Neu am Haus: Nils Matzka

Warum ihn Klischees langweilen und große Themen auch für kleine Leute nicht abschrecken: Nils Matzka ist der neue Dramaturg am Moks. Diana König, Pressesprecherin am Theater Bremen, hat ihn getroffen.

Dramaturg ist deine zweite Ausbildung, angefangen hast du mit Erzieher und Kreativitätspädagoge.

Nils Matzka: Kreativitätspädagogik ist ein Zusatzabschluss meiner Erzieher-Ausbildung, die ich an einer privaten Berufsschule, der Akademie für Kreativitätspädagogik in Leipzig gemacht habe. Dort hatten wir Unterricht in unterschiedlichen kreativen Dingen: Tanz, Theater, bildende Kunst, Marionettenbau. Dabei ging es immer um künstlerische Eigenständigkeit, zum einen für einen selbst, zum anderen, wie man das in der pädagogischen Praxis bei Kindern und Jugendlichen fördert. Ich bin da eher durch Zufall gelandet. Letztlich habe ich es dem Schwerpunkt meiner Ausbildung zu verdanken, dass ich mit soziokultureller und theaterpädagogischer Kulturarbeit meine Praktika füllen durfte, womit auch mein Mut gewachsen ist, es nochmal mit dem Weg ans Theater zu probieren.

Profitierst du in deiner Arbeit als Dramaturg von deinem Können als Erzieher?

Nils Matzka: Die Erzieher-Ausbildung hat später meinen Fokus sehr auf Aufführungen als soziales Ereignis gelegt, auf die Frage danach, wer am Theater beteiligt ist und warum, welche Themen und Menschen wir auf der Bühne sehen und welche nicht. Ich glaube zudem, dass in meiner Ausbildung auch Kompetenzen relevant waren, die in meiner Arbeit als Dramaturg elementar sind: Kommunikation, Vermittlung, das Zusammenbringen von Menschengruppen, der klare Fokus darauf, mit welcher Methodik und welchem Tonfall ich eine bestimmte Ziel- bzw. Altersgruppe ansprechen kann. Die Ausbildung war also gerade für Dramaturgie in der jungen Sparte hilfreich, denke ich, und hat mein Profil in gleichem Maß geprägt wie das Dramaturgie-Studium.  Ich habe in meinem Studium gemerkt, dass man mit einem anderen Realitätsbewusstsein in Diskurse unseres Berufsfeldes startet, wenn man viel Zeit in theaterfernen Lebensbereichen verbracht hat. Auch diese Erfahrungen will ich in meine dramaturgische Arbeit tragen.

Manchmal trifft man am Theater ja Menschen, deren Wege ganz zufällig hierher geführt haben. Bei dir habe ich nicht das Gefühl: Du hast dich schon vor deiner Arbeit hier am Jungen Theater speziell mit szenischen Formen für Kinder und Jugendliche beschäftigt, hast Schreib-Workshops mit Jugendlichen gemacht und viel Theater mit jungen Akteur:innen. Was fasziniert dich gerade an der Arbeit mit jungen Menschen?

Nils Matzka: Zum einen fasziniert mich die Grundannahme, dass man bei vielen Kindern und Jugendlichen davon ausgehen kann, dass sie zum ersten Mal im Theater sind oder sich zumindest das Theater noch als Raum für sich erschließen. Das ist reizvoll. Das scheint zwar auf den ersten Blick etwas von der künstlerischen Freiheit zu nehmen, zum Beispiel zu irritieren, auf der anderen Seite stelle ich aber immer wieder fest, dass das gar nicht stimmt. Gerade das finde ich spannend: dass immer ein bisschen um die Kunst gerungen werden muss, und dass oft gerade wegen der Orientierung an einer Zielgruppe sehr clevere und erstaunlich herausfordernde Arbeiten dabei entstehen können. Und zudem hat die Ästhetik des Kinder- und Jugendtheaters einen großen Spielraum, sich immer wieder neu zu erfinden – für eine immer neue Generation Theaterpublikum.

Am Jungen Theater Bremen stellst du dich mit einer Stückentwicklung vor: „Pech und Schwefel“ heißt die Produktion. Und sie wirbelt gängige Klischees ganz schön durcheinander, oder?

Nils Matzka: Pech und Schwefel ist der Versuch von Regisseurin Cora Sachs und dem Moks-Ensemble neue Erzählweisen von Märchen zu finden: Das soll ein Punk-Musical werden über Märchenfiguren, die keinen Bock mehr auf ihre alten Rollen haben. Wenn man sich die Geschichten mal anschaut, zum Beispiel die Märchen der Brüder Grimm, dann ist zu sehen, dass es zumindest in den populären Geschichten ganz klare Erzählmuster gibt: jemand ist nur gut oder nur böse, Frauen sind entweder Prinzessinnen oder Hexen. Die Bösen sind entweder sehr groß oder sehr klein, nicht mehr schön … entsprechen nicht der Norm. Uns geht es um die Macht, die diese Erzählungen über unseren Blick auf die Gesellschaft haben - aber auch darum, dass wir mit ihnen flexibel spielen können, um dieser Macht etwas entgegenzusetzen. Märchen gehören allen – wenn das über die Rampe kommt, wäre das bereits viel.

Das ist jetzt dein erstes Engagement direkt nach dem Studium. Wenn du in die Zukunft schaust, was würdest du dir wünschen für deine Zeit hier am Haus?

Nils Matzka: Ehrlich gesagt wünsche ich mir, dass ich vom selbstzweifelnden Studierenden zu jemandem werde, der sicher und befreit mit anderen zusammenarbeiten kann. Und ich wünsche mir gute erste Erfahrungen, viele schöne und auch inspirierende Begegnungen mit Menschen, die mir neue Perspektiven aufmachen, die mich überraschen – und mit denen ich mich auseinandersetzen darf. Ich freue mich jetzt schon sehr darüber, im Team vom Moks ein Arbeiten auf Augenhöhe zu erleben und habe große Lust und Neugier auf alles, was die kommenden Jahre bringen!

 

 

Veröffentlichung: 27.10.22