I'm not your b*tch, don't hang your shit on me
Über Feminismus im Pop schreibt Theresa Schlesinger, sie begleitet In Bed with Madonna als Dramaturgin.
„Girls can wear jeans and cut their hair short, wear shirts and boots 'cause it's okay to be a boy. But for a boy to look like a girl is degrading. ’Cause you think that being a girl is degrading. But secretly you'd love to know what it's like wouldn't you? What it feels like for a girl.“ (Madonna)
Auf die Frage, wovon sie träume, antwortet sie 1984: „To rule the world.“
Mit Madonna betritt in den 1980er Jahren eine Frau die Bühne der Popmusik, die sich nicht mehr den ungeschriebenen Regeln des männlich dominierten Musik-Business unterwirft. Sie sprengt die Ideen von Weiblichkeit, die bisher das mediale Bild geprägt haben und singt von weiblicher Lust und sexueller Befreiung, ebenso wie von Schmerz und Sehnsucht. Madonna ist selbstbewusst und sagt, was sie denkt, egal was andere davon halten. Sie thematisiert (ihre) Abtreibung öffentlich und in ihren Songs und simuliert in ihrer Bühnenshow eine Masturbation, um das Tabu um weibliche Lust ein für alle Mal auf die Agenda der Popkultur zu setzen. Auf die Frage, wovon sie träume, antwortet sie 1984: „To rule the world.“ Und das tut sie. Denn mit ihrer unvergleichbaren Art sich mit jedem Album selbst zu erfinden, ohne sich jemals einer bestimmten Vorstellung zu unterwerfen, wird sie schließlich zur Ikone.
Trendsetterin par excellence
Sie wird zur „Queen of Pop“ und macht deutlich, dass Frau-Sein komplexer ist, als es bestehende Narrative propagieren. Selbstbestimmung wird zum Leitmotiv und endlich gibt es ein Vorbild für junge Frauen (und Männer), die sich nicht den Gender Stereotypen ergeben wollen und können. Madonna bewegt sich jenseits von modischen Trends, sie ist Trendsetterin par excellence. Mit ihrer vereinnahmenden Art unterwirft sie sich bestehenden Diskursen und Bewegungen und instrumentalisiert sie in ihrem Sinn. So landet beispielsweise das Vogueging aus der New Yorker Ballroom Szene durch ihren gleichnamigen Song an der Spitze der Charts und das Brautkleid wird zum Statement weiblicher Selbstbestimmung. Sie transportiert uns durch die Jahrzehnte und nimmt mit jedem Schritt scheinbar einen neuen Meilenstein, immer wieder einen neuen Ausdruck für ihre Weiblichkeit suchend und findend.
Sie versucht gar nicht erst, in „Würde zu altern“ und von ihrem Thron zurückzutreten.
Im Hier und Jetzt angekommen, kann sie immer noch nicht aufhören und versucht gar nicht erst in „Würde zu altern“ und von ihrem Thron zurückzutreten. So betreten schließlich neue Akteur*innen die große Bühne des Pop. Es scheint, sie hat den Weg geebnet für eine Vielzahl von feministischen Pop-Stimmen. Aber Vorsicht: „Don’t call me Angel“, denn sie sind nicht vom Himmel gesandt, keine braven Mädchen, die Heilsbotschaften verkünden und mit sanfter Stimme verführerische Töne von sich geben. Sie haben sich ihren Weg hart erkämpft und fordern Respekt.
Nachdem Britney und Christina in den 90er und 2000er Jahren das direkte Erbe von Madonna übernehmen wollten, bleiben sie mit ihren ikonischen Auftritten mittlerweile eher vage Erinnerungen, an die wir gern zurück denken, die aber doch viel vom Scheitern unter dem großen Druck der Medien und den gesellschaftlichen Erwartungen erzählen. Dafür wimmelt es heute nur so von unterschiedlichen Stimmen, die eine Vielzahl von feministischen Ansätzen vertreten und als Vorreiterinnen das Pop Business weiter umkrempeln. So posiert beispielsweise Beyoncé bei ihrer Welttournee 2016 vor einem riesigen „Feminist“-Banner und featured die nigerianische Schriftstellerin Chimamanda Ngozi Adichie (We should all be feminists) in ihrem Song Flawless. Mit Sicherheit ist Beyoncé eine der wichtigsten Vertreterinnen des populären Feminismus, der durch sie auch die notwendige Aufmerksamkeit für Intersektionalität bekommt. Aufmerksamkeit dafür, dass ein Feminismus, der sich nur auf die Diskriminierung weißer cis Frauen konzentriert, genauso ausschließend ist, wie es die Strukturen sind, die bekämpft werden sollten. Denn eine Bewegung, die für die Überwindung sexistischer Strukturen und gegen die Diskriminierung der Frau kämpft, darf andere Formen der Diskriminierung nicht außer Acht lassen.
Die Bewegung für die Gleichstellung der Frau ist heute ein begehrtes Label
Während Madonna noch davon sprach, keine Feministin, sondern Humanistin zu sein, ist die Bewegung für die Gleichstellung der Frau heute jedoch ein begehrtes Label und Subjekt der Pop-Musik. Taylor Swift fragt sich in ihrem Song The Man, ob sie nicht schneller ans Ziel käme, wäre sie ein Mann und ist damit im Jahr 2019 die am besten bezahlte Frau im Musik Business. Ihre Songs sind, wie die von Madonna, voll von empowernden Texten und Melodien und rufen zur Selbstbestimmung auf. Denn die „Haters“ werden so oder so urteilen, also lieber davon frei machen und alle Erwartungen und Meinungen abschütteln. Währenddessen singt Ariana Grande God is a Woman und Miley Cyrus schwingt sich gleich nackt von einer Abrissbirne, um klar zu machen, dass sich ihr besser niemand in den Weg stellt. Klar ist, Frauen müssen nicht länger hübsch aussehen und lieblich ins männliche Ohr säuseln, aber ist es wirklich in Ordnung sich mit einer politischen Haltung zu labeln und damit einen Trend daraus zu machen?
„Bullshit is something I don’t entertain.”
Natürlich ist es ein Gewinn in einer Welt aufzuwachsen, in der uns Lady Gaga vorlebt, was es heißen kann, einen spielerischen Umgang mit Geschlecht zu leben und in der ein Bewusstsein dafür herrscht, dass es nicht den einen Frauenkörper und das eine Frauenleben gibt. Eine Welt, in der wir das Radio aufdrehen und uns eine Hymne auf selbstbestimmte Weiblichkeit entgegenschlägt und der Beat der Musik uns vielleicht dazu veranlasst, jenseits von festen Definitionen von Geschlecht unser Glück zu suchen und es uns zu nehmen. Und wenn sich doch jemand in den Weg stellt, wissen wir, was wir zu sagen haben: „Bullshit is something I don’t entertain.“ (Cardi B.)