Feminismus bedeutet Antifaschismus.
Über Clara Zetkin, eine Kämpferin für die Rechte der Frauen, über Mut und offene Augen und Ohren: Dramaturgin Frederike Krüger zum Feministischen Kampftag.
„Ich werde kommen – tot oder lebendig“ – es war das Jahr 1932 als Clara Zetkin diese Worte, schwer erkrankt in einem Sanatorium in Moskau, nach Berlin schrieb. Clara Zetkin, Tochter des Dorfschullehrers Gottfried Eißner und der dem Allgemeinen Deutschen Frauenbund angehörenden Josephine Eißner, war Politikerin, Theoretikerin, Pädagogin, Sozialistin, Marxistin, Journalistin, Pazifistin, Feministin und vieles mehr. Vor allem war sie aber die Begründerin der internationalen proletarischen Frauenbewegung. Auf Initiative von Clara Zetkin wurde 1910 auf der Zweiten Internationalen Sozialistischen Frauenkonferenz die Einführung eines jährlichen Internationalen Frauentages beschlossen.
Clara Zetkin war jemand, die mehr wollte als Rosen und Schokolade.
Sie forderte gleichen Lohn bei gleicher Arbeit unabhängig des Geschlechts, sie dachte Feminismus stets ganzheitlich, eine ihrer wichtigsten Vertrauten war Rosa Luxemburg. Ihr ganzes Leben hat Clara Zetkin für Frieden und Sozialismus gekämpft. Als die überwältigende Mehrheit der SPD bereits den Kriegskrediten zugestimmt hatte und der Erste Weltkrieg nicht mehr aufzuhalten schien, versuchte Zetkin gegen den Krieg mobil zu machen. Zusammen mit internationalen Sozialistinnen brachte sie einen Appell gegen den Krieg aus und ging dafür kurzzeitig ins Gefängnis. Ihre Kraft zog sie aus ihrer Wut über systemische Gewalt und politische Ungerechtigkeit.
Ihr Antrieb war der leidenschaftliche Glaube an eine bessere Welt – für alle.
Trotz ihrer chronischen Erkrankung, die wahrscheinlich auf eine nicht ausgeheilte Tuberkulose zurückzuführen war, brachte sie immer wieder die Kraft auf, aufs politische Podium zu gehen, entgegen ihrer großen Angst und Aufregung, die sie vor öffentlichen Reden spürte. Vor allem aber hatte Clara Zetkin die Wesensmerkmale des Faschismus bereits in den frühen 1920er Jahren erkannt und analysiert. Seitdem hat sie bei ihren politischen Auftritten immer wieder vor dem Nationalsozialismus gewarnt. Vor diesem Hintergrund mag es kaum verwundern, dass sie sich ihrer Redeangst zum Trotz, gesundheitlich schwer angeschlagen und wider aller Drohungen der NSDAP-Mitglieder, 1932 von Moskau nach Berlin aufmachte. Sie war zu diesem Zeitpunkt 75 Jahre alt und als Mitglied der KPD (Kommunistische Partei Deutschlands) stand ihr als Alterspräsidentin die Eröffnung des neu gewählten Reichstags zu. Nur wenige Monate zuvor war es den Nationalsozialisten gelungen, zwanzigmal so viele Stimmen als vier Jahre vorher zu erhalten und zur stärksten Fraktion aufzusteigen. Clara Zetkin war angesichts dieser Entwicklung beunruhigt, vor allem darüber, dass es der NSDAP gelungen war, so viele Menschen aus jenen gesellschaftlichen Schichten für sich zu gewinnen, für welche Zetkin und ihre Partei, die KDP, stets eingetreten waren.
Ihre Eröffnungsrede vor einem Plenarsaal voller SS- und SA-Uniformen war ein flammender Aufruf zur Einheitsfront aller Werktätigen, sich dem Faschismus entgegenzustellen.
Sie beschwor ein breites Aktionsbündnis: „Vor dieser zwingenden geschichtlichen Notwendigkeit müssen alle fesselnden und trennenden politischen, gewerkschaftlichen, religiösen und weltanschaulichen Einstellungen zurücktreten.“ Leider blieb dieser Appell an die „Schicksalsgemeinschaft der Schaffenden der ganzen Welt“ und „an die Millionen unterdrückter Frauen“ ohne Wirkung. Clara Zetkin starb am 20. Juni 1933.
Ihre letzte öffentliche Rede hatte sie kurz zuvor gehalten: am 8. März.
