Ostern gehört dem Tanz

Alina Holz, Mitarbeiterin der Marketingabteilung des Theater Bremen, im Gespräch mit Alexandra Morales, Co-Leitung der Tanzsparte.

Am Osterwochenende präsentieren Unusual Symptoms das zeitgenössische Tanzfestival VIER TAGE TANZ. Es wird aber nicht nur getanzt. Es gibt auch eine Ausstellung: „The Gone Together Project“. Wie ist die Idee entstanden? 

Alexandra Morales: Während des zweiten Lockdowns hatte ich viel Zeit und da kam mir die Idee, eine Projektreihe mit den Unusual Symptoms Tänzer:innen umzusetzen. Ausgangspunkt ist immer ein bestimmtes Thema, das ich mit den einzelnen Ensemblemitgliedern verbinde. Die mittlerweile vier entstandenen Arbeiten werden im Rahmen des Festivals im noon Café gezeigt.

Was ist das erste entstandene Projekt und wie kam es zu der konkreten Idee?

Alexandra Morales: Das erste Projekt ist der Film Diana, 0752, den ich mit der Tänzerin Alexandra Llorens und der Künstlerin Luisa Eugeni umgesetzt habe. Der Film hinterfragt zwischen bizarren Bildern und einer traumähnlichen Atmosphäre die ambivalente Einstellung der Gesellschaft zu Sexarbeit und Prostitution. Alexandra und mir war schnell klar, dass wir ein Projekt zum Thema Körper umzusetzen wollen und wir tauschten uns ganz allgemein zu dem Thema aus. Ich bekam zeitgleich einen Anruf von dem Verein Nitribitt e.V., der für die Interessen von Sexarbeiter:innen eintritt und auf der Suche nach einer Übersetzerin war. So entstand die Idee zum ersten Film.

Der Film wird auch in Dauerschleife in der Hörbar im noon gezeigt, genau wie der zweite Film, der entstanden ist.

Alexandra Morales: Den zweiten Film habe ich gemeinsam mit dem Tänzer Andor Rusu und dem Künstler Lukas Zerbst umgesetzt. Mit Andor verbinde ich die Frage, wie es ist, als introvertierte Person in einer Welt von Extrovertierten zu leben. Der Film Quiet ist wie eine Reise in Andors Kopf.

Du hast neben den beiden Filmen auch noch andere Projekte verwirklicht …

Alexandra Morales: Das dritte Projekt ist gerade frisch aus dem Druck gekommen. Gemeinsam mit der Tänzerin Young-Won Song und der Künstlerin Myong-Hee Ki habe ich ein Fotobuch realisiert, in dem es um Sehnsucht und Fragen der Zugehörigkeit geht. Wir leben alle seit langer Zeit in einer Kultur, die wir eigentlich mittlerweile unser zuhause nennen würden. Allerdings fühlen wir uns nicht hundertprozentig zugehörig, nicht in Deutschland und auch nicht mehr in unserer eigentlichen „Heimat“. Das ist eher ein Gefühl, man kann es schwierig beschreiben. Myong-Hee Kis Arbeiten drücken für mich genau dieses Gefühl der Sehnsucht und Nostalgie aus. So entstand das Fotoprojekt „Drei – ?“, das auch im Rahmen von VIER TAGE TANZ zu sehen sein wird.

Im noon wird es auch eine Fotoausstellung geben, dein viertes Lockdown-Projekt?

Alexandra Morales: „Familiar Flash“ weicht ein bisschen von dem eigentlichen Schema ab. Ich hatte schon lange die Idee, unser Tanzensemble abseits der Bühne und ganz intim zu zeigen – eine Art Portrait über jede einzelne Person aus dem Team. Karl Rummel, der schon oft mit Unusual Symptoms auf der Bühne stand, hat das Projekt umgesetzt. Die Bildserie wird im Rahmen von VIER TAGE TANZ im noon ausgestellt. 

Worauf dürfen sich die Festival-Besucher:innen neben der Ausstellung noch freuen?

Alexandra Morales: Zu jeder der vier Tanzproduktionen wird es Physical Prologues, Einführungen und Publikumsgespräche geben. Der Tänzer und Performer Joris Camelin gibt außerdem einen zweitägigen Workshop Awareness in Movement and Voice. Die Teilnehmenden werden dabei den Atem und die Stimme als Motor von Bewegung erkunden. Am Samstag gibt es ein weiteres Filmscreening: Der Film From me to you von Unusual Symptoms Tänzer Aaron Samuel Davis und Christian Paul ist im vergangenen Jahr entstanden. Während VIER TAGE TANZ wird der Film das erste Mal ausgestrahlt und die beiden erweitern ihn in eine choreografische Installation, die im 360°-Programm der Kulturstiftung des Bundes gefördert wurde. Abends gibt es ein Konzert und Open Mic. 

Jetzt haben wir ganz viel über das Rahmenprogramm gesprochen, ohne über den Kern des Festivals zu sprechen: Die Tanzproduktionen …

Alexandra Morales: Es werden insgesamt vier Inszenierungen gezeigt. Den Start macht am Freitag Coexist von Adrienn Hód - Hodworks und Unusual Symptoms. Das Stück war unsere erste Zusammenarbeit mit Adrienn und wurde eingeladen zur TANZPLATTFORM DEUTSCHLAND 2020. Leider kam kurz darauf der erste Corona-Lockdown und die weiteren Vorstellungen mussten auf Eis gelegt werden.
Am Freitag kommt Coexist endlich wieder zurück – und das bereits in der zweiten Übersetzung! Das wird für uns wie ein Neuanfang und wir sind schon sehr aufgeregt!
Am Samstag zeigen wir das Gastspiel Spiritual Boyfriends von Núria Guiu Sagarra. Ich mag ihre Art zu inszenieren sehr: Sie ist Anthropologin und ihre Arbeiten sind immer eine Art Research, in der sie bestimmte Themen untersucht. Spiritual Boyfriends ist eine Auseinandersetzung mit neuen Technologien und enthält viele Elemente aus dem Yoga.
Auch in der ersten gemeinsamen Arbeit mit Núria am Theater Bremen, Futuralgia, erkennt man viele Elemente aus dem Yoga. Das Stück ist während der Pandemie entstanden und beschäftigt sich mit der Frage, wie das Internetzeitalter unseren Blick auf den Körper beeinflusst. Núria hat es bisher nur online sehen können, am Sonntag wird sie es das erste Mal vor Ort auf der Bühne sehen. 
Den Abschluss macht am Ostermontag unsere neueste Produktion Harmonia – eine schöne thematische Klammer, wie ich finde. Denn wir eröffnen das Festival mit einer von Adrienns Arbeiten und schließen es ebenfalls mit einer Arbeit von ihr. Nach Coexist wollten wir herausfinden was passiert, wenn die Körper auf der Bühne noch diverser sind und nicht der Norm entsprechen.

 

 

Veröffentlichung: 12.4.22