myveryownfeministbookclub #10: Schwarzer Feminismus

Dramaturgin Theresa Schlesinger über Vorbilder

Seit zwei Wochen stehen auf der Agenda des Buchclubs zwei Texte aus dem Buch Schwarzer Feminismus von Natasha A. Kelly. Seit knapp einem Monat brennt es in der Welt, während sich gleichzeitig alles in Richtung Normalität zu verschieben scheint. Das Lesen steht unter anderen Vorzeichen als noch vor ein paar Wochen. Was das mit uns macht, werden wir nächste Woche dann erfahren. Das nächste Treffen ist für den 3. Juli angesetzt! Nach bell hooks widmen wir uns diesmal Sojourner Truth und Angela Davis und tauchen damit weiter ein in das Gespräch über die Notwendigkeit, Geschichte(n) neu zu schreiben, Perspektiven zu verändern und zu hinterfragen. Sojourner Truths Rede Bin ich etwa keine Frau*?, die sie 1851 bei der Ohio Women’s Rights Convention hielt, steht ganz am Anfang des Bandes, denn sie ist der älteste Text der Sammlung – und vielleicht auch der wichtigste.

Wir sprachen beim letzten Buchclubtreffen von der Notwendigkeit, neue Vorbilder zu schaffen, um die männliche, weiße Geschichte nicht fortzusetzen und am besten einfach neu zu schreiben.

Andere Vorbilder eröffnen auch andere Perspektiven auf Altbekanntes und fordern uns heraus, uns selbst und unsere Umwelt (in ihren Strukturen) zu hinterfragen. Vorbilder inspirieren uns außerdem, nach Veränderung zu streben, nach Besserung. Sie motivieren uns, selbst aktiv zu werden. Die Frauen*, deren Texte in dem Band Schwarzer Feminismus versammelt sind (und deren Herausgeberin!), sind für mich solche Vorbilder. Anstatt also hier wiederzugeben, worüber wir am kommenden Freitag beim nächsten Treffen sprechen werden – über die Texte und deren Inhalt – möchte ich fragen: Wer war Sojourner Truth?

Menschenrechtsaktivistin, Feministin, Freiheitskämpferin, Frauenrechtlerin.

Geboren wurde sie 1797 als Sklavin unter dem Namen Isabella Baumfree in Hurley, New York. 1826 floh sie mit ihrer Tochter in die Freiheit, musste jedoch einen Sohn und eine weitere Tochter zurücklassen. Sie gewann als erste Schwarze Frau ein Gerichtsverfahren gegen einen weißen Mann, nachdem sie erfahren hatte, dass ihr Sohn illegal nach Alabama verkauft worden war und Anklage erhob. Ihre Biographie, die sie aufgrund fehlender Schreibkenntnisse diktierte, erschien 1850 unter dem Titel: The Narrative of Sojourner Truth: A Northern Slave. Den Namen Sojourner Truth gab sie sich selbst. Ihre Forderungen waren für ihre Zeit radikal und eröffnen noch heute wichtige und andere Perspektiven auf die feministische Bewegung. Sie fragt: „Ain’t I a woman?“ und markiert damit den Ausgangspunkt für einen intersektionalen Feminismus. Denn wie wir schon bei bell hooks gelesen haben, kann es bei dem Kampf um Gleichberechtigung nicht darum gehen, nur eine bestimmte Gruppe von der Diskriminierung zu befreien. Natasha A. Kelly schreibt in ihrem Vorwort: „(…) Sojourner Truth forderte die einseitige Lesart frauen*politischer Diskurse ihrer Zeit heraus, indem sie ihre eigene konkrete Lebenserfahrung dazu nutzte, ihre spezifische Randposition als Schwarze Frau* in den USA aufzuzeigen.“

Dieser Strategie sind wir auch bei Virginia Woolf begegnet, jedoch fast 100 Jahre später und in einem ganz anderen Kontext.

Auch Rebecca Solnit, die ganz zu Anfang dieser Lesereise stand, arbeitet mit ihren eigenen Lebenserfahrungen und macht deutlich, was sonst einfach übersehen wird. Sojourner Truth hinterfragt in ihrer Rede das Bild, das allgemein von einer Frau gezeichnet wird. Sie stößt uns vor den Kopf, weil sie es auf den Punkt bringt. Was bedeutet es Frau zu sein? Und wieso ist diese Bezeichnung wie wir sie kennen so ausschließend? „Ain’t I a woman?“ Das ist mutig und unglaublich stark. Nehmen wir uns ein Vorbild!

Nächste Woche wird es noch um Angela Davis gehen, bevor wir uns um 19:30 Uhr (online) treffen. Wer dazu stoßen möchte, kann sich wie immer unter dramaturgie@theaterbremen.de melden und ist herzlich willkommen!