„Es beginnt mit etwas ganz Kleinem und dann werden immer größere Kettenreaktionen ausgelöst“
Chaos heißt die neue Moks-Produktion von Arnold&Bianka: Über die Frage nach geordnetem Arbeiten im Kollektiv, dem Guten der Chaostheorie und anderes, hat sich Saskia Scheffel mit den Theatermacher:innen unterhalten.
Ihr habt euch in eurer Produktion vor über zwei Jahren mit Langeweile beschäftigt, sie hieß Wie lang geht das noch?, jetzt forscht ihr zum Chaos. Ist kollektives Arbeiten mehr Ordnung oder mehr Chaos?
Fabian Eyer: Es ist auf jeden Fall nicht langweilig.
Anne Ferber: Es ist geordnetes Chaos.
Sebastian Rest: Ich würde sagen, wenn man jetzt zwei Extreme aufmachen würde, dann hat ein streng hierarchisches System scheinbar mehr Ordnung, während die Arbeit als Kollektiv, die ja meint, dass es ein Mitwirken aller Beteiligten in allen Dingen gibt, ein höheres Maß an Chaos, oder vielleicht besser Vielfalt, hat.
Valeska Fuchs: Es sind viele Gedanken im Raum und viele Meinungen und Perspektiven und das ist gut. Aber dann geht’s auch darum, dass dann zu ordnen. Das Reizvolle ist, dass man etwas äußert und dann innerhalb von einer Stunde oder zwei merkt, was das eigentlich für ein Ergebnis hat. Weil sich aus einem kleinen Gedanken dann etwas Neues entfaltet hat. Chaostheorie funktioniert ja auch so: Es beginnt mit etwas ganz Kleinem und dann werden immer größere Kettenreaktionen ausgelöst. Das ist schon auch eine Metapher für unsere Arbeit.
Jetzt fangen wir einmal ganz ordentlich der Reihe nach an. Wie ist euer Kollektiv Arnold & Bianka entstanden?
Sebastian Rest: In der Coronazeit kam hier am Moks die Idee auf, ein Stück unter uns zu machen. Wir konnten mit Gästen nur schwer Pläne machen und Projekte wurden abgesagt oder verschoben. Da entstand dann Der Lauf der Dinge. Daran waren unter anderem Fabian, Valeska und ich beteiligt und weil das gut geklappt hat, hatten wir den Wunsch, nochmal zusammen zu arbeiten. Dann kam Anne Sauvageot noch neu ins Ensemble und Valeska hat noch Anne Ferber mit ins Boot geholt.
Fabian Eyer: Es war ja auch so, dass wir alle, bis auf Anne Ferber, hier am Haus angestellt waren, aber auch Lust hatten, jenseits dieser festen Rollen im Kollektiv zu arbeiten. Das entspricht uns irgendwie und wir haben dann schnell gemeinsame Interessen gefunden, einen gemeinsamen Nenner.
Habt ihr trotzdem das Gefühl, dass ihr die Rollen, die ihr am Haus habt oder hattet, auch im Kollektiv weitertragt?
Anne Sauvageot: Also ich glaube, es spielt schon in unsere Arbeitsweise rein. Unsere einzelnen Stärken haben ja auch etwas damit zu tun, was wir hier machen oder mit was für einem Job wir hier angestellt waren oder sind. Aber im Prozess würde ich jetzt gar nicht so eine klare Aufgabenverteilung sehen. Außer natürlich, wenn es dann gegen Ende darum geht, wer ist jetzt auf der Bühne ist oder das Anne Ferber die ganze Ausstattungsverantwortung hat.
Wie hat sich eure kollektive Arbeit seit der ersten Produktion Wie lang geht das noch? verändert?
Sebastian Rest: Also wir haben ja erst zwei Produktionen in der Konstellation gemacht und in der zweiten sind wir gerade noch mitten drinnen.
Fabian Eyer: Ich würde schon sagen, dass wir über die erste Produktion einen Modus gefunden haben, den wir damals noch mehr suchen mussten. Wir konnten jetzt an einem anderen Punkt starten als das erste Mal.
Valeska Fuchs: Ja, und man kann auch Referenzen ziehen zur letzten Arbeit. Das ist zum einen gut, weil es einen ein bisschen entlasten kann, wenn man so ins Struggeln kommt und merkt „ah, an dem Punkt waren wir schon mal und da kommen wir drüber“. Aber ich finde, es ist auch mit Druck verbunden, weil ich unsere erste Arbeit sehr gerne mag und schon den Anspruch habe, dass die neue Produktion mindestens genauso gefällt.
Sebastian Rest: Das geht mir ähnlich, jetzt ist ein bisschen mehr Druck zu spüren, auch weil man jetzt auf der größeren Bühne ist.
Anne Sauvageot: Damals war der Fokus nochmal ein ganz anderer, während der Pandemie. Das war arbeitsmäßig das einzige Projekt, was ich so hatte, während wir jetzt wieder in einem Theateralltag sind.
Ihr habt eben die Vielfalt an Perspektiven angesprochen. Habt ihr alle einen ähnlichen Blick auf Chaos und Unordnung oder gibt es da größere Differenzen?
Anne Sauvageot: Ich würde sagen, wir sind definitiv nicht alle gleich ordentlich. Also es kommt ja auch immer drauf an in welchem Bereich. Aber wenn ich jetzt überlege, wer das ordentlichste Zuhause hat, würde ich sagen Valeska.
Fabian Eyer: Valeska formuliert ihr Ordnungsbedürfnis stark. Sie ist immer diejenige mit der strukturierten Post-it-Wand und hat am Anfang auch gesagt, dass es sie etwas stresst, ein Stück über Chaos zu machen.
Valeska Fuchs: Ja, für mich war das schon eine Herausforderung, weil ich ein extrem strukturierter Mensch bin und auch Kontrollverlust und Überforderung Themen sind, die mich echt stressen.
Fabian Eyer: In unserem Stück ist ja auch viel Platz für verschiedene Facetten. Wir wollen ja gar nicht sagen, Chaos ist jetzt so oder so. Ist es jetzt schön oder schlecht. Das kann man auf verschiedene Arten sehen.
Veröffentlicht am 12. April 2024