „Wenn ein Problem eine Lösung hat, müssen wir alles tun, um es zu lösen. Wenn es keine Lösung gibt, dann nützt es auch nichts, sich Sorgen zu machen.“ Er spricht von innerer Ruhe und innerer Abrüstung, also dem Aufgeben negativer Emotionen als Quelle von Gewalt. Und von seiner Botschaft oder Verpflichtung, „andere Menschen zu ermutigen, glücklich zu sein“. Dieser Selbstverpflichtung würde ich gerne mit meinen Kolleginnen und Kollegen, mit unserem Spielplan der neuen Spielzeit und mit unserem Online-Magazin weiter nachgehen. Und Sie dazu herzlich einladen. Wir freuen uns sehr auf Sie im September! Bleiben Sie gesund und passen Sie auf sich auf!