Mit Blick auf die Gegenwart offenbart sich: Weltweit gewinnen reaktionäre und faschistische Kräfte an Einfluss. Und mit ihnen nimmt die Gewalt gegen Frauen und FLINTA* (Akronym für cis Frauen, also Frauen, deren Geschlechtsidentität dem Geschlecht entspricht, das ihnen bei der Geburt zugeschrieben wurde, Lesben, inter*, nicht binäre, trans*, agender und weitere Personen) zu. Die Welt steht in Flammen. Und wer hält die Streichhölzer in der Hand? Vor allem Männer. Als Brandbeschleuniger dienen ihnen dabei totalitäre, extremistische Ideologien, propagiert mittels nationalistischer, rassistischer und faschistischer Narrative. Rechte und autoritäre Kräfte propagieren einfache Feindbilder und bedienen damit das Stereotyp autoritärer Männlichkeit. Feministische Errungenschaften werden unter dieser autoritären Politik als erstes zunichte gemacht, verhindert oder zerstört: Sei es die Verhinderung der Abschaffung des Abtreibungsparagrafen 218 in Deutschland, die misogyne Abtreibungspolitik unter Trump in den USA oder der polnischen PiS, die queerfeindliche Politik Orbáns in Ungarn oder der FPÖ in Österreich, die misogyne Gewalt der iranischen Mullahs, die völlige Entrechtung unter den Taliban oder der gezielte Einsatz sexualisierter Gewalt als Kriegswaffe im Sudan.
Ziel autoritärer Angriffe – ganz gleich ob durch völkische Rechte oder islamistische Gruppen – sind immer wieder FLINTA*.
Dass es im Weltbild des autoritären Extremismus und damit im Faschismus keinen Platz für die Selbstbestimmtheit der Frau gibt, wusste schon Clara Zetkin und zeigt sich in erschreckenderweise auch in der Gegenwart. Wenn es 2024 rund zwanzig Kundgebungen und Übergriffe gegen und auf Christopher-Street-Day-Veranstaltungen gab, die von Rechtsextremisten organisiert und dominiert wurden und wenn rechte Politiker:innen Transfeindlichkeit als zentrales Mobilisierungsthema nutzen, dann zeigt sich auch, dass es im Faschismus ebenso keinen Platz für queere Lebensrealitäten gibt.
Dabei ist der Hass auf Frauen und FLINTA* so etwas wie der Kitt, der unterschiedliche gewaltvolle Gruppen und Weltanschauungen vereint.
Er ist inhärenter Teil des Rechtsextremismus. Wenn ultrarechte Weltbilder wieder zutage treten und rechtspopulistische Rhetorik bis in die Mitte der Gesellschaft vordringt, ist das eine konkrete antifeministische Bedrohung. Eingebettet sind die rechter Ideologie zugrundeliegenden Narrative in die Struktur von Staat und Kapitalismus: Im kapitalistischen System erleben Menschen strukturell verursachte Ohnmachtsgefühle und Ängste, die sich in rassistischen, nationalistischen und antisemitischen Narrativen kanalisieren können. Hier greifen Rechte und autoritäre Populist:innen an und propagieren einfache Feindbilder, deren einfache Lösung autoritäre Männlichkeit heißt. (Gleichzeitig führt das kapitalistische System zu einer Kürzungspolitik, die besonders FLINTA* bedroht: zu wenig Frauenhausplätze, queere Zentren und Beratungsstellen werden geschlossen, sozialstaatliche Sicherungssysteme abgebaut, sodass Frauen und FLINTA* noch stärker in die Abhängigkeit von staatlicher Unterstützung oder die ihres (Ehe-)Mannes getrieben werden). Kapitalismus und Patriarchat gehen Hand in Hand – und hofieren den Faschismus. Ihre dinglichsten Diener sind dabei rechte Narrative.
„Wir alle dürfen nicht rasten und ruhen, bis der Faschismus, der blutige Unterdrückung, Terror, Hunger und Krieg im Gefolge hat, zerschmettert am Boden liegen wird.“
Diese Worte richtete Clara Zetkin nach der Brandstiftung des Reichtags am 27. Februar 1933 als einen letzten Aufruf an die Öffentlichkeit. Aber es kam zu keinem Bündnis gegen die Nationalsozialisten. Ihre Worte sollen Mahnung sein, an diesem 8. März und jeden Tag. Feminismus bedeutet Antifaschismus.
Veröffentlicht am 7. März 2025.