„Ein Kumpel, den ich in meinem Herzen herumtrage.“
Vor der Premiere des zweiten Familienkonzerts hat die Dramaturgin Frederike Krüger mit Kristina Franz, die die Szenische Einrichtung verantwortet über Antoine de Saint-Exupéry und seinen kleinen Prinzen gesprochen.
Seine Frau Consuelo nannte ihn den „fliegenden Verrückten“. Ein Fliegender war er durchaus, der Pilot, der für seine waghalsigen Kunststücke im Himmel bekannt war. Aber auch einer, der mit flinker Feder zum Fliegen verführte – aber halt in der Fantasie. Die Rede ist von Antoine de Saint-Exupéry. Oder auch „Saint-Ex“, wie ihn Nahestehende nannten. Dabei konnte er noch vielmehr als „bloß“ schreiben und fliegen. So ließ er beispielsweise Löffel verschwinden, in dem er sie schluckte und in der Tasse seines Gegenübers wiederauftauchen ließ. Oder er tüftelte lange an der Spezialmixtur für Riesenseifenblasen. Er kritzelte außerdem bei jeder Gelegenheit auf Briefrändern, Servietten oder Notizzetteln herum … Irgendwann saß er, so heißt es, mit seinem Verleger Curtice Hitchcock in einem New Yorker Restaurant. Auch dieses Mal kritzelte Saint-Exupéry auf seiner Serviette herum: Strich für Strich kam ein kleiner Junge mit wuscheligen Haaren zum Vorschein. Hitchcock war so entzückt, dass er Saint-Exupéry spontan vorschlug, ein modernes Märchen mit eigenen Zeichnungen daraus zu machen. Nur ein Jahr später, am 6. April 1943, erschien in New York tatsächlich eine Geschichte mit dem Titel Der kleine Prinz. Die etwas eigenwillige Erzählung von einem kleinen, blonden Prinzen, der sich mit einer Blume streitet und seine Heimat verlässt, um die Welt zu erkunden, aber vor allem, um einen Freund zu finden, sollte das Fliegen lernen:
Nach der Bibel und dem Koran gilt es als das meistverkaufte Werk. Es wurde in fast 500 Sprachen und Dialekte übersetzt.
Was fasziniert „große wie kleine Leute“ (so heißt es bei Saint-Exupéry) noch heute an diesem Stoff? „Vor allem die Poesie, die dieses Märchen hat“, findet Kristina Franz. Sie ist Regieassistentin am Theater Bremen und hat sich für das Familienkonzert #2: Du bist nicht von hier, sagte der Fuchs genau dieses Buch vorgenommen. „Es ist traurig und wunderschön gleichzeitig“. Und was reizt sie noch? „Dass es tatsächlich so ist, dass man das Buch in jedem Alter lesen kann, am besten immer wieder. Es gibt so viel zu entdecken. Und selbst, wenn man es jeden Tag liest und denkt, man hätte es verstanden, wird man es immer wieder neu lesen und verstehen.“
1900 in Frankreich geboren, trieb sich Saint-Exupéry bereits als Kind auf dem Flugfeld herum, mit 21 Jahren machte er den Pilotenschein und seine Passion zum Beruf.
Zumindest einen Teil davon, denn so wie er buchstäblich gerne in der Luft hing, so hatte er auch im übertragenen Sinn seinen Kopf gern in den Wolken und schrieb Geschichten über seine geistigen Höhenflüge. Als Berufsschriftsteller sah er sich aber nie, sondern immer als passionierten Flieger, der nebenher Bücher verfasste und malte. Der kleine Prinz war nicht das erste Werk, was Saint-Exupéry veröffentlichte. Seine Romane Wind, Sand und Sterne oder Nachtflug berichteten von seinen Abenteuern als Pilot, die in Paris bei Rundflügen begannen und später auf Etappen zwischen Toulouse, Casablanca und Dakar ausgeweitet wurden. Als Flugplatzchef in der damaligen Kolonie Spanisch-Marokko rettete er mehrfach in der Wüste notgelandete Kollegen. 1935 stürzte er selbst bei einem Flug in Richtung Saigon nachts in der Sahara ab – ein Erlebnis, das er mit seinem kleinen Prinzen teilte. Im Zweiten Weltkrieg wurde er eingezogen und erlebte den Blitzangriff der deutschen Wehrmacht im Nordosten Frankreichs. 1940 immigrierte er in die USA.
Und sein kleiner Prinz? Hält seit seiner Veröffentlichung Einzug in die Leseecken der Menschen.
Was blieb Kristina Franz in Erinnerung von ihrer ersten Begegnung? „Mit vier Jahren habe ich die Geschichte zum ersten Mal gehört. Danach wollte ich mich auch in eine Rose verlieben“. Wie bringt sie diese Erzählung mit seiner so eigenen Poesie und den ikonografischen Zeichnungen auf die Bühne? „Wir bleiben in der Fantasie und der Sprache von Saint-Exupéry und finden einen möglichen Soundtrack für seine Geschichte. Selbstverständlich kommen die Rose, der Pilot, die Schlange und der Fuchs vor und wir bleiben bei den essentiellen moralischen Themen von Freundschaft, Liebe, Leben und Tod und Neuanfang. Da die Reise des kleinen Prinzen im Original aber sehr lang ist, haben wir ein bisschen zusammengefasst. Im Mittelpunkt steht seine Suche nach Antworten, wenn er sich fragend mit der Sinnlosigkeit des Handelns der ‚großen Leute‘ konfrontiert sieht. Mit zwei Sängern, einer Sängerin, den Bremer Philharmonikern und einer Erzählerin tauchen wir ein in eine Fantasie über das Leben auf anderen Planeten und den Fragen, die das Leben mit sich bringt. Für all das haben wir eigene Bilder erfunden und frei gestaltet.“ Und wie klingt der Soundtrack dieser Reise? „Es ist eine Musik, die vielfältig, sinnlich, melancholisch ist, die keine Zeit kennt, von Mozart bis John Williams“.
Aber für wen ist die Geschichte vom kleinen Prinzen, seiner Rose und einem vorwitzigen Fuchs eigentlich bestimmt?
Das verwirrte schon die Kritiker kurz nach Veröffentlichung. Sie lobten den Text und die Sprache, für ein Erwachsenenbuch war es ihnen aber zu kindlich. Für ein Kinderbuch wiederum zu erwachsen. Wer also sollte es lesen? Noch bevor Der kleine Prinz erschien, hatte Saint-Exupéry die USA wieder verlassen und in Algerien eine neue Heimat gefunden. Von hier aus machte er noch einige Aufklärungsflüge für die französische Luftwaffe – bis zum 31. Juli 1944. Von seinem letzten Flug an diesem Tag sollte er nicht zurückkehren. Der kleine Prinz ist sein letztes vollendetes Werk. Und vielleicht ein Plädoyer für das Verbundensein. Und damit für alle, die sich manchmal ein bisschen fremd fühlen in dieser Welt, auf diesem Planeten. Für alle, die Einsamkeit kennen und einen Freund oder eine Freundin suchen. Was wir vom kleinen Prinzen lernen können? „Dass Kinder häufig die richtigen Fragen stellen.“ Und wir uns wohl alle das innere Kind bewahren sollten. Wie einen Schatz, oder um es mit den Worten Saint-Exupéry über den kleinen Prinzen zu sagen, wie „einen Kumpel, den ich in meinem Herzen herumtrage.“
Veröffentlicht am 14. Februar 2025