Ntombi Langa – ein Frauenradioprojekt aus Bremen

360°-Referentin Ferdaouss Adda sprach mit Gründerin Nomazulu Thata über Ntombi Langa – ein Frauenradioprojekt aus Bremen, von und für Frauen aus dem südlichen Afrika. Thata steht im Theater Bremen in Alize Zandwijks Abend „Mütter“ mit auf der Bühne.

Ferdaouss Adda: Nomazulu, du hast ein Frauen-Radioprojekt ins Leben gerufen Ntombi Langa – was heißt Ntombi Langa?

Nomazulu Thata: Ntombi Langa ist der Name eines Mädchens, das ich in meiner Jugend in Sambia kennengelernt hatte. Heute ist sie Rechtsanwältin in Johannesburg (Südafrika). Im Stück Mütter erzähle ich von einer Lehrerin, die mich damals rettete. Sie hatte mich bei einer südafrikanischen Familie untergebracht, bis ich in das Schulinternat aufgenommen werden konnte. Diese südafrikanische Familie hatte eine Tochter, sie hieß Ntombi. Ntombi ist ein Spitzname, eigentlich heißt sie Nomalizu. Die Familie gab ihr diesen Spitznamen, weil sie ihre einzige Tochter war und daher etwas ganz Besonderes. Langa ist ihr Nachname und bedeutet „die Sonne“. Ntombi Langa könnte übersetzt werden mit „im Sonnenlicht betrachtet“. Ich fand den Namen gut passend für das Radioprojekt. Denn gewöhnlich sind viele afrikanische Mädchen im Hintergrund und werden nicht gesehen.

Aus welchem Anlass hast du überlegt ein Frauen-Radioprojekt zu starten? 

Nomazulu Thata: Seit einiger Zeit schreibe ich Artikel in simbabwischen Online-Zeitungen. Mir ist aufgefallen, dass meine Artikel von vielen Leser:innen gelesen werden und sie mich in ihren Kommentaren immer wieder ermutigen, weiter zu schreiben. Mit der Zeit habe ich mich auf die problematische Lage von Frauen und Mädchen in Simbabwe spezialisiert. Ich setze mich stark mit der Gender-Problematik auseinander. Meine Leser:innen sind Städter:innen, das heißt, dass sie Internetzugang haben. Das ist aber nur ein Bruchteil der Menschen, die ich erreichen möchte …

… es geht dir also auch darum, Menschen in den ländlichen Gebieten zu erreichen?

Nomazulu Thata: Ja, ich habe mir überlegt, wie ich Frauen auf dem Land erreichen kann. 70% der Bevölkerung lebt auf dem Land und hat kein Zugang zum Internet oder zu Printmedien. Die Landbevölkerung hat aber Zugang zu Radio, geschätzt neun Haushalte von zehn besitzen ein Radiogerät.

… das ist eine hohe Quote …

Nomazulu Thata: Ja, wichtige Informationen werden über Radio empfangen, übrigens auch von NGOs. Da dachte ich mir: Gut, dann mache ich ein Frauen-Radio.

Ist die Zielgruppe vor allem Frauen aus Simbabwe?

Nomazulu Thata: Nein, ich möchte, dass dieses Radioprojekt länderübergreifend zugänglich ist. Wenn ich das Radioprojekt verwirklichen kann, ist die Idee, dass Frauen auf dem Land selbst Podcasts produzieren. Diese Podcasts bekomme ich und dann werden sie übertragen. Das wäre das Ziel. Schwarze Frauen aus Bremen können auch eine Zielgruppe sein. Sie haben auch die Möglichkeit, Podcasts zu produzieren, wenn sie es möchten.  

Du hast eine Homepage (http://ntombilangaradio.de/) zu deinem Radioprojekt. Das Projekt soll länderübergreifend sein, wobei der Fokus auf dem südlichen Afrika liegt. In welchen Sprachen werden die Radiosendungen zu hören sein?

Nomazulu Thata: Französisch, Englisch und Portugiesisch. Deutsch könnte auch eine Rolle spielen. Wir fangen mit diesen drei offiziellen Sprachen an. Es sind Kolonialsprachen, ja, aber sie werden von einer großen Mehrheit gesprochen. In Mosambik und Angola spricht fast jede:r Portugiesisch, auch die, die nicht alphabetisiert sind. Ich war selbst im Kongo, auf einem Markt in Kasumbalesa, nah an der Grenze zu Sambia. Ich dachte, dass ich mit den Marktfrauen direkt in Bemba sprechen würde, aber nein, sie sprachen mich auf Französisch an. Erst als ihnen klar wurde, dass ich kein Französisch sprechen kann, sprachen wir Bemba. Französisch, Englisch und Portugiesisch sind als Einstieg und Basis gedacht. Nach und nach möchten wir die regionalen Sprachen einbeziehen. Das Projekt entwickelt sich und die Erweiterung der Sprachen hängt davon ab, welche Kontakte wir vor Ort aufbauen können. 

Um welche Themen soll es gehen?

