Allein und doch verbunden – wie geht ein digitales Theaterfestival?

Tipps von Theresa Schlesinger, Dramaturgin und Teil der Künstlerischen Leitung von OUTNOW!

Alles beginnt im Netz, online, an diesem nicht greifbaren Ort, wo wir als Körper plötzlich nicht mehr präsent sind, sondern unsere virtuelle Identität neue Welten eröffnet. Anwesenheit wird hier in Klicks und Streams gezählt, Austausch passiert über Chat und Videokonferenz. Mit einer unfassbaren Geschwindigkeit werden Daten hin und her geschickt, nicht greifbar, nicht zu fassen. Hier findet jetzt Theater statt.

Aber wie geht das überhaupt?

Eine Theateraufführung ist ein ganz besonderes Ereignis. Im Theater sind wir (normalerweise) nicht alleine. Mit uns befinden sich andere Zuschauende im Raum. Es ist die leibliche Ko-Präsenz von Akteur*in und Publikum, die die Aufführung erst zu dem macht, was sie ist. Im digitalen Raum aber existieren keine Körper. Wir sitzen vor unseren elektronischen Endgeräten und starren auf einen Bildschirm. Das, was sich da abspielt, geht auch ohne uns weiter. Wo bleibt da das Dazwischen? Wie funktioniert eine digitale Theateraufführung?

Eigentlich ist es gar nicht so schwer.

Allen voran steht die Erkenntnis: Es ist nicht dasselbe. Indem wir das akzeptieren, haben wir aber schon den ersten Schritt getan. Aber was ist es dann? Fangen wir von vorn an: Auch das Performing Arts Festival OUTNOW! findet dieses Jahr online statt. Weil wir nicht gemeinsam im Theater sein können, treffen wir uns virtuell. Weil wir nicht verzichten wollen auf die Möglichkeit unser großartiges Programm zu teilen, zeigen wir es online. Als Teil der Künstlerischen Leitung des Festivals kenne ich mich ganz gut aus mit diesem digitalen Format (behaupte ich jetzt einfach mal). Wir haben online gesichtet, virtuelle Jury-Sitzungen abgehalten, uns in google-docs gegenseitig ergänzt, in Zoom-Meetings stundenlange Planungstreffen abgehalten und natürlich in unzähligen Mails darüber ausgetauscht, wie die vier Tage Festival aussehen könnten. Diese gesammelten Weisheiten möchte ich nun weitergeben und an dieser Stelle ein paar Erkenntnisse teilen.

Wir haben also akzeptiert, dass der Gang ins Theater dieses Jahr für uns anders aussieht.

Das hält uns aber nicht davon ab, uns das Programm anzusehen. Was würden wir gern sehen? Ein Stück über das Angesehen werden? Ein Tanzabend, der sich mit traditionellen Comic-Held*innenidealen beschäftigt und sie einmal durchwirbelt? Ein musiktheatrales Solo über den Leierschwanz? Oder wollen wir vielleicht doch lieber selbst aktiv werden und in einem Workshop die beste Art sich zu entschuldigen lernen?

Das digitale Festivalerlebnis beginnt natürlich mit einem Blick in das digitale Programm. Auch auf Instagram wird übrigens schon vorab die virtuelle Bühne bespielt. Hier sammeln sich lauter kleine Trailer, die Lust machen (sollen) auf die eingeladenen Arbeiten. Das ist vielleicht nicht ganz so neu, hilft aber beim Einstimmen auf das virtuelle Theatererlebnis. Auch Instagram ist schließlich eine Bühne. Sehen wir es als Einführung, als Auftakt.

Am ersten Abend selbst sind wir schließlich wirklich gefordert.

Wir müssen Einlass neu denken, Foyer neu denken, Publikum neu denken, Zuschauen neu denken. Wie verwandelt sich der eigene Bildschirm am besten in ein vollwertiges Theatererlebnis? Zuerst sehen wir einmal, was alles blöd ist an diesem digitalen Theater-schauen: das eigene Spiegelbild auf dem Bildschirm. Die Staubkörner auf ebendiesem Bildschirm, die plötzlich auf der Stirn der Darsteller*innen kleben. Die unstete Internetverbindung, die an der spannendsten Stelle des Stücks natürlich beschließt sich einmal aufzuhängen. Das E-Mailprogramm, das sich mehrmals meldet, während wir doch eigentlich gerade im Theater sitzen. Das fehlende Publikum neben, vor und hinter uns. Alles fühlt sich irgendwie austauschbar an. Aber das stimmt so nicht. Der Bildschirm flimmert, darauf bewegen sich Körper, es erscheint buntes Licht, aus den Boxen des Computers ertönen Stimmen, Sounds.

Auch das digitale Erlebnis ist einmalig.

Nur hier und jetzt sitzen wir hier vor und hinter den Bildschirmen. Online sind wir verbunden, auch wenn wir alleine zu Hause sind. Online teilen wir einen Raum, der vielleicht keine Wände hat, keine Decke und keinen Boden. Wir sind sichtbar, auch ohne Körper. Denn wer nicht da ist, fehlt. Wenn wir uns darauf einlassen, werden wir vielleicht für einen Moment, eine Stunde, ein paar Minuten in fremde Welten mitgenommen. Wir hören hin, schalten all unsere anderen Geräte um uns herum aus und konzentrieren uns auf den Bildschirm: wir und der Stream. Im besten Fall werden wir unterhalten, hält die Welt draußen vielleicht kurz an, erfahren wir etwas über die Erzählungen, Wünsche und Ausdrücke junger Nachwuchskünstler*innen.

Was auch toll ist: Wir können uns von überall zuschalten!

Keine lange Reise mehr, kein Gang durch den Regen, einfach Computer an und los. Spätestens in den Publikumsgesprächen, die über das Videokonferenztool Zoom abgehalten werden, treten wir schließlich selbst in Erscheinung. Einfach einwählen und mitsprechen, zuhören, Bild an oder nicht, dort treffen wir uns.

Digitale Nähe ist trügerisch, weil man sie so schlecht greifen oder sehen kann. Aber wir sind da. Hinter unseren Bildschirmen schauen wir gemeinsam. Machen wir das Beste draus!

 

Das Foto ist aus der Performance "I wish I was a .jpeg" von Luise März.
Diese ist im Rahmen von OUTNOW! am Samstag, den 22.5. um 16:30 Uhr zu sehen.
©Christopher Dippert