„Guckt mal, Mama, Papa, das Kind sieht ja aus wie ich!“
Im Februar ist Black Story Month: Schwarze Perspektiven sollen mehr Raum und Sichtbarkeit bekommen. Die Schwarze Kinderbibliothek Bremen ist dabei nicht nur ein Raum für die Sichtbarmachung, sondern auch ein Ort für coole Kindergeschichten. Josef Zschornack, Referent des Intendanten, hat die Co-Leiterin Maimuna Sallah getroffen.
Seit etwa einem Jahr ist die bundesweit erste Schwarze Kinderbibliothek in der Mathildenstraße 89 im Bremer Viertel zu Hause. Für wen ist die Bibliothek geöffnet?
Maimuna Sallah: Eine Frage, die uns immer wieder begegnet: Wir wünschen uns auf jeden Fall, dass alle mit ihren Kindern vorbeikommen können, dass es ein Ort ist, der Raum für eine vielfältige Literaturlandschaft bietet. Wir wollen zeigen: „Hey, dieses Buch, diese Geschichte gibt es auch“. Es gibt einige Veranstaltungen, die sich explizit an Schwarze Menschen richten. Diese weisen wir auch aus. Grundsätzlich wollen wir aber, dass sich alle Menschen und Kinder hier treffen und miteinander spielen. Uns ist wichtig, dass die Bezeichnung Schwarze Kinderbibliothek nicht bedeutet, dass sich jemand ausgeschlossen fühlt. Unsere Auswahl an Kinder- und Jugendbüchern ist eine Zusammenstellung diversitätsbewusster Literatur. Bücher, die darauf ausgerichtet sind, ein Bewusstsein für vielfältige Lebensrealitäten und Alltagswelten zu schaffen.
Es gibt viele Diskussionen um Kinderbücher: Häufig erzählen Geschichten nur von weißen Kindern und Held:innen, viele ältere Kinderbücher verfehlen die heutige Lebensrealität, wiederholen Stereotype oder Rassismen. Habe ich hier die Möglichkeit etwas Besseres zu finden?
Ich würde nicht sagen, dass es darum geht, etwas Besseres zu finden, sondern etwas anderes. Eine Debatte über Diversität in Kinderbüchern finde ich manchmal auch nicht so richtig zielführend. Ich will mich gar nicht darüber unterhalten, ob es gut ist, rassistische Kindergeschichten vorzulesen, sondern an diesem Ort möchte ich zeigen, was es für coole Kindergeschichten gibt, die andere oder weniger sichtbare Lebensrealitäten in den Blick nehmen. Und deswegen müsste man sich nicht unbedingt damit aufhalten, ob Pippi Langstrumpf noch gelesen werden sollte, sondern einfach fragen: Was gibt es eigentlich noch für coole, feministische Kinderbücher, die ein starkes Mädchen porträtieren?
Kann man sagen, dass Diskriminierung und Rassismus Hauptthemen in den Kindergeschichten hier sind?
Es gibt bei uns auch Geschichten, in denen Kinder im Schnee spielen oder Geschwisterchen kriegen, das Fahrradfahren lernen. Migrantisch gelesene oder klassifizierte Kinder sollen ja auch die Erfahrung machen, dass Rassismus nicht alles ist, was sie ausmacht.
Was schätzt du an deiner Arbeit in der Schwarzen Kinderbibliothek?
Wenn Kinder reinkommen, auf ein Buch zulaufen und sagen, „Guckt mal, Mama, Papa, das Kind sieht aus wie ich“. Oder wenn die Kinder meinen, ihre Eltern auf einem Cover zu sehen, das finde ich immer total schön. Mich haben tatsächlich mehrere Kinder unabhängig voneinander gefragt, wo mein Bett ist und ob ich hier wohne. Ein schönes Kompliment, wenn Kinder es so gemütlich finden, dass sie die Bibliothek für meine Wohnung halten.
Welche Angebote gibt es über die Bibliothek hinaus?
Ein Teil des Projektkonzepts sind die Bücherkisten, die wir an Einrichtungen verleihen. Darüber hinaus organisieren wir Lesungen. Entweder laden wir Kinderbuchautor:innen ein oder lesen selbst für Kitas und Schulen. Und der dritte Punkt ist, dass wir Beschäftigten im Bildungsbereich, zum Beispiel Lehrer:innen oder Erzieher:innen, das Projekt vorstellen und über Diversität in Kinder- und Jugendliteratur in den Austausch gehen.
2022 hat Sheeko Ismail die Schwarze Kinderbibliothek initiiert, du bist 2023 dazugestoßen. Seit ziemlich genau einem Jahr gibt es euch jetzt hier im Viertel, unterstützt werdet ihr momentan u. a. von der Stadt Bremen. Aber du steckst auch viel ehrenamtliche Arbeit in das Projekt. Was wünscht du dir für die Zukunft?
Wir brauchen mehr Menschen, die auch eine Öffnungszeit übernehmen oder generell Lust hätten, das Projekt zu begleiten. Wir haben festgestellt, dass viele Akteur:innen aus Bremen Lust hätten mit uns zusammenzuarbeiten, aber gleichzeitig merken wir, dass wir das zu zweit gar nicht stemmen können. Und allgemein wünsche ich mir noch mehr Leute, die unsere Arbeit kennenlernen, vorbeikommen und die Idee weitertragen.
Hast du noch Buchempfehlungen?
Ja, in jedem Fall! „Lucias Leuchten“ von Ian de Haes und „Sophias Sorge“ von Tom Perceval. Beide erzählen von der Auseinandersetzung mit der Unsicherheit in neuen Umgebungen und Situationen. Es geht um Anerkennung der eigenen Einzigartigkeit und um Chancen, wenn man über seine Sorgen und Gefühle spricht.
Der Black Story Month feiert sein fünfjähriges Jubiläum in Bremen und gibt am Donnerstag, den 1. Februar, sein Eröffnungskonzert unter dem Motto „Creating our Spaces, creating our future, together we belong” im Kleinen Haus. Verschiedene Schwarze Acts performen live. Auf der Bühne zu Gast sind die Künstler:innen Tasha, Sibb, Cyndi & Igor, Moderatorin des Abends ist Fayim. Im Anschluss an das Konzert gibt es eine After Party im noon / Foyer Kleines Haus mit DJ Ayzon. Der Black Story Month ist eine Zusammenarbeit der Initiative „Zukunft ist Bunt" und einem Kollektiv aus unterschiedlichen Schwarzen Menschen der Stadt Bremen.
Veröffentlicht am 31. Januar 2024