Nomazulu Thata: Themen, die Frauen betreffen: Häusliche Gewalt, Genitalverstümmelung, Kinderehen, Flucht. Es gibt Frauen, die von Ghana oder Nigeria die Sahara zu Fuß überqueren, um in die Städte am Mittelmeer zu gelangen. Viele schaffen es nicht. Sie sterben. Einige werden von Banden verschleppt und in Bordelle gebracht.           

… dass Frauen – Menschen generell – flüchten, hängt mit den Fluchtursachen zusammen …

Nomazulu Thata: Absolut. Warum fliehen die Frauen? Aus vielen Gründen. Manchmal ist der Grund, dass sie gezwungen werden zu heiraten oder es gibt eine Dürre oder Binnenvertreibung, wie in Nigeria. Wichtig ist auch der Klimawandel, der global sichtbar wird. Die Frauen sind davon sehr betroffen. Wenn es fünf Jahre lang nicht regnet, geraten Familien in extreme Armut und wenn sie Töchter haben, werden sie oft gezwungen, zu heiraten. Einen alten Mann, der vielleicht wohlhabend ist. Diese Mädchen sind das komplette Opfer des Klimawandels.

Mit dem Radiosender soll „frauenspezifische Aufklärungsarbeit geleistet werden“. So steht es auf der Homepage des Projekts. Warum wird diese Aufklärungsarbeit gebraucht?

Nomazulu Thata: Die ganze Aufklärung findet im südlichen Afrika statt. Wir möchten erstmal selbst Probleme identifizieren, untereinander besprechen und dafür Lösungen finden. Das heißt, die Lösung kommt nicht aus Bremen.

Es geht darum, sich gegenseitig zu informieren und eine Plattform zu schaffen?

Nomazulu Thata: Exakt. In jedem Land rekrutieren wir Frauen, die wir mit einem Laptop und Aufnahmegerät ausstatten. Wir geben ihnen „Minijobs“. Sie veranstalten Workshops mit Frauen vor Ort und zeichnen sie auf. Diese Aufzeichnungen werden von Bremen aus über Satellit übertragen.

Wann könnt ihr das erste Mal senden?

Nomazulu Thata: Wir fangen mit dem Webradio an und danach senden wir über Satellit. So wurde ich von Medienanstalten beraten. Webradio setzt natürlich einen Internetzugang voraus. Wir geben uns Zeit und setzen alles schrittweise um.

Um das Radioprojekt zu realisieren, sind Mittel nötig. Wie wird das Radioprojekt finanziert? Über Crowdfundig?

Nomazulu Thata: Das Crowdfundig in Höhe von 30.000 Euro soll erstmal gewährleisten, dass wir eine Erstausstattung haben für eine Radiostation, um überhaupt anzufangen. Es ist eine große Herausforderung diese Summe zu erreichen. Zum Glück gibt es Möglichkeiten die technische Ausstattung aus zweiter Hand von Medienhäusern zu erhalten. Danach geht es um die laufenden Kosten.

Wie ist die Resonanz auf das Projekt? Gibt es Unterstützer:innen?

Nomazulu Thata: Die Resonanz ist bisher sehr gut und das ermutigt mich. Ich bin in Kontakt mit Medienanstalten und internationalen Organisationen, die mir signalisiert haben, das Projekt zu unterstützen. Es geht um Kooperation.

Mehr Informationen zum Projekt und zu Möglichkeiten, es zu unterstützen, finden Sie unter startnext.com/ntombi-langa-radio

Mit Ntombi Langa hat sich Nomazulu Thata für den Bremer Diaspora-Preis beworben. Er wird seit zwei Jahren vom Afrika Netzwerk Bremen und Partner:innen organisiert und würdigt ehrenamtliche Leistungen von Diaspora- und migrantischen Organisationen in Bremen und umzu, die sich in Deutschland als auch außerhalb von Deutschland engagieren. Die Bewerber:innen haben ihre Projekte im Rahmen von Spoken words and music Mitte September auf dem Goetheplatz vorgestellt. Die diesjährige Preisverleihung findet am 25. September im Focke-Museum statt.

Nomazulu Thata wurde in Bulawayo, Rhodesien, heute Simbabwe, geboren. Als Ingenieurmetallurgin, Wasserspezialistin und ausgebildete Chemielehrerin begann sie ihre Karriere als Lehrerin 1978 bei der Kasisi Mission in Lusaka, Sambia. Im gleichen Jahr verließ sie Sambia, da sie ein Stipendium erhielt, um in der DDR zu studieren. Nach Abschluss der Ausbildung an der Technischen Universität Berlin, machte Nomazulu Thata den Master in Ingenieurmetallurgie und arbeitete anschließend als Wasserfachfrau an der Universität Koblenz. Sie zog nach Großbritannien, wo sie ein PGCE (Post-Graduate Certificate in Education) an der Canterbury Christ Church University erwarb. Seit 2010 ist sie Nord-Bremerin, wo sie an mehreren Schulen als Naturwissenschafts- und Chemielehrerin lehrte. Sie schreibt auch Artikel in einer täglichen Online-Zeitung: Bulawayo 24 Social News Media Simbabwe.

 

Veröffentlichung: 21.09.2021