Neu im Ensemble #11: Sarah-Jane Brandon
Die südafrikanische Sopranistin Sarah-Jane Brandon wurde in Johannesburg geboren und tourte viele Jahre durch die Opernhäuser der Welt. Jetzt ist sie fest im Ensemble in Bremen und hat mit Pressesprecherin Diana König über Montserrat Caballé, Verdi Opern und Ankommen gesprochen.
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Deine Biografie liest sich ein bisschen wie ein Opernreiseführer: Semperoper Dresden, Teatro Massimo in Palermo, Griechische Nationaloper, Bayerische Staatsoper, Palm Beach Opera, Opéra national de Lorraine, Cape Town Opera … Du hast lange und erfolgreich frei gearbeitet. Wodurch kam die Entscheidung, fest in ein Ensemble zu gehen?
Sarah-Jane Brandon: Kurz gesagt: Corona. Ich habe in den ersten beiden Jahren der Pandemie all meine Verträge verloren und ich wünsche mir da momentan einfach mehr Sicherheit. Abgesehen davon habe ich mein Fach ein bisschen verändert und Bremen hat mir genau die Partien, die ich jetzt gern singen möchte, angeboten. Also war das eine gute Alternative.
Du bist wahnsinnig viel gereist: Wie viele Nächte im Jahr hast du durchschnittlich im eigenen Bett geschlafen?
Sarah-Jane Brandon: Vielleicht mal zwei oder drei Wochen am Stück, wenn ich Glück hatte, aber meistens war ich unterwegs. Das hat es mir als Südafrikanerin schwer gemacht, die britische Staatsbürgerschaft zu bekommen, dafür habe ich fast zehn Jahre gebraucht. Jetzt habe ich einen britischen Pass und muss nach dem Brexit wieder Visa beantragen – aber das stresst mich jetzt nicht mehr, ich weiß ja, wie es geht.
Ist das jetzt eine Umstellung, an einem Ort zu sein?
Sarah-Jane Brandon: Nein. Ich werde auch weiter ein bisschen frei arbeiten. Und momentan merke ich das ohnehin nicht, weil ich so viel an Don Carlo arbeite und kurz danach werden die Proben für Ariadne beginnen. Vielleicht bekomme ich Heimweh, wenn die Probenphase vorbei ist. Denn meine Familie vermisse ich schon sehr, auch wenn wir fast jeden Tag miteinander sprechen und Videotelefonate machen. Aber ich bin auch daran gewöhnt, woanders klar zu kommen. Momentan erscheint mir die Weltlage ohnehin so fragil, dass ich versuche, im Moment zu leben und nicht zu viel über die Zukunft nachzudenken.
Mittlerweile hast du ja noch einen anderen Bezug zu Bremen entdeckt – und zwar hat hier ein großes Vorbild von dir gearbeitet: Montserrat Caballé war von 1959 bis 1962 hier am Haus.
Sarah-Jane Brandon: Ich habe tatsächlich ein paar Nachforschungen angestellt und rausgefunden, dass sie direkt nach ihrem Engagement in Basel hierher kam und es das erste Mal war, dass sie die Partien singen konnte, die sie singen wollte. Sie hat auch später in Interviews immer wieder gesagt, dass sie hier sehr viel gelernt hat, sie hat überhaupt immer sehr wertschätzend von Bremen gesprochen. Als sie hier wegging, ging ihre Karriere erst richtig los. Ich hoffe, ich kann auch so viel mitnehmen aus meiner Zeit hier.
Viel reisen bedeutet auch, sich immer mit neuen Kolleg:innen verständigen zu müssen. Wenn man fest in einem Ensemble ist, arbeitet man anders zusammen. Bist du gespannt auf diese neue Arbeitsweise?
Sarah-Jane Brandon: Ich denke nicht, dass es anders ist. Als professionelle Sänger:innen arbeiten wir immer kollegial zusammen, helfen uns gegenseitig. Aber ich merke schon sehr, dass die Leute hier im Haus wirklich nett sind. Und es ist natürlich bei jedem Engagement immer eine Sorge, dass die Kolleg:innen nicht nett sind … Aber hier funktioniert es gut, wir lachen auch während der Proben viel. Und das ist nicht unbedingt normal, wenn man eine Verdi Oper probt …
Geboren bist du in Südafrika, da hast du auch deine Ausbildung begonnen, oder?
Sarah-Jane Brandon: Dass ich eine gute Stimme habe, habe ich bei einem Konzert in der Schule gemerkt. Ich sang im Chor, da war ich etwa zehn Jahre alt, und die Melodie war sehr hoch. Ich konnte das mühelos singen und meine Lehrerin ist direkt zu meinen Eltern gegangen, die mich daraufhin zum Gesangsunterricht anmeldeten. Ich hatte allerdings noch nie eine Oper gehört oder gesehen und wollte als ich 17 war gern Jazz-Gesang studieren. Aber meine Lehrerin war total dagegen und ich bin ihrem Rat gefolgt und habe mich für klassischen Gesang eingeschrieben. Mit Oper hatte ich zu diesem Zeitpunkt noch immer keine Berührungspunkte. Am Tag vor Studienbeginn habe ich mir dann eine Karte für ein klassisches Konzert besorgt. Die russische Opernsängerin kam in einem wunderschönen Kleid auf die Bühne und als die Musik begann, wusste ich: Das ist es! Von da an war ich Feuer und Flamme, ich habe viel recherchiert, Bücher gelesen und stundenlang in der Bibliothek gesessen und alte Aufnahmen gehört.
