It's all love
Anlässlich der Wiederaufnahme von „Vögel“ am 5. November und dem Konzert von Yemen Blues am 11. November im Theater Bremen CLUB, macht sich die Musikerin Maartje Teussink Gedanken über Verbindungen zwischen Kulturen.
Rhythm & Blues ist ein Gefühl. Ein Gefühl für Dynamik, ein Gefühl für Texte, aus dem das Bedürfnis spricht, auszubrechen, Freude und Glück zu erfahren, Energie zu schöpfen aus der Musik. Die Musik von Yemen Blues würde man kaum in diesem Genre verorten, aber etwas an der Haltung dieser virtuosen Musiker erinnert mich daran. Wie diese Band so unterschiedliche Stile wie westafrikanische und kubanische Rhythmen, Funk und Free Jazz, Folk und arabisch-jemenitischen Pop miteinander kombiniert, ohne dabei ihre traditionellen musikalischen Wurzeln zu verlassen, die man in den Klängen von Oud, Darbuka und arabischem Gesang immer wieder auszumachen meint, transportiert ein zutiefst universelles Bedürfnis und Gefühl: Grenzenlosigkeit.
Ein zutiefst universelles Bedürfnis und Gefühl: Grenzenlosigkeit.
Auf Konzerten schreit Sänger Ravid Kahalani dieses Gefühl regelrecht heraus, während die Band die Zuhörer:innen auf eine spannende Reise durch musikalische Kulturen schickt. Dass hier traditionelle arabische Harmonien und Akkordstrukturen so scheinbar mühelos neben Salsa und Mambo, Big Band Arrangements neben ruhigen, souligen Songs stehen, hat auch etwas mit der Weltgewandtheit des international tourenden Kollektivs zu tun: Aus New York City, Uruguay und Tel Aviv kamen Ravid Kahalani, Rony Iwryn, Itamar Doari und Shanir Blumenkranz 2010 zusammen, um Yemen Blues zu gründen. Die Oud als sich wiederholendes Element und die Suche nach einer musikalischen Sprache zwischen den Kulturen ist eine Parallele zu meiner musikalischen Arbeit für Alize Zandwijks Inszenierung Vögel, die im November parallel zum Konzert von Yemen Blues in Bremen wiederaufgenommen wird. Im Stück von Wajdi Mouawad geht es um eine Identitätssuche zwischen arabischer und jüdischer Kultur.
Für die Komposition der Inszenierung habe ich mich für eine Kombination von Songs und Instrumentalstücken entschieden, in deren Zentrum die Laute steht.
Dieses Instrument hat durch die Jahrhunderte eine erstaunliche Transformation erfahren. Von der Oud, der arabischen Laute, über die griechische Bouzouki bis zur Renaissance-Laute wird das Instrument in der Inszenierung zu einer Chiffre von Transformation und Entwicklung, für eine Zeitreise mit einem verbindenden Motiv: in einer Welt zu leben, die immer in Bewegung und von vielen Kulturen gleichzeitig geprägt ist, die nicht getrennt voneinander existieren, sondern enger miteinander verbunden sind, als man im ersten Moment glauben mag. In Vögel sucht das Liebespaar Eitan und Wahida (wunderbar gespielt von Emil Borgeest und Shirin Eissa) nach Identität und Akzeptanz.
Mittels Liebe die Grenzen zwischen Kulturen und Traditionen zu durchbrechen, die Narben der Zeit zu verwischen – ein schöner Gedanke, doch selten ist es so einfach.
Wajdi Mouawad geht es darum, den Kontakt nicht zu verlieren, Kulturen und Traditionen in einen Dialog zu bringen, jenseits von Spannungen und Differenz nach dem Verbindenden suchen. Das ist, worin ich mich in meiner Komposition für die Inszenierung auch bezogen habe. Und das ist, was auch Yemen Blues mit unbändiger Energie in ihrer Musik zum Ausdruck bringen. Wie schön, in Bremen nun beides im November nebeneinander erfahren zu dürfen!
Veröffentlicht am 4. November 2022