myveryownfeministbookclub #6: Wegweiser
Schauspieldramaturgin Theresa Schlesinger über Virginia Woolf und endlich gestellte Fragen
Am 24. Oktober 1929 erscheint Ein eigenes Zimmer von Virginia Woolf, ein Essay basierend auf zwei Vorträgen, den wir diesen Monat gemeinsam lesen. 1929 sind Frauen in England wie in Deutschland seit elf bzw. zehn Jahren offiziell Bürgerinnen mit dem Recht selbst zu wählen. Vor allem aber sind sie Mütter, Ehefrauen, Spiegel des Mannes. Im Leben, sowie in der Literatur. Virginia Woolf war 47 Jahre alt, eine gestandene Schriftstellerin, die in ihren Texten Fragen aufwarf. Endlich. Fragen dazu, warum die Literatur bewohnt wird von Männern und weiblichen Wesen, entworfen von Männern, die nichts mit der Realität der Frauen zu tun haben. Worum dreht sie sich, diese seltsame Welt?
Wie sähe eine andere Welt aus, eine Welt erzählt aus weiblicher Perspektive?
Ich möchte eigentlich nichts verraten, nichts vorgeben oder zu weit nach vorne sprinten, denn ich bin zu gespannt von euren Leseeindrücken zu erfahren — ungefiltert und direkt. Ich nehme mir also vor, nur einen leichten Rahmen zu bauen, ein paar Fäden zur Verfügung zu stellen, die zusammen geknüpft werden können, auf welche Weise auch immer. Fäden, die das Lesen begleiten und die wir dann gemeinsam aufnehmen, wenn wir uns sehen.
Was hat sich in den letzten 100 Jahren verändert? Und was ist erschreckend ähnlich? Mit welchen Geschichten wachsen wir auf und wieso ist es wichtig sich darüber Gedanken zu machen?
„Haben Sie eine Vorstellung, wieviele Bücher über Frauen im Laufe eines einzigen Jahres geschrieben werden? Haben Sie eine Vorstellung, wieviele von Männern geschrieben sind? Ist Ihnen bewußt, daß Sie vielleicht das am häufigsten abgehandelte Tier des Universums sind?“
Welche Protagonisten bewohnen unsere Lieblingsbücher? Sind es Frauen oder Männer?
Ist es die Mühe wert, Vergangenes zu analysieren oder sollten wir nicht Neues schaffen?
Was bedeutet es heute, einen Text von 1929 zu lesen? Was bedeutet es heute, einen Text zu schreiben? Wer hat die Möglichkeiten dazu? Wer nicht?
Wessen Texte werden gelesen und was findet sich darin? Was hat Repräsentation mit Kunst zu tun?
Wer wird für das Schreiben bezahlt? Wer geschätzt? Was hat Geld mit Literatur zu tun? Und warum spielt das eine Rolle?
„Warum war das eine Geschlecht so wohlhabend und das andere so arm? Welche Wirkung hat Armut auf Literatur? Welche Bedingungen sind für die Erschaffung von Kunstwerken unerlässlich?“
Warum ist es so schwer zu ertragen einmal nicht im Mittelpunkt der Handlung zu stehen?
Warum ist feministische Literatur für viele Männer so uninteressant? Geht es nicht um eine ganzheitliche Veränderung und brauchen wir uns dafür nicht gegenseitig?
„Ist es besser, ein Kohlenträger oder ein Kindermädchen zu sein; ist die Putzfrau, die acht Kinder großgezogen hat, für die Welt von geringerem Wert als der Strafverteidiger, der hunderttausend Pfund verdient hat?“
Wie kann ein feministischer Text von 1929 heute gelesen werden? Welche Wörter sind Fragezeichen? Und welche Ausrufezeichen? Gibt es Sätze, die laut aus dem Fenster gerufen werden müssten? Sätze und Gedanken, die die Augen öffnen oder an etwas Eigenes erinnern? Wer nimmt die Herausforderung an und verändert die Geschichten, mit denen wir leben?
Und: „Wie kann ich Sie noch ermutigen, das Leben in Angriff zu nehmen?“