Ein Platz für die Gefühle der Opfer
Der Kurzfilm Future is Panorama läuft am 19. Februar im Theater Bremen. Der Regisseur Muschirf Shekh Zeyn kann am Tag selbst nicht hier sein, hat aber eine Videobotschaft geschickt. Elif Zengin und Lena Mitra Sabbagh-Amirkhizi haben den Text transkribiert.
Es tut mir sehr leid, dass ich am 19. Februar nicht am Theater Bremen sein kann. Ich muss an dem Abend, an dem der Film gezeigt wird, in Berlin auf einer Veranstaltung sein. Es hat mich sehr, sehr gefreut, eingeladen zu sein. Ich habe in Bremen mehr als vier Jahre gelebt, tatsächlich so um die 300 Meter entfernt vom Theater Bremen.
Es waren sehr schöne Jahre in meinem Leben und ich habe ein großes Herz für die Stadt.
Über den Film: Es geht um Polizeigewalt. Ich wollte eine Geschichte erzählen, die uns sehr lange bei dem Filmprozess begleitet hat. Es geht um die Stimmen der Opfer in der Öffentlichkeit. Sei es ein Film, eine Show im Fernsehen oder ein Podcast. Es ist so, dass wenn die Opfer in den öffentlichen Medien über ihre Schmerzen, über ihre Betroffenheit von einer rassistischen Erfahrung berichten, dann müssen sie sich irgendwie an die Gesprächsregeln halten. Es ist nicht so richtig willkommen, wenn die Opfer im Fernsehen weinen oder über ihr Empfinden reden. Es kommt sehr schnell dieser Fakt: Was da passiert, das ist komplex. Es ist dies, es ist das.
Wenn das Opfer anfängt zu weinen oder schreien, dann ist es unprofessionell.
Auch wenn jemand, der rassistische Erfahrungen hinter sich hat und versucht, seine Gedanken und Gefühle mit Wörtern zu beschreiben, dann scheint es sehr oft, als wäre er radikal oder kompromisslos oder zu hart den Weißen gegenüber. Das ist ein Problem, fanden wir im Team, dass es nicht so viel Platz gibt für die Gefühle der Opfer. Man darf analysieren, schauen und untersuchen, was da passiert ist. Es ist aber gleichzeitig wichtig, wie die Opfer sich fühlen. Ich merke das in meinem alltäglichen Leben, wenn etwa meine Mutter eine rassistische Erfahrung erlebt hat, was öfter vorkommt, dann erzählt sie mir davon mit voller Frustration, voller Wut. Wenn sie das aber jemand anderem erzählt, einer guten Freundin von ihr zum Beispiel, die hier aufgewachsen und eine deutsche Frau ist, dann hat sie eine andere Sprache für dieselbe Situation, dann kommen so oft diese Begriffe: „Es gibt überall Gut und Böse und ich weiß, dass es sehr viele tolle Sachen gibt, usw.“
Es kommt so eine weiche Sprache, und diese Wut bleibt in der Familie, in den vertrauten Kreisen, was natürlich auch normal ist, aber wir fanden als Filmemacher:innen, dass es sehr wichtig ist, diese Stimme zu übertragen.
Das heißt, wir sind mit der Erzählung der Hauptfigur so umgegangen, als würde meine Mutter mir erzählen, was passiert ist. Ihre Wahrnehmung ist wichtig, ihre Gefühle sind wichtig. Jetzt zu dem Film an sich: Wir haben uns sehr viele Gedanken gemacht und sehr viel über unterschiedliche Terroranschläge in Deutschland recherchiert, unter anderem in Hanau und im Olympia-Einkaufszentrum in München. Und es ist leider so, dass diese ganzen Terroranschläge sehr viele Überschneidungen haben. Aber der Film basiert nicht auf den beiden oder anderen Terroranschlägen. Es ist komplett ausgedacht nach Recherchen. Ich habe ein paar Monate, nachdem der Film fertig war, zum ersten Mal zufälligerweise an einer Veranstaltung teilgenommen. Ich sollte übersetzen, es war so eine Vernetzung von Angehörigen von Opfern rechter Terroranschläge deutschlandweit. Es waren sehr viele Menschen da. Und ich musste das auf Kurdisch übersetzen, weil der Vater von einem Opfer rechter Polizeigewalt da war. Es war keine öffentliche Veranstaltung und ich durfte zum ersten Mal mitbekommen, wie diese Familie unter sich war und sie miteinander kommunizieren und reden wollten, wie sie sich fühlen, was sie machen. Als ich das erlebt habe und das alles übersetzt habe, kam mir der Film sehr weich vor.
Natürlich kann ein Film niemals die Realität darstellen.
Das ganze Geschehen im Film ist ja konstruiert und ausgedacht. Aber es ist trotzdem frustrierend, dass man mit einem Film nie so nahe an die Gefühle der Menschen kommen kann, gleichzeitig aber auch berechtigt und schockierend. Über die Polizeigewalt kann ich leider wie gesagt nicht so viel sagen. Aber wir haben uns mit Fragen und Theorien auseinandergesetzt. Fragen wie: Was ist die Rolle der Polizei in einer Gesellschaft? Das System zu schützen oder die Bürger:innen zu schützen? In einer gerechten Gesellschaft wird die Polizei notwendig sein. Darf die Polizei Befehle hinterfragen? Wann dürfen sie sie hinterfragen, wann hat ein:e Polizist:in das Recht, einen Befehl abzulehnen, weil die Person das nicht mit ihrem Gewissen vereinbaren kann? Sollen wir uns Sorgen machen, weil das nicht oft vorkommt?
Vielen Dank an die Veranstalter:innen, die das Programm organisiert haben. Ich wünsche allen einen schönen Abend und eine spannende Diskussion.
Veröffentlicht am 14. Februar 2025.