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Feministische Lesetipps zum Weltfrauentag von Dramaturgin Theresa Schlesinger.

Zum Weltfrauentag folgt hier eine Liste feministischer Literatur. Mal mehr, mal weniger eindeutig geht es um Fragen nach weiblicher Repräsentation, um neue und andere Perspektiven auf Frau*Sein und Feminismus, um Mutterschaft und natürlich um das Patriarchat und warum wir uns davon verabschieden sollten. Es finden sich hier sowohl fiktionale Stoffe, als auch theoretische Ausführungen feministischer Fragen, sowie Manifeste aller Art. Die Liste ist unvollständig, subjektiv, genreübergreifend, alphabetisch geordnet und freut sich über Ergänzungen. Dafür gern eine Nachricht mit Titel und Kurzbeschreibung an dramaturgie@theaterbremen.de

Chimamanda Ngozi Adichie schreibt mit We should all be feminists ein zeitgenössisches feministisches Manifest und ruft dazu auf, Feminismus als Bewegung zu sehen, die niemanden ausschließt, sondern alle mit einbezieht und sich einsetzt für Gleichheit und Miteinander.

Simone de Beauvoir läutet mit ihrem Werk Das andere Geschlecht eine neue Phase des Feminismus ein. Der ikonische Satz „Man wird nicht als Frau geboren, sondern zur Frau gemacht“ eröffnet eine neue Dimension in der Betrachtung der Geschlechter und sieht Geschlechtsidentität als Folge von Kultur und Erziehung.

Judith Butler nimmt die Gedanken von Simone de Beauvoir auf und geht in Das Unbehagen der Geschlechter noch einen Schritt weiter. Sie schreibt über die Performance von Geschlecht und beschreibt wie die Vorstellung von Frau und Mann erst durch wiederholte Praxis zur Realität geworden ist.

Virginie Despentes hat mit ihrem autobiografischem Essay King Kong Theorie eine feministische Streitschrift vorgelegt, die ihresgleichen sucht. Anhand ihrer eigenen Vergewaltigung entwirft die Autorin eine Kritik an den Geschlechterverhältnissen, die anerkennt, dass sich darin gesellschaftliche Verhältnisse spiegeln, die es grundsätzlicher in Frage zu stellen gilt.

Carolin Emcke schrieb Ja heißt Ja und erst als Lecture Performance in Reaktion auf die #MeToo Bewegung. Zum Glück hat sie daraus schließlich noch ein Buch gemacht, das wir immer wieder zur Hand nehmen können. Es bleiben vor allem Fragen hängen, die eine tiefergehende Reflektion und Umwälzung nach sich ziehen. Welche Sprache braucht es, welche Räume und Allianzen, um Gewalt zu entlarven und zu verhindern und gleichzeitig Begehren und Lust zu ermöglichen?

Akwaeke Emezi schreibt in dem Roman Süßwasser von Ada, einer jungen Nigerianerin in New York, die mehrere Ich hat. Diese verschiedenen Stimmen sind verwurzelt in ihrer Kultur, sind ihre Retter und Kraft, sind Inspiration, feminin und maskulin und begleiten Ada in ihrem Erwachsenwerden und der Entdeckung ihrer Weiblichkeit.

Annie Ernaux teilt in ihrem Roman Erinnerungen eines Mädchen sehr persönliche Momente über das Frau-Werden im Frankreich der letzten 55 Jahre. Sie stellt sich darin ihrer „Erinnerung der Scham“ und zwar anhand von Fotografien und Briefen. Sie blickt zurück zum Moment ihrer ersten sexuellen Begegnung, blickt in eine Zeit voller Momente von Macht, Ohnmacht und Unterwerfung und unternimmt so den Versuch ihre Geschichte aus der Epoche heraus zu verstehen.

Silvia Federici schreibt in Caliban und die Hexe über die Geschichte des weiblichen Körpers während des Übergangs zwischen Feudalismus und Kapitalismus unter den Vorzeichen der Hexenverfolgung. Wer es einmal gelesen hat, kann es nicht mehr vergessen, auch wenn es ein bisschen dauert um hereinzufinden. Es lohnt sich!

Donna Haraway entwirft im Cyborg Manifest aus dem Jahr 1985 das Bild vom Menschen als Cyborg, ein von Kategorien losgelöstes Wesen. Am Beispiel der fortschreitenden Technologisierung fordert sie das Aufbrechen gängiger Denkkategorien. In der Cyborg verwischen die Grenzen von Gender, Race und Klasse und so entsteht eine Utopie, die eine Alternative bildet zu den gängigen Vorstellungen von Gesellschaft.

Sheila Heti hat mit Mutterschaft ein Buch geschaffen, das eine große Frage in den Raum stellt: Was wird gewonnen und was geht verloren, wenn eine Frau sich entschließt, ein Kind zu bekommen?

bell hooks fragt mit feminism is for everybody danach, was Feminismus eigentlich ist und was er sein kann, nämlich das Versprechen einer Bewegung, Sexismus, sexistische Ausbeutung und Unterdrückung zu eliminieren.

