on theatre at the theatre
Regisseurin Nora Strömer über die guten und bösen Geister des Theaters
Mit POSSESSED beende ich nach zwei Jahren Festanstellung vorerst meine Zeit als Regieassistentin am Theater Bremen (und am Stadttheater) und gehe nach Hamburg fürs Masterstudium. Die Zeit in Bremen war für mich lehrreich und schön, aber auch herausfordernd und anstrengend. Bevor ich angefangen habe hier in Bremen zu arbeiten, habe ich in Hildesheim Szenische Künste studiert und dort freie Projekte mit Freund*innen umgesetzt.
Die Arbeit am Stadttheater war für mich so auch die Erfahrung eines neuen institutionellen Kontextes.
Diesen Kontext habe ich im Rahmen meiner Reihe acting is re-acting versucht, zu mir ins Verhältnis zu setzen – bzw. mich ins Verhältnis zum Kontext. Ich habe diese Arbeitsweise der Verhältnismäßigkeiten als sehr produktiv und gewissermaßen befreiend empfunden: Ich im Verhältnis zu meiner Umgebung, die künstlerischen Verfahren, die ich einsetze im Verhältnis zu den Ressourcen, die ich zur Verfügung habe und die produzierte Aufführung so letztendlich im Verhältnis zu den Bedingungen, unter denen sie entstanden ist. Mein Wunsch war es, dieses Interesse am Zusammenhang zwischen Arbeitsplatz und Arbeitsergebnis weiterzuentwickeln und gleichzeitig etwas auszuprobieren, das ich bisher noch nie gemacht habe: direkt mit einer Schauspielerin zusammenzuarbeiten.
Bei POSSESSED erzählt Nadine Geyersbach dem Publikum eine Gruselgeschichte: Die Geschichte von Rosemary’s Baby.
Ich war mal mit meinem Freund und seiner Mutter im Kino, vor ca. drei Weihnachten und danach noch etwas essen und beim Essen hat die Mutter meines Freundes die Handlung von Roman Polańskis 1968 erschienenem Horrorfilm Rosemary’s Baby nacherzählt: ein Schauspieler tauscht seine Frau ohne ihr Wissen an einen Hexenzirkel und bekommt dafür eine große Rolle in einem Theaterstück. Die Frau wird schwanger, mit dem Kind des Teufels, der Mann wird für die gewollte Rolle besetzt und erfolgreich. Ich finde es immer seltsam, wenn es in Hollywood-Filmen oder anderen Mainstream-Stoffen, ums Theater geht (das mir in gewisser Weise nischig und für den Mainstream uninteressant erscheint).
Ich habe daraufhin meine Eltern gefragt, ob sie Rosemary’s Baby mit mir gucken wollen.
Nachdem wir den Film gesehen hatten, bin ich in einen fürchterlichen Streit mit ihnen geraten. Im Nachhinein würde ich sagen, dass wir uns darüber gestritten haben, wo wir im Film jeweils „das Böse“ annehmen: Geht es darin um eine Frau, die durch ihre Schwangerschaft beginnt, zu halluzinieren oder um einen Hexenzirkel, der auf der Erde den Willen des Teufels ausführt oder um die toxischen Glücksversprechen des Kapitalismus, der in uns allen wohnt (meine Meinung)? Nach dem Gucken des Films und diesem Streit hatte ich die Idee, Rosemary’s Baby vor dem Theater nachzuerzählen (bzw. nacherzählen zu lassen). Mich hat hierbei interessiert, wo und wie sich der Inhalt der Geschichte mit der Situation, in der sie produziert und rezipiert wird, zusammenlegt und welche (neuen) Bedeutungen hieraus entstehen können:
Rosemarys Mann Guy und die Erzählerin Nadine, beide Schauspielende; das alte Appartementhaus in New York, in dem die Handlung spielt und das große Theaterhaus, vor dem erzählt wird.
An dieser Stelle verbindet sich die Arbeit an POSSESSED für mich mit meiner Arbeitszeit in Bremen und dem Kontext des Stadttheaters. Ich habe zu Beginn dieses Textes geschrieben, dass ich die zwei Jahre in Bremen unter anderem als anstrengend und herausfordernd empfunden habe. Zurückblickend würde ich sagen, dass sie das für mich dann waren, wenn ich mich in Strukturen bewegt habe, die in mir Gefühle von Schmerz oder Stress ausgelöst haben, ohne dass ich den Ursprung dieser Gefühle hätte klar benennen oder verorten können. Diese Unverortbarkeit des Ursprungs meines Schmerzes hat es mir – so glaube ich – erschwert, mit diesem umzugehen: Ich wusste ja nicht wirklich, was das jeweilige Problem war, bzw. wogegen ich hätte vorgehen wollen.
Das Genre der Filmvorlage Rosemary’s Baby – Horror – sehe ich hierbei als mögliche Toolbox für Formen des Umgangs mit einer diffusen Angst.
Im Horror wird „das Böse“ konstruiert, situiert und personifiziert: Der Geist, das Monster und die Hexe könnten uns jeweils dabei helfen, greifbarer zu machen, dass wir von Kräften umgeben sind, die sich unserer Kontrolle entziehen. Gleichzeitig übersieht die Festschreibung „des Bösen“, möglicherweise, dass das, was uns bedroht, gerade nicht fixierbar ist: dass es zirkuliert, oft nicht sichtbar ist und dass es in uns wohnt – uns also nicht nur extern, sondern auch intern ist. Im Rahmen von POSSESSED möchte ich Ästhetiken erproben, die darstellbar machen, dass diese diffuse Bedrohung gerade nicht darstellbar ist. Bzw., dass ein Teil der Bedrohung, im Versuch, sie festzuschreiben, immer verlorengeht und so unsichtbar bleibt. Eine Bekannte hat mir erzählt, dass sie den Unterschied zwischen einer Austreibung und einer Anrufung darin sieht, dass ersteres danach strebt, „das Böse“ zu vertreiben und letzteres danach, sich mit den Geistern, die einen umgeben, zu verbinden. Im Rahmen der Aufführung wollen wir versuchen, uns mit jenen Geistern, die wir möglicherweise nie greifen können werden, und mit jenen, die in uns selbst wohnen, zu versöhnen.