Jetzt stehst du bei der großen Saisoneröffnung im Musiktheater in Verdis „Don Carlo“ mit auf der Bühne: als Königin Elisabeth.
Sarah-Jane Brandon: Ich liebe diese Rolle. Ich habe das Gefühl, dass ist eine der Partien, die wie für mich gemacht ist. Aber sie ist anspruchsvoll, wie alle Verdi-Partien. Don Carlo wird sicher für alle Beteiligten ein erfolgreiches Projekt.
Was erwartest du von deiner Zeit in Bremen?
Sarah-Jane Brandon: Ich erwarte schon was. Es gibt viele Partien, die ich gern auf der Bühne singen würde: Cio-Cio-San in Madama Butterfly oder Arabella – und ich würde wirklich gern La traviata singen. Oder auch Tatjana, Rusalka und Norma – das wäre großartig. Persönlich habe ich natürlich auch Hoffnungen. Zum Beispiel, dass ich mir mein Leben hier schön mache, Freundschaften schließe und mich vielleicht auch verliebe. Das ist nämlich der Vorteil, wenn man an einem Ort ist: Ich könnte jemanden kennenlernen.
--- English version ---
South African soprano Sarah-Jane Brandon was born in Johannesburg and toured the world's opera houses for many years. Now she is a permanent member of the ensemble in Bremen and spoke with press officer Diana König about Montserrat Caballé, Verdi operas and arriving.
Your biography sounds a bit like an opera travel guide: Semperoper Dresden, Teatro Massimo in Palermo, Greek National Opera, Bayerische Staatsoper, Palm Beach Opera, Opéra national de Lorraine, Cape Town Opera ... you have worked successfully as a freelancer for a long time. What made you decide to join an ensemble permanently?
Sarah-Jane Brandon: In a nutshell: Covid. I lost all my contracts for two seasons and I felt that for the time being I want more security. I also changed my Fach a little bit and Bremen was offering me the roles that I want to sing now – so that was a good change.
You traveled a lot: How many nights a year on average did you sleep in your own bed?
Sarah-Jane Brandon: Maybe two weeks here and there when I was lucky, mostly I was away. That was hard for me, living as a South African in the UK, wanting a permanent citizenship. It took nearly ten years to get it. Now I have a British passport and have to get visas again after Brexit, but that’s not stressing me, because I’m already used to it.
Is that a challenge now, being in one place?
Sarah-Jane Brandon: No. I will continue to do some freelancing things. And at the moment it’s not a problem because I am working a lot on Don Carlo and after that the rehearsals for Ariadne will start. Maybe I will get homesick when the rehearsals stop after that, because I really miss my family – even if I talk to them nearly every day and make videocalls. But otherwise I’m used to get along in other places. At the moment everything is really fragile, so I’m trying to live in the moment and not thinking about the future too much.
In the meantime, you've discovered another connection to Bremen - and that is that a great role model of yours worked here: Montserat Caballé was here between 1959 and 1962 ...
Sarah-Jane Brandon: I researched her time here a little bit: She came here after being in Basel and it was the first time she could sing roles she wanted to sing. And she always told in interviews that she learned a lot here. After she was in Bremen, her career turned up and she always spoke very fondly of the city. And I hope that I can gain as much by being here in the house.
Traveling a lot also means always having to work with new colleagues, when you have a permanent engagement in an ensemble, you work together differently. Are you looking forward to this new way of working?
Sarah-Jane Brandon: I don’t really think so, I think as professional singers we work together collegially and help each other. But I feel very much that the people in the house are really lovely people. It‘s always a concern not to have nice colleagues. But here it works. We laugh together during the rehearsals and that‘s not really usual on a Verdi opera.
You were born in South Africa, that's where you started your career, right?
Sarah-Jane Brandon: Actually, how I discovered that I had a voice was in primary school. We sang in a choir and the tune was very high and I had no trouble to reach it. The teacher directly went to my parents and they got me a singing teacher. So I started singing with 10 years, but I had never been to an opera. When I grew up, I would have preferred to study Jazz but my teacher said that I had to study opera. I was 17 then and still never listened to that kind of music but I followed her advice. The day before I started studying I got myself a ticket for a classical concert. The Russian opera singer walked in, beautifully dressed, and when the music started I knew: that‘s it. Then the bug bit me and I started a lot of research. I read a lot of books and I sat for hours in the library listening to records.
Now you're on stage here for the big season opening in Verdi's "Don Carlo": as Queen Elizabeth.
Sarah-Jane Brandon: I love the role. I feel like it is one of the roles I was meant to sing in my life – it’s challenging, of course, like all Verdi Operas are. I feel very much like it will be a successful project for everybody.
What do you expect from your time in Bremen?
Sarah-Jane Brandon: There is an expectation. And there are so many roles I would love to sing on stage: Madama Butterfly or Arabella – I would really love to sing Traviata. Oh, there are so many: Tatjana, Rusalka and Norma – that would be amazing. Personally, I have hopes, too: to create a lovely life, make friends – maybe have some romance. That’s the nice thing about staying in one place, I might meet someone.
Veröffentlichung: 15.9.22