Natasha A. Kelly vereint in dem von ihr herausgegebenen Band Schwarzer Feminismus Texte von bell hooks, Audre Lorde, Angela Davis und vielen mehr. Erstmals auf Deutsch übersetzt, gibt sie diesen Stimmen einen Raum und macht darauf aufmerksam, dass Feminismus intersektional gedacht werden muss. Es kann nicht darum gehen, die eigene Position zu verbessern, sondern wir müssen gesamtgesellschaftlich etwas verändern und Diskriminierung auf allen Ebenen bekämpfen.

Chris Kraus und I love Dick sind wahrscheinlich längst zum Kult geworden. Das Buch ist genau, was der Titel verspricht: Eine große Liebesgeschichte über Chris und Dick, dem sie Briefe schreibt, die sie nicht abschickt und der immer mehr zum Objekt ihrer Begierde wird.

Ursula K. Le Guin macht  in ihrem 1986 erschienen Essay The Carrier Bag Theory of Fiction einen Gegenvorschlag zu der Art und Weise wie wir Geschichte schreiben und erzählen. Anstatt vom Jagen und Erobern und somit den Heldentaten einzelner (Männer) zu berichten, schlägt sie vor, den kollektiven Lebensunterhalt in den Mittelpunkt zu stellen. So rückt das Sammeln, das in der Urzeit den Frauen zugeschrieben wird, ins Zentrum und dient als Werkzeug für die Weltgestaltung.

Laurie Penny bringt es mit Unsagbare Dinge auf den Punkt. Augen auf, die Welt ist ungerecht und einengend. Sie spricht aus, was sonst immer heruntergeschluckt wird und macht damit unglaublich viel Mut. Es geht um Essstörungen, sexuelle Gewalt, Vorurteile und Fernsehlügen, Gerechtigkeit und Freiheit.

Sylvia Plaths einziger Roman Die Glasglocke ist so unglaublich ergreifend und kraftvoll zugleich, dass er ein ganzes Weltbild hinterfragt und man beim Lesen zwischen Lachen, Weinen und Fassungslosigkeit schwankt. Vor knapp sechzig Jahren erschienen, ist er immer noch ein Kultbuch, erfasst sie doch darin wie kaum eine andere Autorin die Zerrissenheit junger Frauen angesichts erdrückender gesellschaftlicher Anforderungen.

Legacy Russel legt mit Glitch Feminism ein Manifest vor, was den Gedanken von Simone de Beauvoir zur Konstruktion von Geschlecht aufnimmt und überträgt ihn in den digitalen Raum. Dort sind wir die ganze Zeit verbunden und können uns entscheiden, wer und was wir sein wollen. Ein wichtiger neuer Teil des Cyberfeminismus, der die Beziehung zwischen Geschlecht, Technologie und Identität erforscht!

Mithu Sanyal schreibt in Vergewaltigung über all das, worüber sonst viel zu oft geschwiegen wird. Sie schreibt davon wie Vergewaltigung sich in unsere Kultur eingeschrieben hat, von den vorgefertigten Bildern, die wir davon haben und davon, dass es für weibliche Personen unausweichlich scheint irgendwann in ihrem Leben Vergewaltigungsopfer zu werden.

Rebecca Solnit hat den Begriff Mansplaining erfunden. So erzählt man es sich zumindest. Ihr Buch Wenn Männer mir die Welt erklären geht diesem Phänomen des Mansplaining nach. Warum die patriarchalen Strukturen, in denen Männer sich immer wieder berufen fühlen Frauen Dinge zu erklären, die sie längst wissen, noch viel schlimmere Diskriminierungsformen hervorrufen, beschreibt sie klug, kompakt und berührend. Aber Achtung: Wer es einmal gelesen hat, wird die Welt nicht mehr sehen wie zuvor.

Margarete Stokowski und ihre Bücher Untenrum Frei und Die letzten Tage des Patriarchats sollten eigentlich in jedem Bücherregal zu finden sein. Hier lohnt sich auch der wiederholte Blick! Ähnlich wie Laurie Penny und Rebecca Solnit analysiert die Autorin treffend und aus persönlicher Erfahrung heraus, was patriarchale Strukturen für Auswirkungen auf unser Leben haben und welche Strategien wir entwickeln können, um dem entgegen zu wirken.

Olivia Wenzel erzählt in ihrem Roman 1000 Serpentinen Angst aus dem Leben einer jungen Schwarzen Frau aus Ostdeutschland. Das ist nicht nur neu und eröffnet eine bisher nicht gesehene Perspektive, sondern auch ganz schön berührend und unterhaltsam noch dazu.

Virginia Woolf schreibt in ihrem Text Ein eigenes Zimmer über Frauen und Literatur. Darüber, warum in den meisten Erzählungen, die wir kennen, kaum (und keine realistischen) Frauen vorkommen und was eine Frau braucht, um selbst zu schreiben: Geld und ein eigenes Zimmer.