Neu am Haus: Elif Zengin
Sie ist Lyrikerin und hat Kurzfilme gedreht, sie hat Philosophie in Bremen und Paris studiert und jetzt hat sie sich wieder ins Theatermachen verliebt: Elif Zengin ist seit der Spielzeit 2022/23 Dramaturgieassistentin am Theater Bremen, Diana König hat sich mit ihr getroffen.
Du hast schon ganz schön viel gemacht in den vergangenen Jahren so zwischen Bremen und Paris. Am Focke-Museum hast du als Kunstvermittlerin gearbeitet und du hast ein Masterstudium an der Universität Hildesheim absolviert. Dazu Gedichte und Drehbücher. Das war eine breite Palette an möglichen Berufen, die sich dir nach dem Studium bot und du hast dich fürs Theater entschieden.
Elif Zengin: Ich glaube, es wird bei Theater bleiben und das ist ein schönes Gefühl. Ich hatte eigentlich mit dem Theater abgeschlossen, weil ich den Strukturen kritisch begegne. Dazu zählen die Arbeitszeiten. Oft betreut man gleichzeitig mehrere Projekte und das ist einfach sehr viel Arbeitsaufwand. Dann wurde ich aber direkt nach der Abgabe meiner Masterarbeit vom Theater Bremen angefragt, ob ich „Woyzeck“ von Gintersdorfer/Klaßen betreuen kann. Da ich schon im Studium Fan von deren Arbeiten war und mich auch ihre Arbeitsweise, nämlich kollektiv und anti-hierarchisch zu arbeiten, interessiert, wollte ich das gerne machen. Und da habe ich mich wieder ins Theater verliebt.
Wieder verliebt – wann war das erste Mal?
Elif Zengin: Das erste Mal war, als ich zum ersten Mal wirklich an einer Produktion mitgearbeitet habe. Das war am Thalia Theater, während meines ersten Mastersemester in Hildesheim. Davor habe ich mir gern Theater- und Tanzstücke angeschaut und mich damit auseinandergesetzt – aber wie so eine Produktion entsteht, wie viele Abteilungen daran beteiligt sind, bis sie auf der Bühne ist, das habe ich erst dort erfahren.
Du hast in Bremen und Paris studiert.
Elif Zengin: Die Sorbonne ist eine der renommiertesten Universitäten der Welt, an der haben Menschen wie Simone de Beauvoir, Michel Foucault und Georges Perec studiert. Mit 14 oder 15 Jahren habe ich „Das andere Geschlecht“ von Simone de Beauvoir in der Hand gehabt und habe auch in dem Zeitraum angefangen mich mit dem Französischen Kino auseinanderzusetzen. Ich wollte also in die Pariser Welt eintauchen, die eine große Bandbreite an Kunst und Kultur bietet, und mich engagieren. Das Studium hat auf jeden Fall meine soziale, politische und künstlerische Haltung geprägt: in das Tiefere hineinzuschauen, Strukturen zu hinterfragen und Zusammenhänge zu verstehen. Elegant und solidarisch zu bleiben …
Eleganz ist wichtig?
Elif Zengin: Ja.
Warum?
Elif Zengin: Weil ich in der Zärtlichkeit sehr viel Stärke erkenne.
Das ist jetzt schon recht poetisch – du bist auch Lyrikerin. Ich finde, um das über sich zu sagen, braucht man ziemlich viel Mut.
Elif Zengin: Ich habe vermutlich erst letztes Jahr anerkennen können, dass ich Lyrikerin bin, obwohl ich schon seit 2014 veröffentliche. Ich habe in Hildesheim Inszenierung der Künste und der Medien mit Schwerpunkt Theater studiert, habe aber dann am Literaturinstitut ein Jahr lang Lyrikseminare besucht. Mehr als die Selbstbezeichnung ist mir aber der Stoff, der da zustande kommt, wichtig. Aber … lass uns doch mutig bleiben.
Mit Mut und einer Haltung bist du auch in deine ersten Proben als festangestellte Dramaturgieassistentin hier gestartet: Du begleitest Schorsch Kameruns „King Arthur“ – ein Musiktheater-Happening.
Elif Zengin: In „King Arthur“ werden Geschlechterrollen repräsentiert, die aus meiner Sicht veraltet sind – und dennoch weiß ich, dass es auch heute einen realen Boden hat. Ich meine, worum geht es in der Oper? Um zwei Männer, die Krieg führen, die neue Grenzen ziehen wollen, die um eine Frau werben und darum kämpfen, sie zu besitzen. Das Beste an der Zusammenarbeit mit Schorsch ist, dass wir angesichts der weltpolitischen Lage alle durch die Realität zwar erschüttert sind, aber dennoch Hoffnung haben auf Verbundenheit und Togetherness. Aus diesem Wir-Gefühl heraus möchten wir einen politischen Blick auf das Leben werfen und eine gerechtere Welt fordern.
Veröffentlichung: 21.10.22