„Ich will fette Prinzess:innen sehen, die stark sind, und nicht gerettet werden müssen.“

Jordan Tanner, freischaffende*r Dramaturg*, Producer*, Theatermacher* und Antidiskriminierungs-Coach, anlässlich der Jungen Akteur:innen-Premiere Prinz*essin über Lookism – every day, always.

Ich steige in den Bus ein, etwas müde, etwas nervös schaue ich mich, als die Türen sich hinter mir schließen, nach einem Sitzplatz um. Ich sehe mehrere Gesichter, mehrere Augenpaare, die meinen Bewegungen folgen, die an mir, meiner Kleidung, meinem Körper entlang schauen. Ich kann nicht wissen, was sie denken, aber als ich mich an den Leuten vorbeizwänge und auf einen noch freien Platz am Fenster setze, weiß ich, dass ich beurteilt werde. Ich sehe, wie sich Reisepartner:innen kichernd Blicke zuwerfen und auf mich deuten.

Das ist alles nichts Neues für mich, das ist meine Lebensrealität:

Ich bin Schwarz, ich bin fett und ich bin queer. All diese Dimensionen meiner Person sind für Außenstehende sichtbar. Die Be- und Verurteilung dieser äußerlich sichtbaren Identitäts- und Körpermerkmale und die daraus resultierende Diskriminierung ist Lookism. Alle Personen, die Körpermerkmale oder andere Merkmale wie einen queer-gelesenen Kleidungsstil, sichtbare Behinderungen, nicht-weiße Hautfarbe und einen nicht-schlanken Körper haben, erleben mit großer Wahrscheinlichkeit Lookism in ihrem alltäglichen Leben. Lookism ist tief verwurzelt mit anderen Diskriminierungsformen und stark abhängig von der:dem jeweiligen Betrachter:in.

Wir alle sind in einer inhärent sexistischen, rassistischen, fett- und queerfeindlichen Gesellschaft aufgewachsen.

Diese Sozialisierung führt dazu, dass wir, wenn wir solche gesellschaftlich negativ-geprägten Merkmale an einer Person erkennen, einen negativen Eindruck von der Person bekommen. Sie vielleicht verurteilen, gewisse Zuschreibungen machen. Positive wie negative. Zumindest wenn wir uns nicht weiterbilden, aufklären, uns unsere problematischen Vorurteile bewusst machen und aktiv dagegen vorgehen.

Die Diskriminierung durch Lookism ist tief in unserer Kultur verankert.

So finden wir in den meisten Medien, egal ob Literatur, Film oder in der neuesten Serie oft problematische und stereotype Darstellungen von Charakteren. Immer wenn ein fetter Charakter als inkompetent und faul dargestellt wird, verstärkt es unser eigenes (unbewusstes) Denken über fette Menschen. Ein bekanntes Beispiel ist ein fetter Charakter, der vermeintlich humoristisch watschelt und von einer Tuba musikalisch hinterlegt wird, um die erzählte Schwerfälligkeit des Charakters zu verstärken. Aber nicht nur die negative Darstellung von Charakteren beeinflusst und verfestigt Lookism in unserer Gesellschaft, sondern auch wie eben die starken Held:innen von Geschichten und die anmutigen Prinz:essinnen dargestellt werden.

Stets schlank und dadurch als schön inszeniert, oder als muskulös und mutig dargestellt, wird uns klar aufgezeigt, wie kompetente, sympathische und starke Menschen auszusehen haben.

Erst seit wenigen Jahren, seit der Diskurs um Repräsentation lauter wird, schleichen sich mediale Held:innen ein, die nicht ausschließlich weiß, cis-hetero und schlank sind. Die anfangs beschriebene Bus-Situation ist nur die Spitze des Eisbergs und die leider alltägliche Realität der meisten Menschen, die durch ihr Aussehen als „anders“ wahrgenommen werden. Es braucht mehr gute und diverse Charaktere in Geschichten, auf Bühnen und im Film. Ich will fette Prinzess:innen sehen, die stark sind, und nicht gerettet werden müssen. Ich will die queere Person im Rock und mit Bart, die den Tag rettet. Und vor allem will ich sie sehen, ohne dass sie die Pointe eines schlechten Witzes sind, das, und nicht weniger, haben wir verdient.

 

 

Veröffentlicht am 5. April 2024