Nichts Besonderes

Im Moks breitet sich Langeweile aus. Das Kollektiv Arnold&Bianka bringt dort mit „Wie lang geht das noch?“ nichts Besonderes auf die Bühne …

„Mir ist langweilig, wenn nichts passiert und ich einfach nur da bin.
Ich bin langweilig, wenn ich etwas erzähle und nicht zum Punkt komme.
Ich finde es langweilig, wenn alles nach Plan läuft.
Vor Langeweile habe ich mal mit einer Nagelschere in die Jalousie unseres Badezimmers geschnitten.“ (Greta, 13 Jahre )

Wahrscheinlich kennen alle Menschen das Gefühl sich zu langweilen. Auch, wenn alle Menschen unterschiedliche Dinge langweilig finden. Manche fasziniert Mathe, andere schlafen ein, wenn sie nur das Wort Addition hören. Manche begeistern sich für Sport, wieder andere wundern sich, wie man dieses merkwürdige Spiel über 90 Minuten, mit zwei Teams und einem Ball so emotional verfolgen kann. Viele mögen Techno, viele mögen Oper ...

Auch im Theater langweilen sich die Menschen immer wieder.

Und sich im Theater langweilen ist gemein. Man sitzt im Stillen und meistens auch im Dunkeln unter vielen anderen Menschen – andere Menschen, die vielleicht ganz begeistert zuschauen – und man kann nicht einfach gehen ohne aufzufallen oder Musik anmachen oder das Programm wechseln oder einmal schreiend durch den Raum rennen. Im Theater würde man sagen, das hat mit dem Hier und Jetzt zu tun. Also der Tatsache, dass Menschen zu einer bestimmten Zeit an einem bestimmten Ort zusammenkommen und gemeinsam etwas erleben.

Die, die begeistert sind, vergessen die Zeit, die, die sich langweilen, spüren dafür die Zeit umso stärker: quälende Gegenwart.

Und genau deshalb glauben wir, dass es gut passt, sich im Theater mit Langeweile auseinanderzusetzen, weil Theater und Langeweile beide viel mit einer Sache zu tun haben: mit dem Empfinden von Zeit. Und wir glauben, dass ein Stück über Langeweile, also über das Empfinden von Zeit, dabei alles andere als langweilig sein kann. Wenn Dinge scheinbar ewig dauern, sich ständig wiederholen, nichts passiert oder Stille herrscht, ist genau das der Moment, in dem schon kleinste Veränderungen Freude bereiten können. Leichte Variationen, die einen Moment in ein anderes Licht rücken können oder aus Geräuschen plötzlich Rhythmus werden lassen. Und gerade wenn alles nach Plan läuft, alle zu wissen meinen, was als Nächstes passiert, ist das die beste Voraussetzung für Unerwartetes, für Überraschungen. Und nicht zuletzt liegt somit in Langeweile auch großes Potential für Komik und Unsinn.

Verrückte Dinge, die man macht und wenn man gefragt werden würde, warum um alles in der Welt man DAS gemacht hat, nur antworten könnte: mir war langweilig.

In unserem Stück erzählen wir von einer Welt, in der nicht viel zu passieren scheint. Wir erzählen von einem gewöhnlichen Ort mit einer Schule, einem Park und einer Bank und von gewöhnlichen Menschen – Bill, Tessie, Marc und Tante Georgie – sowie einem kleinen, verlorenen Hund. In atmosphärischen, skizzenhaften Bildern verfolgen wir, wie diese Menschen mit der Langeweile, die sie umgibt, umgehen. Dabei spielen wir mit der Wahrnehmung von Raum und Zeit, stellen große Fragen an das Leben und lassen Blödsinn aus dem Nichts entstehen. Immer tiefer tauchen wir ein in ein traumhaftes Gefühl der Leere, durch das aber nicht Schwere und Langeweile, sondern viel mehr Lust und Leichtigkeit entstehen. Und am Ende sind es vielleicht solche Momente, von denen sich alle wünschen, dass sie nie aufhörten.     

 

 

Veröffentlichung: 1.11.21