Gibt es eigentlich Meerjungfrauen mit Down-Syndrom?
Die Tänzerin Neele Buchholz möchte in ihrem Tanztheaterstück Tür auf! Meine Welt dem Publikum zeigen, wie es ist das Down-Syndrom zu haben und die Welt mit ihren Augen zu sehen. Dazu forscht sie gemeinsam mit Choreograf und Tänzer Tomas Bünger und Theatermacherin Anne Herzet nach Gemeinsamkeiten und Hindernissen, spielt mit Perspektiv- und Rollenwechsel. Dramaturgin Saskia Scheffel hat mit dem Team gesprochen.
Das Tanztheaterstück Tür auf! Meine Welt ist eine Einladung deine Welt zu betreten, Neele. Was wünschst du dir von den Menschen, die in das Stück kommen? Was sollen sie mitnehmen und wie sollen sie sich verhalten?
Neele Buchholz: Also es geht um meine Welt. Ich habe ganz viel geschrieben. Texte und Geschichten. Es geht um Disney und um Down-Syndrom. Ich will den Menschen zeigen, wie das ist mit Down-Syndrom. Mit einer Lernbehinderung. Ich wünsche mir Respekt und ernst genommen zu werden.
Tomas Bünger: Neele nennt sich selber auch Inklusionsexpertin und das trifft es gut. Ich glaube, dass man den Abend genießen kann und gleichzeitig einiges über Neeles Realität erfährt, die sie vermitteln will. Es gibt keine Regeln, wie man sich als Publikum verhalten soll, aber vielleicht kann man sagen, dass es eine besondere Situation gibt, wie Menschen in dem Raum sitzen. Und es gibt so einen schönen Text von Neele. Der heißt: „Legt euch zurück…“
Anne Herzet: „… genießt das. Hier passiert was.“
Tomas Bünger: Es ist wirklich eine ganz warme Einladung uns und Neele nah zu kommen. Das zeigt auch die Sitzordnung, aber wir verraten noch nicht wie.
Ihr arbeitet jetzt schon eine ganze Weile an dieser Produktion. Wie kamt ihr dazu zusammen zu arbeiten?
Neele Buchholz: Tom kenn ich schon ganz, ganz lange. Ich habe Tom bei tanzbar_bremen kennengelernt. Tom ist mein Mentor. Anne kenn ich auch schon lange. Seit dem ersten Vertrag.
Anne Herzet: Ja, Neele hat 2022 mit mir den ersten Vertrag als Arbeitgeberin unterschrieben und mich als Assistenz angestellt.
Und was mögt ihr besonders an der Zusammenarbeit?
Neele Buchholz: Also es ist meine erste Zusammenarbeit in so einem Team. Wir sind eher so locker und alle ganz entspannt. Das ist schön.
Tomas Bünger: Ich finde die Zusammenarbeit auch entspannt und locker. Wir versuchen eine Zusammenarbeit zu haben, wo jeder und jede sich wohlfühlt. Man darf aber auch Fehler machen und wenn ich zum Beispiel zu viel rede und nicht genug Leichte Sprache verwende, dann sagt mir das Neele. Ich mag auch, dass wir das Stück zwar zusammen erarbeiten über einen längeren Rechercheprozess, aber die Stückidee und die Texte, die vorkommen, das ist ja alles von Neele. Diese ehrliche Einladung von Neele zu zeigen wie man die Welt sieht, wenn man Down-Syndrom hat, ist für mich auch eine Chance, weil Theater die Möglichkeit bietet, die Welt noch mal mit anderen Augen zu betrachten.
Anne Herzet: Dem kann ich mich nur anschließen. Und mir hat von Anfang an so gut gefallen, dass Neele die Tür aufgemacht hat und mich, die ja immer dabei war Neeles Projekte von außen mit zu begleiten, dann mit aus der Wirklichkeit auf die Theaterbühne geholt hat. Und diese Offenheit wird auch an das Publikum weitergegeben.
Was zeichnet deine Welt aus, Neele?
Neele Buchholz: Früher habe ich ganz viele Disneyfilme geguckt. Die erfundenen Geschichten sind auch Wirklichkeit. Ich habe das Down-Syndrom. Ich habe Gefühle. Und das ist meine Welt.
Tomas Bünger: Das find ich so toll, Neele, wie du das zusammenbringst. Das man erst denkt „Disney? Als großer Bereich in dem Abend?“ Aber dass es dann wieder zusammenkommt mit „Down-Syndrom? Was bedeutet das eigentlich?“. Wir versuchen diese Dinge zu verbinden und auch Fragen zu stellen, warum man so eine Fantasiewelt hat und wo diese auf die Realität trifft.
Ihr beschreibt die Welt von Disney als eine schöne Fantasiewelt, die aber auch Leerstellen hat. Wenn ihr nun selber eine Disneyfigur entwerfen könntet, wie sähe die aus?
Neele Buchholz: Es tauchen in meiner Welt unterschiedliche Disneyfiguren auf. Es geht auch darum, dass Disney nicht perfekt ist.
Tomas Bünger: Mehr willst du nicht verraten, Neele?
Neele Buchholz: Nee, nur die Hälfte.
Anne Herzet: Was wir dann vielleicht verraten können, ist, dass im Stück die Frage gestellt wird, ob es Meerjungfrauen mit Down-Syndrom gibt.
Tomas Bünger: Und ich glaube das erzählt ganz viel. Wenn wir jetzt eine Figur neu erfinden wollen, dann geht es darum, was für eine Welt bei Disney gezeigt wird und wer vorkommt oder nicht. Neele sieht aber auch manchmal etwas Anderes in Disneyfiguren als ich.
Neele Buchholz: Ja, bei Die Schöne und das Biest zum Beispiel. Die Leute denken, Down-Syndrom ist das Biest. Und dann sage ich zum Beispiel, dass die Schöne auch Down-Syndrom haben kann.
Tomas Bünger: Ja, das hat uns sehr beschäftigt, wie wir Sachen sehen und wie es vielleicht eigentlich ist.
Ja das stimmt, oft lohnt es Sehgewohnheiten nochmal zu befragen. Theater kann dabei helfen, gerade durch verschiedene Mittel. In eurem Stück wird Text gesprochen und es wird getanzt. Was lässt sich durch Tanz besser ausdrücken als durch Sprache? Wobei ist es anders rum?
Neele Buchholz: Also im Tanz drücke ich meine Gefühle aus und meine Texte kommen aus meinem Bauch. Ich habe auch Text auswendig gelernt.
Tomas Bünger: Der Abend verbindet zwei Dinge, die Neele wichtig sind: Tanz und Schauspiel. Und daraus wird auch die Frage, was ist Tanztheater heute? Wie können wir alle Sachen, die wir können, einbringen? Neele schreibt eben auch ganz viele Texte und es war ein großer Teil des Prozesses, dass wir die gemeinsam angeschaut haben und dann überlegt haben, wie wir daraus ein Theaterstück machen können.
Veröffentlicht am 28. November 2024