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#Kurt-Hübner-Preis #Schauspiel Und außerdem

Ensemblespieler

Der Kurt-Hübner-Nachwuchspreis ging in diesem Jahr an den Schauspieler Levin Hofmann. Guido Gallmann hat die Laudatio gehalten.

Ein Mann hält einen schwarzen Pfeil und einen überdimensionalen Scheck über 5.000 € in der Hand. Neben und hinter ihm stehen Menschen, die ihn anlächeln und klatschen.

Levin schafft es, in sich, in seinem Spiel, Gegensätze zu vereinigen: alt – jung, ernsthaft – spielerisch, bescheiden – schlawinerhaft, Arbeit – Glückskind. Ein Glückskind ist Levin auf jeden Fall, denn er hat Talent und eine helle Seele. Aber Arbeit trifft auf ihn auch zu, denn am Theater, wie in jedem anderen Beruf, kulminiert manchmal die Arbeit, es wird zu viel, und auch das hat Levin in seinen ersten zwei Jahren erlebt, dass er sagen musste: „Ich möchte ja gern, aber ich kann einfach nicht mehr.“ Für alt-jung habe ich auch ein schönes Beispiel: In dem Stück Hawaii spielt er fünf verschiedene Rollen, unter anderem einen rassistisch eingestellten Typen, der im breitesten Schwäbisch spricht. Das ist ebenfalls ein Talent, Dialekte zu beherrschen, und dafür muss man zuhören können, was Menschen reden und wie sie reden. Da sehe und erlebe ich einen Mann von 35 bis 40 Jahren. Daneben spielt Levin auch einen Jugendlichen, der sich über das Wiedersehen mit dem Protagonisten freut und ihn bewundert. Jetzt sehe und erlebe ich einen 16-jährigen. Wie macht er das, ohne mit Äußerlichkeiten etwas zu „machen“? Ich meine, er lässt das Denken und Fühlen der Figuren zu, lässt beides durch seinen Körper fließen und überwindet so glaubhaft mindestens zwanzig Jahre Altersunterschied.

In der Heiligen Johanna der Schlachthöfe spielt er den fiebrig-fiesen, leicht sadistischen und wie unter Koks stehenden Makler Slift, der sich über die angebliche Unmoral der Armen in den Slums auslässt. Wenn Johanna antwortet: „Woher sollen sie denn eine Moral haben, wenn sie sonst nichts haben?“, schleudert er voller Wut einen Tennisball gegen eine große, breite, gelbe Holzwand. In einer Vorstellung hat Levin die Aggressivität so in seinen Körper genommen, dass er es tatsächlich geschafft hat den Ball durch die Wand zu ballern: so ein großes Loch im Bühnenbild. Die nächsten Vorstellungen passierte das nicht mehr, aber dann kam die Vorstellung, in der er den Ball mit voller Wucht ... daneben geworfen hat. Ich musste mich so kneifen, um nicht zu lachen, dass ich nachher einen blauen Fleck hatte, aber Levin blieb in seiner Rolle und hat dem aalglatten, eiskalten Slift einen Moment der Peinlichkeit und des Selbstzweifels gegönnt. Levin wird bescheiden das Gegenteil behaupten und sagen: „Guido, ich dachte nur, wie doof ist das denn, danebenzuwerfen!“ Aber ich sage, das ist die Kunst: diesen Moment für die Figur zu nutzen und sie anzureichern.

Wie ist es mit ihm zu spielen, wie ist er als Kollege? Ich möchte Ihnen kurz etwas zeigen, es ist kurz vor der Vorstellung und die Inspizientin bittet uns, die Bühne frei zu machen um das Publikum in den Saal zu lassen und dann (Guido Gallmann bittet Ferdinand Lehmann zu sich, sagt, er sei jetzt Levin und springt an Ferdinand hoch, umarmt ihm und hüpft über die Bühne). Ich interpretiere das als Vorfreude, gleich Theater spielen zu können. Apropos Freude: Ich freue mich sehr, wenn es ab und zu klingelt und Levin steht da und sagt: „Ich habe gebacken, möchtest du etwas abhaben?“ (Der letzte Kuchen mit Himbeeren war super, den kannst du gerne nochmal machen)

In Das achte Leben spielt er Andro, der für die georgische Legion angeworben werden soll. Andro lehnt ab, der Anwerber schweigt, um dann mit einer brutalen Information weiterzumachen. Levin weiß natürlich, dass eine Pause kommt und wie es weitergeht, aber in wirklich jeder Vorstellung sehe ich in Levins Augen, dass er Andro denken und fühlen lässt: „Was passiert jetzt, ich habe Angst und keine Ahnung, wie es weitergeht.“

Levin ist ein Spielpartner mit Betonung auf PARTNER. 
Als Rheinländer mag ich die norddeutsche Art, Dinge kurz, knapp und trocken auf den Punkt zu bringen, und so möchte ich dir ein sehr großes norddeutsches Kompliment machen:
„Gar nicht mal so schlecht.“
Und ein großes Lob aus meiner Bremer Familie lautet:
„Das ist ein Guter.“
Levin ist ein Guter.

Ich bin mir sicher, dass deine frühkindliche grün-weiße Werder-Prägung deinen Mannschaftgeist befördert hat und so bist du der Ensemblespieler geworden, der du bist. Ja, das bist du, und das ist die ganze Bande hier, und es ist wunderbar und beglückend, mit euch im Austausch zu sein und von euch zu lernen.

Als Melina, Regieassistentin und gute Freundin von Levin, und ich uns zu einem Brainstorming für die Laudatio trafen, sprachen wir auch über Levins Wohnung und sein Fenster zur Straße, das ein wahres Schaufenster ist. Seine Wände hängen voll mit Erinnerungen: Postkarten, Fotos von Freund:innen und Familie, Theatertickets, Zeichnungen. Es verbergen sich in jeder Ecke gesammelte Schätze: kleine Spiderman-Figuren oder Alben aus seiner Jugend. In seinem Kleiderschrank findet man mindestens fünfzig gesammelte Trikots von Vereinen aus der ganzen Welt. Levin sucht, findet und umgibt sich mit den Sachen, die er liebt. Wir glauben, weil du dich so gerne mit deinen gefundenen Schätzen und den Sachen, die du liebst, umgibst, ist das auch der Grund, dass wir uns so gerne mit dir umgeben. Wir möchten dir etwas für deine Sammlung schenken, nämlich diesen Fußball hier mit Unterschriften deiner Kolleg:innen, deiner Mannschaft,
deinem Team Theater Bremen.

Lieber Levin, von Herzen Glückwunsch zum Kurt-Hübner-Nachwuchspreis!

 

 

Veröffentlicht am 27. Juni 2024

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