Kritik braucht Unterstützung

nachtkritik-Redakteur Georg Kasch über die prekäre Situation professioneller Theaterkritik und die Hoffnung auf finanzielle Unterstützung durch Leser:innen und Spendenabos. Ein Gespräch mit dem Leitenden Schauspieldramaturgen Stefan Bläske, der früher auch für nachtkritik geschrieben hat.

Einst, sagt die Mär, wurden gutbezahlte Großkritiker:innen im Dienstwagen durchs Land chauffiert. Heute sparen die überregionalen Feuilletons und darben die lokalen Zeitungen, Theater kommt immer weniger vor. Wo soll das hinführen? 

Georg Kasch: Gute Frage! Gerade gibt es jedenfalls keine Signale, die auf eine Trendumkehr hinweisen. Ich freue mich über jede einzelne Zeitung, jeden Radiosender, jedes Web-Magazin, die noch theaterkritisch berichten. Denn Theaterkritik ist ja nicht einfach unbezahlte PR für ein Theater oder ein Informationsservice für die Leser:innen. Sondern bestenfalls ein Reflektionsraum, in dem Theater und Öffentlichkeit zusammen- und weitergedacht werden können. 

nachtkritik.de bietet ja nicht nur Kritiken, Meldungen und Infos, sondern ist zu einem überregionalen Archiv geworden und prägt die aktuellen Debatten. Eine wichtige Quelle auch für uns als Dramaturgie, und ein Gradmesser des „state of the art“ des Theaters.

Georg Kasch: Die Idee der Gründer:innen vor 16 Jahren war: Wir wollen die Stimmenvielfalt erhalten und auf die ganze Breite der Theaterlandschaft schauen. Deshalb gucken wir nicht nur in die Metropolen, auch wenn Kritiken aus den großen Häusern natürlich die meisten Klicks kriegen. Sondern regelmäßig auch nach Oldenburg, Lübeck, Hildesheim oder eben nach Bremen und Bremerhaven. Der zweite Gedanke war: Wir wollen die Einbahnstraße Kritik aufheben. Deshalb gibt’s die Kommentarfunktion, damit jede Leserin, jeder Leser schreiben kann: Ich habe das aber ganz anders gesehen, und zwar so.

Nun aber wird das Internet zum Problem. Wir konsumieren kostenlos und zerstören als trittbrettfahrende User:innen die Medien, die uns eigentlich was wert sein müssten. Was spricht gegen Bezahlschranken?

Georg Kasch: Die fehlende Zugänglichkeit! Ich verstehe jedes Medium, das jetzt die Schotten einer Paywall hochzieht. Aber wenn wir das bei nachtkritik.de auch machen, verengt sich das Gespräch über Theater auf die wenigen Menschen, die sich den Zugang leisten können oder die bereit sind zu bezahlen, weil sie oft ins Theater gehen und darüber lesen möchten. Die Zuschauer:innen, die seltener ins Theater gehen und zum Beispiel über Google auf uns stoßen, wären dann raus. Und damit würde das Theater noch stärker aus der gesellschaftlichen Mitte verdrängt, als es ohnehin schon der Fall ist. Deshalb sind wir auch gemeinnützig organisiert – weil wir überzeugt sind, dass das Gespräch offengehalten werden muss. Und weil wir hoffen, dass sich genügend Menschen finden, die solidarisch spenden, damit nachtkritik.de für alle kostenlos bleibt.

Nicht nur nachtkritik hofft auf Spenden, Unterstützer, Abos, auch anderen Seiten und Fachmagazinen geht es nicht rosig. Ich mache hier gerne auch Werbung für Theater heute und Theater der Zeit. Gibt es für euch z.B. Hoffnung auf andere Formen der Unterstützung? Was ist mit Bundeskulturstiftung, BKM oder Deutschem Bühnenverein? 

Georg Kasch: Klar wäre das komfortabel, von einer großen Institution dauerhaft gefördert zu werden. Das Problem der meisten öffentlichen Förderungen ist aber, dass sie nur Extra-Projekte fördern, wir aber Geld für unsere tägliche Arbeit brauchen. Es gab ja mal diese Initiative von Kulturstaatsministerin Monika Grütters, Medien generell zu fördern – die hätte aber nur Printmedien fördern sollen und ist genau daran gescheitert. Der Deutsche Bühnenverein wiederum hat nicht nur sein eigenes Magazin Die deutsche Bühne, sondern ist vor allem ein Arbeitgeberverband, dem wir durchaus auf die Finger schauen. Bei allen Finanzierungsfragen geht es ja immer auch darum, unabhängig zu bleiben. Denn nur so können wir weiterhin kritisch begleiten, was auf den Bühnen, aber auch hinter den Kulissen passiert. 

Bleibt also die Verantwortung von Publikum und Theaterliebenden?

Georg Kasch: Genau. Deshalb wenden wir uns ja auch an die Theaterfans und Leser:innen von nachtkritik.de. Denn nur wenn viele Hände mithelfen, können wir unabhängig arbeiten und unseren Beitrag zum öffentlichen Gespräch über Theater leisten. Übrigens kann man, weil wir gemeinnützig sind, jede Spende steuerlich absetzen.

 

 

 

Veröffentlicht am 5. Dezember 2023