Ein Ausflug reicht nicht: Kinder ins Theater!

Es sind gerade nicht die einfachsten Zeiten, sich darüber zu unterhalten, wie man Kinder mit Kultur vertraut macht, wie man Kinder durch auf sie zugeschnittene Formate für die Oper, das Musiktheater interessiert. Dramaturgin Brigitte Heusinger hat sich gerade deshalb zu diesem Thema mit der Theaterpädagogin Rieke Oberländer getroffen.

Rieke Oberländer ist seit 2007 am Theater Bremen und hat schon etliche Gruppen von Kindern und Jugendlichen durchs Haus geführt, bei Proben begleitet und sich für Vor- und Nachbereitungsworkshops im Theater oder auch in der Schule zur Verfügung gestellt. Wichtig sind ihr alle Kinder, Kinder aus Familien, die gemeinsam mit ihren Eltern Vorstellungen besuchen und ein Instrument spielen, genauso wie die Kinder, die nicht durch ihren familiären Hintergrund mit dem Theater in Berührung kommen. Gerade für diese  seien Schulvorstellungen, bei denen ein Querschnitt aller ins Haus käme, extrem wichtig. Und vorgebildet müsse keiner sein. Das empfindet sie als Chance:

„Kinder wollen im Gegensatz zu vielen Erwachsenen oft nicht das sehen, was ihnen sowieso schon geläufig ist. Sie kennen das Repertoire nicht. Es wird kein Kanon erwartet.“

Nur müsse der Stoff, das Thema, die Musik anschlussfähig sein, meint Rieke Oberländer: „Kinder wollen sich eingebunden fühlen, sei es auf inhaltlicher, ästhetischer Ebene oder rein vom Erleben her.“ Natürlich können es bekannte, vertraute Themen sein, die sie in eine Vorstellung reinziehen, aber manchmal sind es auch ganz einfache Dinge, auf die sie anspringen. „Diesen Plattenspieler da auf der Bühne, den hat meine Oma auch zuhause.“ Aber Theater ist oft auch allein durch das Setting ein Erlebnis: „Diese ungeheure Spannung, die sich im Raum ausbreitet, wenn das Licht ausgeht“ und der Zauber beginnt, vielleicht ein Sternenhimmel aufglüht, der dann mit einem vielstimmigen: Ohhhhhh! begrüßt wird. Da geht es Kindern wie Erwachsenen. Sie sind fasziniert von einem Raum und einer Situation, in der die Realität mal kurz halt macht und man außerhalb seines Alltags ist. Theater als besonderer Ort, das spüren sie auch bei Führungen, wenn sie auf der Bühne stehen, sich klein fühlen in diesem riesigen, kirchenartigen Raum, von dem man ahnt, dass er sich verwandeln und zu einer anderen Welt werden kann.

Elementar wichtig sei aber vor allem, dass Kinder sich im Theater willkommen fühlen.

„Sind die Leute nett oder werde ich gleich angeschnauzt, wenn ich mich so bewege, wie ich es will, werde ich schief angeschaut, wenn ich was Falsches angezogen habe, ist der Raum gemütlich, gibt es in der Pause was Leckeres zu trinken“, das sind durchaus Kriterien, die sie umtreiben. Und, na klar, mögen Kinder auch Identifikationsfiguren auf der Bühne: Figuren, mit denen sie durchs Stück gehen, die sie toll finden, die sie bewundern. Aber seitdem es mehr abstrakte, also weniger handlungsgetragene Stücke gibt, würden sie sich ebenso gerne eine Darstellerin, einen Darsteller aussuchen, die oder den sie „verfolgen“, so Oberländer. All das kann zu einem positiven Ersterlebnis mit Theater führen. Aber obwohl die Erstbegegnung total entscheidend ist, reicht ein guter Einstieg allein nicht. Wichtig ist eben auch, dass ein gewecktes Interesse am Leben erhalten bleibt, es Nachgespräche in der Schule gibt, ein neuer Besuch ansteht.

Die   Annäherung der Kinder an Kunst und Kultur muss als einen Prozess begriffen werden, der längerfristig zu denken und nicht mit einem einzigen Ausflug in diese andere Welt getan ist.

Besonders schön und wirksam ist es natürlich auch, wenn Kinder eingebunden sind, gefragt werden, selber mitmachen und mitsingen dürfen, sich also ganz aktiv an einem Theaterstück beteiligen können: „Sie werden gerne herausgerissen aus dem passiven Zuschauen, Zuhören.“ Aber sie hören gerne auch mal nur einer Musik zu: „Kinder sind total offen für Musik, anders als Jugendliche, die oft abgespeichert haben, dass es coole und eben uncoole Musik gäbe. Aber irgendwann brauche es einen neuen Impuls, denn die Aufmerksamkeitsspanne sei eben noch nicht so ausgeprägt.“ Und wir sind ja sowieso in einem Opernhaus, in dem sich das Hören mit dem Sehen verbindet, und es eben Inszenierungen gibt oder inszenierte Konzerte, wie jetzt wieder am 27. Februar im Theater am Goetheplatz das Familienkonzert Der Vogelfänger. Hier dreht sich alles um die Identifikationsfigur Papageno. Vogelfänger Christoph Heinrich hat schon eine Sammlung exotischer oder auch schräger Vögel. Ein Exemplar fehlt ihm aber noch: die unscheinbare Nachtigall, der Nerita Pokvytytė dann ihre legendären Töne verleiht.

 

 

Veröffentlichung: 17.02.22