Neu im Ensemble: Arvid Fagerfjäll

Mit Mama Rabenaas stellt er sich dem Bremer Publikum in der Musical-Uraufführung Der 35. Mai vor: Arvid Fagerfjäll ist in Schweden geboren, hat dort, in Italien und Deutschland Gesang studiert und ist seit dieser Spielzeit festes Ensemblemitglied am Theater Bremen. Diana König hat ihn getroffen.

„Arvid Fagerfjäll ist ein schwedischer Bariton.“ Das ist der erste Satz deiner Biografie auf unserer Homepage. Ich finde, das klingt nach was. Nach was klingt es für dich?

Arvid Fagerfjäll: Nach veralteter Website (lacht) …

Warum?

Ich lebe schon lange nicht mehr in Schweden und ich weiß auch nicht, ob ich mich als Bariton verstehe, ich bin Sänger. Wir machen ja alle auch fachübergreifende Sachen und ich möchte einfach ich sein und die anderen die anderen sein lassen und mich nicht immer mit Fachsystemen auseinandersetzen. Und mit den Vorstellungen davon konfrontiert sein, dass der Körper zur Stimme passen muss, dass also ein Bariton ein bestimmtes Aussehen haben sollte. Ich darf auch anders sein.

Wer sagt denn, wie ein Bariton aussehen soll?

Naja, es gibt Lehrer:innen oder auch Agent:innen, die sagen: Wenn du eine tiefe Stimme hast, musst du muskulös sein, dein Erscheinungsbild muss zu den Rollen passen. Die erwarten dann einen 1.90 Meter großen Mann, der hundert Kilo wiegt und sehr behaart ist. Aber das sind Vorstellungen von anderen Menschen, nicht meine. Da macht man es sich mit den Besetzungen sehr einfach, aber das entspricht nicht dem, was Sänger:innen können – da traut man uns wenig zu. Ich bin auf jeden Fall froh, jetzt am Theater Bremen zu sein, denn hier habe ich das Gefühl, dass mich Menschen als der, der ich bin, schätzen.

Wann war denn für dich klar, dass du Sänger werden wolltest?

Ziemlich spät eigentlich. Ich hatte immer ein großes Interesse daran, auf der Bühne zu sein. Aber ich hatte nicht so richtig einen Zugang, habe verschiedenes probiert, Cello, Ballett, ein bisschen Musical, bis meine Oma mich dann einer Freundin von ihr vorgestellt hat, die Gesangslehrerin für klassischen Gesang war. Da hat was Klick gemacht, aber dass ich damit meinen Lebensunterhalt verdienen könnte, habe ich mir erst mit Mitte Zwanzig zugetraut.

Während deiner Ausbildung bist du von Schweden über Italien nach Deutschland gekommen. Wie kam es zu diesen Stationen?

Ich habe eingesehen, dass falls ich mit Oper oder klassischer Musik arbeiten möchte, ich Deutsch lernen oder mich zumindest im mitteleuropäischen Raum bewegen muss. Dann habe ich im Bachelor ein Erasmus-Austauschjahr in Italien gemacht – einfach damit ich die Bühnensprache, die ich brauche, hinbekommen kann. Ich habe dadurch auch ein großes Interesse an Sprachen entwickelt – das Reisen ist auch ein Grund dafür, dass ich mich nicht so richtig als Schwede sehe, eher als Europäer.

Dein Debüt gibst du hier in einer Musical-Uraufführung: Der 35. Mai. Was machst du da?

Als Hauptpartie würde ich gerne Mama Rabenaas sehen – wobei ich natürlich mehrere Partien singe. Mama Rabenaas ist die Dragmutter, der der Onkel und sein Neffe am Ende ihrer Odyssee in einem Club begegnen. Der Club, in dem die beiden ankommen, ist ein Dragclub, in dem Mama Rabenaas eine Dragqueen ist und eine große Willkommens-Nummer für die beiden singt. Ich darf auch meine innere Morticia Addams-Fantasie ausleben, das habe ich mir ersehnt.

Hört sich an, als machten die Proben Spaß?

Schon. Es ist viel Arbeit und unglaublich aufwändig – das ist Musical immer, aber es ist wirklich ein tolles Ensemble.

Du hast eben gesagt, dass du schon Erfahrungen mit Musical hast … fällt dir das leicht?

Ich habe eine zehnjährige Ausbildung als Opernsänger hinter mir und das ist natürlich auch, wie ich mich sehe. Aber ich mache gern Musical. Als Teenager wollte ich eine Zeit lang Musicaldarsteller werden, aber dann wurde mir doch ziemlich schnell klar, dass ich nicht Teil dieser Welt werden wollte.

Du bist auch die eine Hälfte eines ziemlich erfolgreichen Liedduos. Was ist der Unterschied zwischen Oper und Liederabend?

Lied ist eine der wenigen Tätigkeiten von klassischen Sänger:innen, bei der sie künstlerische Autonomie haben.

Wenn du auf die nächsten Jahre in Bremen schaust, was erhoffst oder erwartest du?

Einen schönen Raum, in dem ich Partien ausprobieren, aber auch mit kollegialer Unterstützung meinen Beruf ausüben kann. Einen Safe Place – das ist das, was die besten Theater schaffen können. 

 

 

Veröffentlicht am 14. Oktober 2024