Schauspiel
Kleines Haus / Zum letzten Mal
Sonne / Luft
von Elfriede Jelinek
19 Uhr Einführung
„Eine Sekunde hab ich nicht hingesehen und der See hat beschlossen, zu gehen. Er hat sich einfach über Nacht davongemacht.“ (Selma Kay Matter) – Die Sonne spricht, die Luft auch. Sie wüten, könnte man sagen, denn es kriselt auf der Welt. Der Berggletscher schmilzt, der Himmel raucht, die Haut brennt und die Autos in den Straßen brennen auch. Das Klima – eine Katastrophe. So zeichnet Elfriede Jelinek in ihrem Stück den Zustand der Natur und der Menschen, die Verhältnisse der Elemente sowie die Kette der Gewalt und des Konsums: mal in göttlicher Erhabenheit, mal in brennender Wut oder auch mit bitterer Komik, jedenfalls in großer Dringlichkeit. Dabei führt die Sonne im ersten Teil einen Monolog und im zweiten Teil entwickelt die Luft vielstimmige Gedanken: „Doch wer hat die erste Bewegung angeregt, anbewegt, wer hat den ersten Tritt versetzt, dem jetzt rasenden Kreisel?“ Regisseurin Christiane Pohle öffnet diesmal den Vorhang für Jelineks Fantasie eines (strahlenden) Weltuntergangs.
- Shirin Eissa, Karin Enzler, Nadine Geyersbach, Philipp Haagen, Irene Kleinschmidt, Matthieu Svetchine
Regie Christiane Pohle
Bühne und Kostüme Dorothee Curio
Musik Philipp Haagen
Licht Daniel Thaden
Dramaturgie Elif Zengin
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- „Jelinek hat die glänzendsten Sterne ihrer Brudersphären halt in Wortnebeln eingewoben, und durch Witzeleien bis hin zur Zote verdeckt. […] Um die wahrzunehmen, bedarf es außerordentlicher Sprecher*innen, die diesen fließenden Übergang der Register und Sprachniveaus hinkriegen, wie es in Bremen dem Titelrollenquartett Shirin Eissa, Karin Enzler, Nadine Geyersbach und, mit immensem Textanteil, Irene Kleinschmidt mit spielerischer Leichtigkeit gelingt. Und es bedarf eines fast schon rabiaten, kühl-ordnenden Zugriffs, um sie so zum Leuchten zu bringen: Großartig haben die Dramaturgin Elif Zengin und Regisseurin Christiane Pohle für diese Produktion die Kunstliedreminiszenzen der Vorlage detektiert.“ (Benno Schirrmeister, taz, 11. Mai 2024)
„Wie bei Jelinek üblich stürzt sie das Publikum in einen reißenden Wortfluss. Dabei gibt es keine Theaterrollen im herkömmlichen Sinne, sondern zwei Perspektiven: im ersten Teil des langen Theaterabends spricht die Sonne, im zweiten Teil die Luft. Beide sind fassungslos über Zustand der Welt. Und fragen sich, was haben die Geschöpfe bloß aus der Schöpfung gemacht. Das Wort Klimawandel fällt übrigens kein einziges Mal. Aber die bekannteste Klimaaktivistin der Welt wird genannt.“ (Christine Gorny, Bremen Zwei, 5. Mai 2024)
„‚Sonne Luft‘, entstanden 2022, ist eine Auseinandersetzung mit der Klimakatastrophe, aufgeteilt auf diverse Sprecherinnen- und Sprecherrollen. Im ersten Teil hat die Sonne das Wort. Der Himmelskörper schaut mit Wut und Abscheu herab auf die vor sich hinwuselnde Menschheit. […] Der Musiker Philipp Haagen nimmt sich die in Jelineks Text zitierte Musik vor, nutzt einen präparierten Flügel, ein Harmonium und eine Tuba und verfremdet und fragmentiert so auch mal Bach.“ (Iris Hetscher, Weser-Kurier, 6. Mai 2024)
„Wer zuletzt lacht, wird schnell klar: Es wird natürlich sie, die Sonne sein, sich eines Tages aufblähend zum Roten Riesen, da ist dann schon längst Schluss mit allem menschlichen Wähnen und Wollen. Vorher geht freilich die Luft abhanden, die den zweiten Teil des Stücks bestimmt. Er beginnt ganz gemütlich mit Mathieu Svetchine im Liegestuhl, der die Jelinek-Textflächen in einen charmanten Plauderton überführt, bis dann wieder die vier Schauspielerinnen dazustoßen, wieder in einem Expeditionsoutfit, was dräuende Gefahr und somit existenzielle Dringlichkeit illustriert. […] Sollte „Sonne / Luft“ ein Weckruf sein, ist er alles andere als zuversichtlich. Die Autorin hat sich selbst mitsamt ihres eigenen Verschwindens eingearbeitet, und auch für den Rest der Welt hegt sie offenbar wenig Hoffnung.“ (Andreas Schnell, Kreiszeitung, 7. Mai 2024)