Einrichten in der Apokalypse

Über Prepper-Wohnfantasien: Eine Collage aus Aufsätzen von Mona Schieren, Professorin für Transkulturelle Kunstwisschenschaft an der HfK Bremen, anlässlich der Wiederaufnahme von C0N5P1R4.CY [Keine Zufälle] im Moks.

In Outdoor-Zeitschriften kann man(n) viel über das (innere) Einrichten lernen. Seit geraumer Zeit geistert die Figur des Preppers – aus den USA kommend – durch deutschsprachige Medien und auch durch Outdoor-Magazine. Prepper, abgeleitet vom englischen „to be prepared“, rüsten sich für den Ernstfall aus. Der Prepper (meistens männlich) präpariert sich je nach politischer Gesinnung oder verschwörungsmythischem Unterbau für Naturkatastrophen, Pandemien, ABC-Unfälle, Blackout, Terrorismus, Inflation, weltpolitische Konflikte, Krieg, Bedrohung aus dem All, Ressourcenknappheit. Er baut Bunker im Wald oder richtet sich in seinem Keller samt akribischer Vorratswirtschaft für die Apokalypse ein.

Es lassen sich schwer allgemeine Aussagen über das Prepping treffen, da es sich nicht um eine gemeinschaftliche Bewegung handelt, sondern um diverse Splittergruppen und Einzelpersonen.

Eine erste Recherche im Netz offenbart eine ungreifbare Masse verschiedener Ausrichtungen und politischer Beweggründe: Von Verschwörungstheoretikern über Neofaschisten und Reichsbürger bis zu Technisches-Hilfswerk-Begeisterten und MacGyver-Fans ist alles dabei. Doch gerade die Individualisierung ihres Anliegens und das nicht vorhandene Vertrauen auf gemeinschaftliche institutionelle Strukturen scheint ein markantes Motiv zu sein, das von den USA jüngst als vorwiegend männliche Kultur – von meist 35- bis 55-Jährigen! – nach Europa geschwappt ist:

Sie zeichnet sich erklärtermaßen dadurch aus, dass Prepper „makers“ und keine „takers“ sind.

Neben dem auch in Europa wieder florierenden privaten Bunkerbau durch entsprechende Firmen bevorzugt der Prepper meist Marke Eigenbau. Über DIY-Tutorials werden Tipps verbreitet, wie der eigene Keller zum Bunker umzubauen sei; oder für den geheimen Ausweichbunker im Wald, falls es in den Städten Energiearmut geben sollte, sodass man im Unterholz strategisch besser positioniert ist. Der Wald wird dabei als Ort der Wildnis gesehen, um sich zu verstecken, sowie als Ressourcenlager, das man ausschlachten könne. Das Prepper-Konzept ist nicht auf Kooperation ausgerichtet, sondern als Fortsetzung des alten Siedler- und Ressourcenverwertermodells angelegt: nicht mit der Natur, sondern auf Kosten der Natur.

Es wird viel mehr Energie darauf verwendet, wie das eigene Überleben nach einem Stromausfall oder anderen Katastrophenszenarien zu sichern wäre, als aktiv zu versuchen, dazu beizutragen, heutige Krisenherde und Konflikte zu entschärfen.

Der Prepper versucht Urvertrauen über die „Urhütte“ materiell wiederherzustellen, ein Mangel, der indes an anderer Stelle zu bearbeiten wäre. Zwischen privatem Bunkerbau und Messie-Syndrom scheint es Parallelen zu geben. Messies wie Prepper, beide scheinen nicht im Jetzt leben zu können, sondern müssen andere Zeitschienen bedienen. Allerdings scheint die Sammelmotivation bei Personen mit Messie-Syndrom wesentlich aus ihrer Vergangenheit herzurühren. Der Blick des Preppers richtet sich auf die Zukunft, auf den Worst Case, bei dem die Karten neu gemischt werden. Er bunkert, was dann strategisch von Nutzen sein könnte. In diesem Sinne ist der Bunker des Preppers kein shelter und auch nur in zweiter Linie Sammlung von Material: Der Prepper-Bunker dient der Abgrenzung und Abschottung – vor allem auch von den anderen, die nicht vorgesorgt haben. Angesichts des Covid-19-Virus und der Klimakrise hat die Plausibilität – und Attraktivität – unterschiedlicher dystopischer Szenarien nicht abgenommen. Auch eine auffallende Häufung apokalyptischer Krisenfiktionen lässt sich in der jüngsten Belletristik und in Filmen und Serien verzeichnen…

Auszüge aus: Mona Schieren: „BUNKERN. Privater Bunkerbau an Zellen, im Kalten Krieg und in Prepper-Fantasien“, in: Katrin von Maltzahn, Mona Schieren (Hg.): Re: BUNKER. Erinnerungskulturen – Analogien – Technoide Mentalitäten, Berlin 2019.

Mona Schieren: „Einrichten in der Apokalypse. Prepper-Wohnfantasien in Outdoor-Magazinen“, in: Irene Nierhaus, Kathrin Heinz, Rosanna Umbach (Hg.): WohnSeiten: Ins Bild gesetzt und durchgeblättert. Zeigestrategien des Wohnens in Zeitschriften, Bielefeld 2021.

Unsere Autorin:

Prof. Dr. Mona Schieren lehrt Transkulturelle Kunstwissenschaften an der Hochschule für Künste Bremen. Aktuell forscht und publiziert sie zu sozialen, medialen und transkulturellen Bedingtheiten künstlerischer Produktion im globalen Kontext, zu Geschichtspolitiken und Populismen, zur Kulturgeschichte von Körperpraktiken und Traumatheorie, kultureller Produktion zu Migration und nicht westlichen Epistemologien.

Ihr Buch Transkulturelle Übersetzung im Werk von Agnes Martin. Zur Konstruktion asianistischer Ästhetiken in der amerikanischen Kunst nach 1945 (2016) wurde mit dem International Publication Award der College Art Association ausgezeichnet und erscheint nun auch in englischer Sprache. 2019 mündete ihr Ausstellungsprojekt im Bunker ‚Valentin‘ (zusammen mit Katrin von Maltzahn) in das gemeinsam herausgegebene Buch Re: BUNKER. Erinnerungskulturen – Analogien – Technoide Mentalitäten.

 

 

Veröffentlichung: 18.1.21