myveryownfeministbookclub #7: Virginia Woolf (oder der Hintergrund)

Theresa Schlesinger nimmt sich Zeit für Ein eigenes Zimmer.

Einen Text durchdringen heißt auch, die Umstände zu kennen, unter denen er entstanden ist.
Dieses Format hier mäandert zwischen Buchclub, Literaturblog, Hochschulseminar und Tagebucheintrag. Für wen schreibe ich hier eigentlich? Macht es einen Unterschied? Ich mache also einfach weiter und nehme mir ein Beispiel an Virginia Woolf. Ich tauche diese Woche ein in ihre Welt und spüre, wie Grenzen verwischen, zwischen ihr und mir, zwischen dem Geschriebenen und Gedachten. Wir lesen noch immer Virginia Woolf Ein eigenes Zimmer. Es braucht seine Zeit, ein Buch gründlich zu lesen. Und die nehmen wir uns.

Zurück zum Anfang. Heute soll es um die Umstände gehen, die Autorin, das, was nicht im Text selbst steht.

So wurde es mir zumindest immer beigebracht: Den Hintergrund erforschen, um den Text erst richtig zu verstehen. Auf dem Cover meiner Ausgabe befindet sich die Zeichnung einer Erdkugel, die am rechten Rand verwischt. Darüber liegt eine getrocknete Blume. Ist das der Hintergrund? Eine verwischte Erde? Wenn ich das Buch umdrehe, ist auf der Rückseite das Bild eines Hauses zu sehen und weitere getrocknete Blumen. Ich denke, dass das ja wohl eher Vordergrund ist und versuche, dahinter zu schauen. Aber da ist nur Luft. Und zwischen den Seiten? Eine kurze Biographie der Autorin. Das sind sie!

Die Hintergrundinformationen!

Geboren 1882 in eine große, wohlhabende britische Akademiker-Familie. Früh erst die Mutter verloren, dann Halbschwester, Bruder, Vater. Nie die Möglichkeit gehabt zu studieren, wie ihre Brüder. Trotzdem gelernt, gelesen und geschrieben. Mit den Geschwistern nach London gezogen. Die Bloomsbury Group gegründet, eine Gruppe von Autor*innen und Intellektueller, und 1912 Leonard Woolf geheiratet. Geschrieben. Veröffentlicht. Selbst veröffentlicht mit eigenem Verlag, der Hogarth Press. Depressionen durchlebt und überstanden. Andere Liebesbeziehungen gelebt. Weltkrieg bezeugt. Einen weiteren zu Beginn miterlebt. 1941 nimmt sie sich mit 59 Jahren selbst das Leben. Ihre Texte werden der literarischen Moderne zugeordnet. Schon fühle ich mich ihr ein Stückchen näher, kenne jetzt ihre Zeit und die Umstände, unter denen sie ihre Werke verfasst hat und kann das Werk einordnen. Aber auch das ist doch eigentlich recht vordergründig? Die Informationen lassen sich schnell finden und sind auch schnell gelesen.

Was mich aber doch noch viel mehr an sie bindet, ist dieses eine Essay über den Tod einer Motte.

Der Text ist ganz kurz und auf den ersten Blick vielleicht unaufregend, aber genau das macht seinen Wert für mich aus. Woolf beschreibt darin den Versuch dieser hybriden Flatter-Kreatur, dem Zimmer zu entkommen. Von einer Ecke des Fensters zur nächsten und weiter zur dritten. Vergebens. Was sie in der Motte sieht und in präzise und bewegende Worte fasst, erzählt mir nicht nur davon, was ich sonst oft übersehe, nämlich vom Überlebenskampf einer kleinen Kreatur, sondern auch vom Verhältnis der Autorin zum Leben und der Welt um sie herum: „Watching him, it seemed as if a fibre, very thin but pure, of the enormous energy of the world had been thrust into his frail and diminutive body. As often as he crossed the pane, I could fancy that a thread of vital light became visible. He was little or nothing but life.“

Ich empfehle also sehr, sich nicht nur mit Biographien zu begnügen, sondern vor allem auch in das Werk einzutauchen und sich Texten zu widmen, die sonst vielleicht eher übersehen werden.

Angeregt von Woolfs genauer Beobachtungsgabe und der Fähigkeit, durch Beschreibungen der Umwelt ganze Innenwelten zu durchleuchten und erfahrbar zu machen, werfe ich erneut einen Blick in das Buch und bin gespannt, welche Beobachtungen ihr macht oder gemacht habt.

Eintritt in den Club ist übrigens jederzeit möglich und beinhaltet neben den Zugangsdaten zum nächsten virtuellen Treffen am 29. Mai auch wöchentliche E-Mails mit Hintergrundinformationen und Zusatzmaterial. Einfach unter dramaturgie@theaterbremen.de melden