Fish Out of Water

Samir Akika's Motivational Speech at the Rehearsal Kick-Off for (Little) Mr. Sunshine

Deutsche Version unten

 

Doors are closing, public is in. You know that all these people have their expectations. The stage manager asks to start. You don’t even have a costume. You wear casual. So you step in. The decor is unfamiliar to you, the lights are incorrectly set and they probably stay that way during the whole show … There is no script. You look around, you check on your colleagues and all you see is dead fish eyeballs. All you get is incredulity. It’s time to take a decision though. You have to make everything on the fly. Who among you should start? How? Encourage those who eventually have to do it. Done. Move on to the next scene. Eventually you guys get at ease with the situation and start to adapt. You actually have fun, even if things get dramatic once in a while, someone always has a good idea for a skeptical comment, an unexpected twist, a joke or even an abstract moment. You are vulnerable but stay loose and surprisingly sharp and creative. You manage to evolve between being clowns, bad magicians, tear jerkers, great dancers while asking the right questions and laying down your answers. No laments.

(Little) Mr. Sunshine is about the art of performing, the function of performance and the introspection of the performer.

Share with us your expertise: The Art of falling, of rolling on the floor without hurting yourself, looking stupid or making sounds. Give us a lecture on skills. How do we come up with our ideas, the audience always wants to know. Sometimes the answer is Tik-Tok or YouTube … How do you talk as dancers when you talk about work with other dancers? How do you name things? Movements? Habits? Movement habits? Old-fashioned habits? Avant-garde dos & don’ts? Get theoretical or keep it basic, it’s up to you. It’s a journey through our understanding of theater that unfolds on how we feel about our job and on the meaning of our life.  

Don’t get me wrong, it’s not about moaning or forcing compassion. We are vulnerable and that’s beautiful.

It’s an opportunity to share ideas about good theater (as well as bad theater). The beauty of its ephemerality. As time goes and we get older and we make decisions or our body does it for us, we have to ask ourselves what keeps us going on? We have crises, we fight the routine that kills our creativity, we fight every day to keep our passion as vivid as when we fell in love for the first time. We all have our stories. Conflicts with directors or colleagues. We have to go on stage being looked at in pieces or roles that we are uncomfortable with sometimes. We feel shit and always try to see the positive aspects of it. “It’s just a job”, “It’s money”, “It’s an experience”, we tell ourselves. Why do we go on? Because we can’t do something else, we want to say something, we hope to reach an impossible quest, we didn’t get enough love from Mama, we want to be famous in a way to prove to ourselves or to someone else that our passage on earth was worth it? Or do we do it because of the uniqueness of those beautiful moments that happened on stage?

In (Little) Mr. Sunshine, let’s try to reach pieces of our dreams, make up with our frustrations and regrets. 

How do we do what we do? When do you get goose bumps as a performer or as an audience member? Are you scared sometimes not to be able to fulfill the expectations? Creativity, skills, talent, sharing, failures, disappointment, obsession, risk taking, comfort zone, exposing yourself. Is what we do important to us? To the public? Do we love it? Is it a drug? Is it a real job? What do you think are your goals? How much do you really care about the opinion of the public, the critics, the director, your colleagues, your friends, your family? It’s a chance to reveal performer’s secrets, share our desires, frustrations and regrets.  We want to have humor, intensity, looseness, poetic moments. So go ahead and negotiate, compete, support, debate, comment with your colleagues, refer to other artists that you love.

 

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Samir Akikas Motivationsrede zum Probenstart von (Little) Mr. Sunshine

Die Türen sind geschlossen, das Publikum ist da. Du weißt, dass alle im Raum Erwartungen haben. Die Inspizientin fragt, ob wir anfangen können. Du trägst noch nicht mal ein Kostüm. Du hast deine Alltagsklamotten an. Du gehst raus. Der Bühnenraum wirkt merkwürdig, das Licht falsch eingestellt und möglicherweise wird es die ganze Performance so bleiben. Es gibt kein Skript. Du schaust dich um und siehst nur die leeren Augen deiner Kollegen. Du musst eine Entscheidung treffen, aus dem Bauch heraus handeln. Wer von euch sollte anfangen? Wie sollte er anfangen? Findet zusammen einen guten Anfang, ermutige die, die es schließlich machen sollen. Fertig. Geh zur nächsten Szene. Vielleicht habt ihr mittlerweile Spaß an der Sache gefunden und auch wenn es mal brenzlig wird: Einer von euch hat immer eine gute Idee oder macht einen Witz. Ihr seid verletzlich, bleibt aber kreativ und konzentriert. Während ihr die richtigen Fragen stellt, wechselt ihr zwischen bösen Zauberern und Clowns, zwischen Schnulze und großem Tänzer. Keine Klagen.

