Glossar zum Artensterben #1
In der Uraufführung REVUE. Über das Sterben der Arten lassen wir ausgestorbene Wesen wieder lebendig werden. Mitautorin und Dramaturgin Theresa Schlesinger erstellt für uns in einer kleinen Serie ein Glossar zum Artensterben. Teil 1: A-G.
Anthropozän
Wir haben eine Welt erschaffen und sie ist anders, als alles bisher Dagewesene. Die Veränderungen, die der Mensch in den letzten Jahrzehnten vollzogen hat, sind von solchem Ausmaß, dass sie den Planeten bereits über alles hinaus verändert haben, was er in seiner 4,5 Milliarden Jahre alten Geschichte erlebt hat. Der menschliche Einfluss, unser Einfluss, ist mittlerweile global und so tiefgreifend, dass er den Planeten in ein neues Zeitalter drängt: Das Zeitalter des Menschen, das Anthropozän.
Annihilation
Der Akt der Vernichtung oder der Zustand vernichtet, vollständig ausgelöscht zu werden. Außerdem eine dreiteilige Science Fiction Buch-Reihe von Jeff VanderMeer und der Titel der Verfilmung derselben. Darin sollen fünf Wissenschaftlerinnen mysteriöse Vorgänge in der sogenannten Area X untersuchen, wo keine Naturgesetze mehr zu herrschen scheinen.
Aussterben
Das Ende einer evolutionären Stammlinie infolge des Tods aller Nachkommen. Ausgestorben ist, wer sich nicht mehr fortpflanzt und dadurch aufhört zu existieren. Derzeit sind etwa 26.000 Arten vom Aussterben bedroht. Was verschwindet, ist vielleicht nicht immer sichtbar, aber ist es einmal verschwunden, kommt es nicht zurück.
Artensterben
Das Verschwinden ganzer Arten durch Aussterben oder auch das menschengemachte Verschwinden von Arten durch Umweltzerstörung oder Ausrottung in der Gegenwart. Auch wenn Artensterben schon immer Teil des Lebens auf unserem Planeten war und ist, übersteigt die Aussterberate in den letzten Jahrzehnten, alles bisher Dagewesene. So wird teilweise auch vom Sechsten Massensterben gesprochen.
Artenvielfalt
Die Summe der unterschiedlichen Tier-, Pflanzen- und Pilzarten, sowie Mikroorganismen, die innerhalb eines Lebensraumes oder geografischen Gebietes vorkommen. Wir sprechen von „Artenvielfalt“ und kennen oft doch nur, was uns direkt umgibt. Wir sprechen von Artensterben und denken, es beträfe uns nicht. Doch wir übersehen, dass Vielfalt aus einem Miteinander besteht. Löst sich ein Teil heraus, wird ein Kreislauf unterbrochen, bricht ein Ökosystem zusammen, beginnt die Vielfalt sich aufzulösen.
Bewegung
Das Gegenteil von Stillstand. Eine Bewegung kann sich sowohl auf einen Körper oder Teile dessen beziehen, wie auch gesellschaftlich und sozial verstanden werden. Dabei geht es immer um Veränderung: Die Veränderung einer Situation, eines Ereignisses oder der Art und Weise wie etwas vollzogen wird. Auch wenn ein Körper still steht, bewegt sich doch die Welt um ihn herum, bewegt sich die Zeit, verändert sich etwas.
Biodiversität
Das Leben auf der Erde. Biodiversität bezeichnet die Vielfalt der Pflanzen- und Tierarten, also die genetische Vielfalt innerhalb einer Art, sowie die biologische Vielfalt der Ökosysteme. Sie bildet die Grundlage für das Überleben unserer Spezies auf diesem Planeten.
Care
Der englische Begriff „Care“ kann mehrfach übersetzt werden: Sorgfalt, Achtsamkeit, Schutz, Pflege, Anteilnahme, Fürsorge. Das Verb „to care“ bezieht sich dabei auf einen aktiven Vorgang und beinhaltet eine Form der Empathie. Sich zu sorgen und zu kümmern heißt auch immer das Ego aus dem Mittelpunkt zu nehmen. Diese Form der Fürsorge brauchen aber nicht nur Menschen, sondern auch unser Planet.
„To care can feel good, or it can feel bad. It can do good, it can oppress. But what is care? A moral obligation? A burden? A joy? Is it only human?“ (María Puig de la Bellacasa, Matters of Care)
Darwin, Charles Robert
Mit 22 Jahren reist der Naturforscher Charles Darwin auf der HMS Beagle erstmals um die Welt. Eigentlich will er die Reise nutzen, um die Vielfalt der göttlichen Schöpfung kennen zu lernen und zu beschreiben. Die Erkenntnisse allerdings, die er auf der Reise gewinnen wird, werden das gängige Weltbild umstoßen. Auf Galapagos stößt er auf eine Vielfalt von Arten, wie er sie vorher nie erlebt hat. Er erkennt erstmals die Bedeutung der Vielfalt und Auslese durch die Umwelt. Die Kombination aus beidem ermöglicht evolutionäre Entwicklungen.
Im November 1859 veröffentlicht er sein Werk Über die Entstehung der Arten, das bis heute die Grundlage der modernen Evolutionsbiologie bildet. Aus seiner Theorie geht hervor, dass sich alles Leben auf der Erde aus verschiedenen Urformen entwickelt hat. Die Verwandtschaft der Arten, wie er sie erkennt und beschreibt, erschüttert das bis dahin vorherrschende Weltbild des Menschen als Krone der Schöpfung und die göttliche Erschaffung von Leben auf einen Schlag.
Ende
Zeitpunkt und/oder Ort, wo etwas aufhört. Das Ende bezeichnet das letzte Stadium und markiert einen Schlusspunkt.
Evolution
„In Nischen hinein schlüpfen, wenn man kann.“ (Nadine Geyersbach) Aus dem Lateinischen: „Evolvere“. Etwas entwickelt sich, verändert sich den Umständen entsprechend. Im biologischen Zusammenhang handelt es sich um die Veränderung und Entwicklung gewisser vererbbarer Merkmale, die sich von Generation zu Generation bei Lebewesen feststellen lässt. Die biologische Evolutionstheorie beschreibt und erklärt also die sukzessive Veränderung von Arten durch Vererbung und geht dabei davon aus, dass sich die heutige Vielfalt lebender Organismen über lange Zeiträume hinweg aus früheren Arten, möglicherweise sogar von einem Einzeller aus, entwickelt hat.
Gaia
„Life is a planetary level phenomonon and the Earth has been alive for at least 3000 million years. To me the human move to take responsibility for the living Earth is laughable - the rhethoric of the powerless. The planet takes care of us, not we of it. Our self inflated moral imperative to guide a wayward Earth or heal a sick planet is evidence of our immense capacity for self-delusion. Rather, we need to protect us from ourselves.“ (Lynn Margulis)
Gaia ist die personifizierte Erde. Mitte der 1970er Jahre entwickeln die Mikrobiologin Lynn Margulis und der Chemiker James Lovelock eine Hypothese, die sie nach dieser Gottheit benennen. Sie besagt, dass die Erde und ihre Biosphäre wie ein Lebewesen betrachtet werden können, wie ein großer Organismus.
Veröffentlichung: 18.10.21