Neu im Ensemble #8: Elias Gyungseok Han

Heavy Metal ist die Musik seiner Jugend: Der koreanische Bariton Elias Gyungseok Han im Gespräch mit der Pressesprecherin Diana König über Schallplattensammlungen, die Kleinstadt Berlin und darüber, wie Dietrich Fischer Dieskau sein Leben veränderte.

Du bist in Seoul aufgewachsen, als Jugendlicher hast du vorwiegend Heavy Metal gehört …

Elias Gyungseok Han: Ja, viel Pantera, das ist mir aber heute zu hart. Dream Theatre und Rage Against the Mashine mag ich immer noch gern. Generell höre ich jedoch tatsächlich weniger Musik als damals. Ich sammle aber Schallplatten und immer, wenn ich eine neue Platte gefunden habe, höre ich die mehrmals durch – egal ob es Klassik ist oder Schlager.

Du hörst Schlager?

Elias Gyungseok Han: Ja, das mache ich. Jedes Land hat so seine Musik, und viele Menschen in Deutschland hören Schlager. Ich höre mir die dann an und überlege, warum sie die Menschen mitziehen. Ich denke, Schlager funktionieren ähnlich wie Operetten, sie haben einen bestimmten Rhythmus, laden zum Mittanzen ein.

Schuberts Winterreise, gesungen von Dietrich Fischer Dieskau, sollte eine ganz besondere Bedeutung in deinem Leben bekommen. Dein Vater hat dir diese Aufnahme ein Jahr vor deinem Abitur geschenkt.

Elias Gyungseok Han: Mein Vater ist selbst ausgebildeter Tenor, hat aber keine sängerische Karriere gemacht, er war Musiklehrer. Musik hat in meinem Leben auch schon immer eine große Rolle gespielt, in meiner Heimat überhaupt. Ein großer Anteil der Südkoreaner sind Christ:innen, und in der Kirche singt man im Kirchenchor. Die Leute lieben singen, es stehen in jeder Ecke Karaokeboxen. Ich habe auch viel gesungen. Aber als ich dann diese Aufnahme hörte, war das unbeschreiblich schön. Das war total neu, es hat mich sehr berührt. Ich kann das schlecht beschreiben, ich habe ja den Text gar nicht verstanden, aber der Gesang hatte einfach etwas, das man immer wieder hören möchte, und dann selbst nachahmen: Wie macht der das? Was ist das für eine Musik?

Kannst du dich daran erinnern, wie es war, als du dich dazu entschieden hast, Sänger zu werden?

Elias Gyungseok Han: Das war zu dieser Zeit. Schon im Kirchenchor habe ich oft gehört, dass ich eine gute Stimme habe. Das war eine unspektakuläre Entscheidung, ich hatte schon geahnt, dass ich Sänger werden möchte. Nachdem ich mich entschieden hatte, habe ich sechs Monate Gesangsunterricht genommen und einfach den mir unverständlichen Text der Winterreise auswendig gelernt und diese Lieder gesungen. Dann habe ich angefangen, Gesang zu studieren an der KNUA (Korea National University of Art). Aber nur kurz, nur ein Dreivierteljahr.

Danach bist du nach Berlin, an die Universität der Künste?

Elias Gyungseok Han: Ich war ein Outsider in der Universität, die eine der besten in Korea ist. Alle Kommiliton:innen hatten ein Ziel und schon Jahrzehnte gesungen und der Abstand zu ihnen war einfach zu groß. Ich hatte mich ja gerade erst entschieden, Sänger zu werden, ich konnte mich nicht einfinden. Dann dachte ich, ich gehe nach Deutschland.

Wieso gerade Berlin?

Elias Gyungseok Han: Naja, das war die Hauptstadt. Ich habe ja mein ganzes Leben lang auch in einer  Hauptstadt gelebt, in Seoul, mit 20 000 000 Einwohnern. Das Dieskau auch in Berlin gelebt hat, wusste ich gar nicht, das erfuhr ich erst später.

War Berlin dann für dich ein Schock?

Elias Gyungseok Han: Das war für mich eine Kleinstadt. Ich bin 2002 angekommen – da waren überall Baustellen, total viele leerstehende Wohnungen. Wahnsinn. Es war so ruhig im Gegensatz zu Seoul.

In den vergangenen sechs Spielzeiten gehörtest du zum Ensemble des Mittelsächsischen Theaters Freiberg/Döbeln, nochmal ein bisschen ruhiger ... In der örtlichen Presse wurde dein Weggang sehr bedauert, die Freie Presse berichtet, dass viele Opernfreund:innen dich nur schweren Herzens gehen lassen, weil du sie durch viele tolle Titelpartien begeistert hast …

Elias Gyungseok Han: Nicht nur das, die mochten mich auch, weil ich ein bisschen poppig und Sinatra-mäßig singen kann. Bei meiner letzten Vorstellung stand ich im Anschluss eine Stunde auf der Bühne, weil alle gekommen sind, um mich zu verabschieden. Das hat mich begeistert, das war eine schöne Bestätigung.

Du hast dort für das Theater auch Videos gedreht und Trailer gemacht. Das ist dein Hobby, hast du erzählt. Willst du in Bremen weiter privat filmen?

Elias Gyungseok Han: Ich lass mich überraschen, ich muss die Stadt erst ein bisschen kennenlernen.

Du hast auch in der Leipziger Thomaskirche gesungen und bei Sinfoniekonzerten der Mittelsächsischen Philharmonie: Wie unterscheidet sich die Aufgabe dort von der im Musiktheater?

Elias Gyungseok Han: Die unterscheidet sich eigentlich nicht. Singen ist singen.

In Bremen gibst du dein Debüt mit Silvio in Der Bajazzo. Was ist das Herausfordernde an dieser Partie?

Elias Gyungseok Han: Ich habe während meines ganzen Studiums fast nur Lieder und Oratorien gesungen – ich hatte nicht mal fünf Arien, die ich vorsingen konnte … Jede Partie, die ich hier singe, ist für mich neu, ich habe lauter neue Aufgaben. Aber ich bin so groß geworden, ich erarbeite mir gern neue Sachen.

Was erhoffst du dir in Bremen?

Elias Gyungseok Han: Ich bin nicht so zielstrebig. Ich bin gläubig, und ich denke, dass Gott mir den Weg hierher gezeigt hat. Ansonsten schiebe ich es lieber von mir weg, darüber nachzudenken, wo ich gern in fünf Jahren wäre. Ich will immer erstmal dort ankommen, wo ich bin und meine Aufgaben kennenlernen und sie gut erfüllen.

 

 

Veröffentlichung: 25.10.21