„(Little) Mr. Sunshine“ dreht sich um die Kunst des Performens, die Funktion der Performance und Innenansichten der Performer.

Zeig uns, wie du fällst, dich auf dem Boden wälzt, ohne dich dabei zu verletzen. Wie du dich dumm anstellst oder irgendwelche Geräusche machst. Zeig uns, was du drauf hast. Das Publikum möchte immer wissen, wie wir auf die Ideen kommen. Manchmal ist die Antwort Tik-Tok oder YouTube ... Wie redet man als Tänzer, wenn man über die Arbeit mit anderen Tänzern spricht? Wie benennt ihr da die Dinge? Bewegungen? Gewohnheiten? Bewegungsgewohnheiten? Altmodische Gewohnheiten? Avantgardistische Do’s & Don'ts? Werdet theoretisch oder bleibt bei den Basics, das überlasse ich euch. „(Little) Mr. Sunshine“ ist für uns eine Reise durch unser Verständnis von Theater, unser Verständnis unserer Arbeit und dem, was sie für unser Leben bedeutet.

Versteht mich nicht falsch, es geht nicht darum, zu jammern oder Mitleid zu erheischen. Wir sind verletzlich, und das ist schön.

Wir haben hier die Gelegenheit, uns über gutes und schlechtes Theater zu unterhalten. Über die Schönheit und die Vergänglichkeit. Über die Zeit und ihr Voranschreiten, die Entscheidungen, die wir treffen und die Entscheidungen, die unser Körper für uns trifft. Wir haben Krisen, wir kämpfen gegen die Routine, die unsere Kreativität tötet, wir kämpfen jeden Tag darum, dass unsere Leidenschaft so lebendig bleibt wie damals, als wir uns zum ersten Mal verliebten. Jeder von uns hat seine Geschichte. Konflikte mit Choreograf:innen oder Kolleg:innen. Wir stehen in Rollen auf der Bühne, in denen wir uns nicht wohlfühlen. Wir fühlen uns beschissen und versuchen noch immer, das Gute darin zu finden. „Es ist ein Job“, „Ich brauche das Geld“, „Es geht mir um die Erfahrung“. Warum machen wir weiter? Vielleicht weil wir nichts anderes können oder weil wir hoffen, etwas Besonderes zu erreichen? Weil unsere Eltern uns zu wenig geliebt haben oder wir berühmt sein wollen? Vielleicht machen wir es auch wegen der einzigartigen schönen Momente auf der Bühne?

In diesem Abend möchte ich Teile unserer Träume zeigen und so unsere Frustrationen und unser Scheitern wettmachen.

Wie tun wir, was wir tun? Wann bekommen wir als Darsteller oder als Zuschauer:innen eine Gänsehaut? Hast du manchmal Angst, die Erwartungen nicht erfüllen zu können? Kreativität, Fähigkeiten, Talent, Austausch, Misserfolge, Enttäuschung, Besessenheit, Risikobereitschaft, Komfortzone, sich exponieren. Ist das, was wir tun, wichtig für uns? Für die Öffentlichkeit? Lieben wir es? Ist es eine Droge? Ist es ein richtiger Job? Was sind deine Ziele? Wie sehr kümmert dich die Meinung des Publikums, der Kritiker:innen, des Regisseurs, der Kolleg:innen, deiner Freund:innen, deiner Familie? Es ist eine Chance, die Geheimnisse der Performance zu enthüllen, unsere Wünsche, Frustrationen und unser Bedauern zu teilen. Wir wollen Humor, Intensität, Lockerheit, poetische Momente. Also verhandle, konkurriere, unterstütze, debattiere, kommentiere deine Kollegen, beziehe dich auf Künstler, die du liebst.

 

 

Veröffentlichung: 8.10.21