Probenstart zu Corona-Zeit
Nach Pfingsten starten die Schauspielproben wieder: Betriebsarzt Enno Liebenthron über Empfehlungen für Abstand, Quadratmeterzahlen und die schöne Muse. Das Gespräch führte Diana König.
Die Proben für die einzelnen Teams beginnen jeweils mit einer Sicherheitsunterweisung. Am Donnerstag, beim Probenstart zum neuen Fritz Kater Stück düsterer spatz am meer / hybrid (america) unter der Regie von Armin Petras machen Sie die. Eine halbe Stunde ist dafür auf dem Probenplan vorgesehen, können Sie mir die wichtigsten Punkte zusammenfassen?
Enno Liebenthron: Die gleichen Standards, die in unserem Alltag gelten, sollen auch im Theater umgesetzt werden. Das heißt konkret, alle Mitwirkenden müssen mindestens 1,5 Meter Abstand bzw. die für die einzelnen Sparten festgelegten Abstände halten – Tanz, Singen, exzessiv sprechen: da heißt es einen Abstand von 6 Metern einhalten. Das kann durch geeignete technische Schutzmaßnahmen reduziert werden, beispielsweise durch Schutzscheiben. Wichtig ist, dass Mund-Nasen-Bedeckungen keine Alternative zu technischen oder organisatorischen Schutzmaßnahmen darstellen. Dann gibt es auch eine Mindestgröße der Räume: pro Person sollen mindestens 20 Quadratmeter Grundfläche zur Verfügung stehen. Personen, die nicht unmittelbar proben, benötigen nur 10 Quadratmeter Grundfläche, wenn sie durch Schutzscheiben abgetrennt sind, das sind dann in diesem Fall zum Beispiel der Regisseur und die Regieassistentin. Personen, die nicht unmittelbar am Probengeschehen beteiligt sind, die Proben aber verfolgen müssen, sollten das per Videoschalte in separaten Räumen tun. Wenn die Witterung es erlaubt, sollte im Freien geprobt werden.
Woher kommen diese Empfehlungen, Sie erarbeiten die ja nicht selbst, oder?
Enno Liebenthron: Nein, meine Aufgabe als Betriebsarzt ist es, die Empfehlungen zu überblicken und zu kommunizieren. Es gibt inzwischen eine 88 Seiten lange Auflistung mit sogenannten Handlungshilfen für die unterschiedlichen Branchen, die von Berufsgesellschaften und -genossenschaften herausgegeben wurde. Maßgeblich für das Theater sind die Empfehlungen der Verwaltungs-BG, die angelehnt sind an den Arbeitsschutzstandard vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales, Stand April 2020. Deren Ziel ist es, die Infektionsgefährdung soweit es irgend geht zu reduzieren, dabei geht man davon aus, dass jede Person potentiell andere infizieren kann.
So richtig glücklich wirken Sie nicht …
Enno Liebenthron: Ja, das liegt zum einen daran, dass ich die Erwartung sehe, dass unterschiedliche Gewerke, aber auch Einzelpersonen, feste Vorstellungen davon haben, wie gearbeitet werden kann, dass ich also in der Lage bin, ganz genau zu sagen, wie etwas empfohlen ist und dann auch funktioniert. Diesen festen Rahmen werde ich so nicht bieten können. Kreative Lösungen im Rahmen der geltenden, allgemein bekannten Regeln sind gefragt. Zum anderen sind die Empfehlungen schlussendlich ja auch nach unterschiedlichen Erwägungen entwickelt worden, die mit der Praxis möglicherweise nur bedingt vereinbar sind. Zu schauen, dass die Probenbedingungen dann tatsächlich gut für alle Beteiligten sind, liegt in der Verantwortung des Theaters.
Haben Sie denn noch einen persönlichen Ratschlag, ein Herzensanliegen?
Enno Liebenthron: Was ich wichtig finde, ist, erstens, dass jeder, der sich in irgendeiner Form krank fühlt, definitiv sagt: „ich bleibe zuhause“, und wir dann hoffentlich davon ausgehen können, dass unser Gegenüber in dem Moment, in dem wir kommunizieren, ein gesunder Mensch ist und kein Biostoff, vor dem wir alle Angst haben müssen. Ein Herzensanliegen… dass es baldmöglichst wieder normal weitergeht und ich Guido Gallmann, meinen männlichen Lieblingsschauspieler in Bremen, nicht nur äußerst charmant Ronja Räubertochter vorlesen hören, sondern ihn wieder wie zuletzt in Hauptrollen sehen kann.
Sie kommen also auch gucken – Sie beraten nicht nur hinter den Kulissen?
Enno Liebenthron: Ja, ja, das Theater war das Bonbon, mit dem mein Chef mich damals überzeugt hat, im Betriebsarztzentrum anzufangen. Ich bin seit Pierwoß‘ Zeiten regelmäßig im Publikum als Theaterarzt und auch sonst.
Wie wird man denn eigentlich Betriebsarzt?
Enno Liebenthron: Man muss einige Zeit im Krankenhaus gearbeitet haben, mindestens zwei Jahre in der Inneren Medizin, dann absolviert man eine 2−3-jährige Weiterbildungszeit in einem Unternehmen, in dem man diese Bezeichnung erwerben kann. Ich arbeite mittlerweile im Betriebsarztzentrum Bremen und führe fast ausschließlich betriebsärztliche Tätigkeiten durch, da bin ich für eine ganze Reihe von Betrieben tätig, das geht von Elektronik über Produktion von KFZ-Zulieferteilen bis zur schönen Muse.
Was genau sind da Ihre Aufgaben?
Enno Liebenthron: Den Arbeitgeber und die Beschäftigten an der Schnittstelle Arbeit und Gesundheit zu beraten und auf die Arbeitsbedingungen zu achten. Manchmal erfordern persönliche Beeinträchtigungen besondere Bedingungen am Arbeitsplatz, da kann man dann Formen finden, in denen die Person arbeiten kann. Ich stelle aber auch Anträge auf Rehamaßnahmen. Ich habe aber niemanden etwas zu sagen und bin auch niemandem weisungsbefugt, meine Tätigkeit ist rein beratend.
Vielen Dank!