„Die Geige hat mich ausgesucht“

Beim zweiten Familienkonzert der Spielzeit werden die Bremer Philharmoniker vom Jugendsinfonieorchester Bremen unterstützt: Zhiar Amini ist als Solist dabei. Frederike Krüger, Musiktheaterdramaturgin, hat den 17-Jährigen zum Interview getroffen.

Im Familienkonzert #2 spielst du als Solist den ersten Satz von Benjamin Brittens Violinkonzert op. 15. Ein sehr anspruchsvolles Stück. Hast du schon immer Musik gemacht?

Zhiar Amini: Tatsächlich ja. Mein Vater spielt kurdische Instrumente, wie beispielsweise Tombak oder Tar, ein Saiteninstrument ähnlich einer Gitarre. Zuhause gab es immer Musik, ich bin ganz natürlich damit aufgewachsen. Diese Liebe habe ich geerbt. Mit fünf habe ich ein bisschen Klavier gespielt, mit neun habe ich dann angefangen, Geige zu spielen. Zuerst kurdische Musik, nach unserer Flucht aus Iran nach Schweden und dann Deutschland habe ich europäische Musik kennengelernt.

Wie bist du zur Geige gekommen?

Ich weiß es nicht genau, in Iran hat mich mein Vater irgendwann zu einem Geigenlehrer gebracht. Aber eigentlich glaube ich, dass die Geige mich einfach ausgesucht hat.

Ich habe früher selbst Cello gespielt und empfand die Geige im Lernprozess oft als etwas undankbar …

Ja, das Geigespielen erfordert sehr viel Übung und Präzision, gerade in den hohen Lagen, weil die Finger so eng beieinander sein müssen. Man muss halt sehr genau und sauber spielen. Aber ich glaube, dass alle Instrumente, die man wirklich gut spielen will, schwer sind. Ich übe jeden Tag mehrere Stunden, unter der Woche drei bis vier und am Wochenende und in den Ferien noch mehr.

Wieso hast du dich für das Violinkonzert von Britten entschieden?

Zusammen mit Martin Lentz, dem Dirigenten des Konzerts und Leiter des Jugendsinfonieorchesters und meinem Geigenlehrer Joachim Brockes, habe ich mir auch Stücke von Tschaikowsky und Brahms angeschaut. Ich liebe Brahms! Aber das Konzert von Britten hat mich besonders berührt, vor allem die Wut, die da drinsteckt.

Britten schrieb das Werk 1938 im amerikanischen Exil – im Angesicht des spanischen Bürgerkriegs und in einer Zeit als der Zweite Weltkrieg bereits seine Schatten vorauswarf. Für viele gehört es zu den größten und schönsten Herausforderungen im gesamten Repertoire für Violine; „zweifellos mein bestes Stück“, befand der Komponist sogar selbst.

Das Violinkonzert zeigt so eine Trauer und Wut, das gibt’s nirgendwo anders. Ich finde, es ist das berührendste Stück, was ich je gehört habe. Vielleicht, weil es auch etwas mit meiner eigenen Geschichte und Fluchterfahrung zu tun hat. Das Werk steht ganz eng in Zusammenhang mit der Geschichte und gibt den Opfern eine Stimme. Das finde ich bemerkenswert. Diese Wut, dieses extreme Gefühl, die tiefe Traurigkeit am Anfang des ersten Satzes … beides macht ganz viel mit mir.

Im Familienkonzert spielst du sowohl solistisch als auch im Jugendsinfonieorchester und dann zusammen mit den Bremer Philharmonikern. Ist das eine besondere Erfahrung für dich und deine Mitspielenden?

Letztes Jahr saß ich neben der Konzertmeisterin als wir die Neunte Sinfonie von Dvořák gespielt haben, das war eine krasse Erfahrung. Und es ist auf jeden Fall eine Ehre als Jugendsinfonieorchester mit so einem Profiorchester arbeiten und kooperieren zu können. Ich schaue mir vieles ab, wie die Bewegungen sind, wie die Proben geleitet werden. Ich lerne dort sehr viel.

Bist du aufgeregt?          

Am Anfang immer sehr, aber sobald ich in die Tiefe der Musik eintauche, geht die Aufregung weg.

Was wünschst du dir vom Publikum?

Ich möchte die Menschen mit der Musik emotional erreichen.

Im Familienkonzert geht es auf Zeitreise, in die Vergangenheit und in die Zukunft. Was wünschst du dir für die Zukunft? Wird die Geige weiterhin deine Begleiterin sein?

Das ist eine gute Frage und ich weiß die Antwort noch nicht. In zwei Jahren mache ich Abitur und vielleicht fange ich demnächst als Jungstudent an der Musikhochschule an. Aber die Rechtswissenschaft interessiert mich auch. Die Musik wird jedoch immer eine große Rolle für mich spielen.

 

 

Veröffentlicht am 12. Februar 2024