Das Juni-Editorial: Die Not macht erfinderisch
Michael Börgerding über die Wiederaufnahme der Proben, die Pläne für die kommende Spielzeit und die Vorhaben für diese.
Die Not macht erfinderisch. Armin Petras hat seine Zwangspause als Regisseur genutzt, um als Fritz Kater ein neues Stück für uns zu schreiben. Es heißt düsterer spatz am meer / hybrid (america) und erzählt eine amerikanische Aufstiegsgeschichte à la Elon Musk. Ein amerikanischer B-Movie und eine Pop-, Technik und Sozialgeschichte der letzten dreißig Jahre. Petras selbst hofft auf viel Musik und schnelles Sprechen. „Gutes 80er Theater nur 6x so viel Zeichen pro Minute wie damals“, schrieb er mir per SMS. Und er probiert seit Anfang Juni im Kleinen Haus mit einem achtköpfigen Ensemble. Es sind also wieder Künstlerinnen und Künstler im Haus, nicht nur die Verwaltung oder seit einigen Wochen die Werkstätten. Wie schön und gleichzeitig wie befremdlich, wenn man sich wieder begegnet – ohne Umarmungen und auf Abstand. Auch Nina Mattenklotz hat ihre Proben wieder aufgenommen zu Schäfchen im Trockenen. Eine Produktion, die wir für den Brauhauskeller geplant hatten, jetzt wird die Premiere im Kleinen Haus sein. Mitte Juni folgt dann Felix Rothenhäusler mit den Proben zu der Labiche-Komödie Trüffel Trüffel Trüffel. Die Tänzer*innen probieren schon, alleine und in Kleingruppen, das Moks beginnt demnächst und im Musiktheater haben wir die Korrepetition wieder aufgenommen.
In der letzten Woche gab es eine bzw. drei große Orchesterstellproben auf der Bühne und im Graben des Theater am Goetheplatz. Jetzt wissen wir also, wie viele Orchestermusiker*innen mit den neuen Abstandsregeln im Orchestergraben sein können oder auf der Bühne Platz haben. Yoel Gamzou, die Orchesterwarte, der Orchestervorstand und unsere Techniker haben da in größter Konzentration Entscheidungen getroffen und Lösungen gefunden, die einen Spielbetrieb auch im Musiktheater wieder vorstellbar machen. Wir werden bis zum Jahresende zwei Musiktheaterpremieren haben und sind optimistisch, dass wir viele Vorhaben auch in der zweiten Hälfte der Spielzeit werden halten können.
Am 19. Juni haben wir zu einer Pressekonferenz eingeladen und wollen dort unseren Spielplan bis zum 31. Dezember vorstellen. Und erste Ausblicke wagen in das neue Jahr, das weiter eines unter Corona-Bedingungen sein wird. Und jeder Tag bringt im Grunde eine neue Erkenntnis, was dann anders sein wird als es bisher war im Theater. Dass es keine Premierenfeiern mehr geben wird, ich mich nicht mehr öffentlich bedanken kann bei den Künstler*innen, ist unter Corona-Bedingungen eigentlich selbstverständlich, fällt einem aber plötzlich auf dem Fahrrad am Morgen ein. Einführungen planen wir jetzt als Video, Programmhefte wird es vermutlich nicht mehr geben. Vorstellungen sollen nicht länger als 90 Minuten gehen, Pausen wird es nicht geben und keine Gastronomie …
Auch ein Festabonnement in der bisherigen Form wird es in der neuen Spielzeit nicht geben können. Über ein alternatives und schönes Angebot werden wir Sie – falls Sie Abonnentin oder Abonnent sind – in den nächsten Tagen informieren.
Die Theater in Rheinland-Pfalz und Hessen haben ihre Häuser bereits jetzt geöffnet, die Kolleginnen und Kollegen in Darmstadt informieren ihre Zuschauer*innen auf der Homepage so: „Im Großen Haus haben maximal 145 Zuschauer*innen Platz, im Kleinen Haus sind es 80 und in den Kammerspielen 40 Menschen, die sich gleichzeitig eine Vorstellung anschauen können.
Alle Formate sind ohne Pause und dauern maximal 90 Minuten. Einlass zu den Vorstellungen ist immer erst eine halbe Stunde vor Vorstellungsbeginn. Es wird keine Bewirtung (Catering) geben.“ Und weiter kann man dort lesen: „Auch, wenn Sie es schon viele Male gehört haben: Es sind die einfachsten Hygieneregeln, die großen Effekt erzielen, deshalb gilt für Ihren Theaterbesuch: Waschen Sie sich die Hände bzw. nutzen Sie die bereit stehenden Desinfektionsspender. Halten Sie Abstand. Beachten Sie Bodenmarkierungen und Beschilderungen für die teilweise neuen Wegführungen durch unser Haus. Tragen Sie eine Mund-Nase-Bedeckung. Sobald Sie Ihren Sitzplatz eingenommen haben, darf diese für die Dauer der Vorstellung abgenommen werden.“
Es kommen noch weitere Empfehlungen und Anweisungen, die nicht unbedingt eine Einladung sind. Aber ganz sicher richtig und wichtig sind, der Situation und Lage angemessen und schon bald gelernter Alltag sein werden. Nachdem wir hier ein Sicherheits- oder Risikokonzept für den Probenbetrieb erarbeitet haben, beginnt jetzt die Arbeit an einem Konzept für den Spielbetrieb im September. Damit auch wir hier schreiben können: „Wir freuen uns, dass wir wieder für Sie spielen können. Dafür ist weiterhin die Einhaltung besonderer Schutz- und Hygienemaßnahmen nötig. Wir alle nehmen diese Regelungen sehr ernst, damit wir ab sofort wieder gemeinsam Theater erleben können.“
Vorher wollen wir aber schon draußen für Sie Theater spielen, open Air an vier Tagen an vier Wochenenden im Juni und Juli, für fünfzig Zuschauer*innen (mehr sind noch nicht erlaubt in Bremen) im Innenhof vor dem Kleinen Haus. Das Programm steht zum größten Teil, das Hygiene-Konzept ist erstellt und der Genehmigungsantrag wird gestellt, wenn wir am kommenden Dienstag die neueste Coronaverordnung kennen – es könnte also losgehen am 18. Juni.