Sein Theater reichte in die Welt hinein
Regisseurin Tatjana Gürbaca zum Tod von Michael Börgerding.
Als ich am Telefon von Michaels Ableben hörte, war das ein Schock. Ich bin immer noch erschüttert und unendlich traurig und kann mir nicht vorstellen, ihn nicht noch einmal zu sehen. Auch wenn wir nicht in permanentem Austausch standen, war er irgendwie doch immer da. Eine der verlässlichen Positionen in der gar nicht so großen Theaterwelt. Und wenn man sich wieder traf oder sich über ein neues Projekt besprach, dann war es immer, als wäre der Dialog nie unterbrochen worden, man konnte sich sehr einfach über alles austauschen.
Viele der Gespräche mit Michael gehen mir immer noch nach, waren anregend und bereichernd und berührten Dinge, die weit über das Theater hinausreichen, weil sein Theater immer in die Welt hineinreichte. Michael war so ein wacher, kluger, denkender Mensch, vielseitig interessiert und gebildet, warmherzig und verschmitzt und jemand mit einer großen Liebe zur Literatur. Von keinem anderen Intendanten habe ich je so schöne Leselisten – manchmal sogar als SMS – bekommen und manches der von ihm empfohlenen Bücher hat mich in die Ferien begleitet und war dann wie ein Dialog, den man miteinander führt.
Dieses gemeinsame Denken und Nachdenken hat, wie mir scheint, auch das Theater Bremen und sein Ensemble geprägt. Unter Michaels Leitung war das Theater ein Ort, an dem man mit wunderbaren, vielseitigen und freien Persönlichkeiten gemeinsam träumen, experimentieren, spielen, schlafwandeln und fliegen durfte. An dem man immer das Gefühl hatte, als Familienmitglied zurückzukehren und selbstverständlich Teil von etwas Größerem zu sein. Weil man sich in einem angstfreien Raum bewegen konnte, waren Dinge möglich, die an einem anderen Ort vielleicht nicht passiert wären. Wir durften als Menschen verletzlich, berührbar und fehlerhaft sein, und das eröffnete gleichzeitig die Möglichkeit, Dinge zu wagen, aneinander zu wachsen und ein Theater zu machen, dass uns ermutigt, frei zu sein, menschlich zu sein, die Welt anders zu denken.
Michael wird unendlich fehlen, als Intendant und als Mensch, der durch seinen Blick und seine Art seine Umgebung geprägt und zum Guten verändert hat. Meine Gedanken und mein tiefes Mitgefühl gelten seiner Frau, seiner Familie, seinen Freunden, den Mitgliedern des Theaters.
Danke Michael, für alles, was Du uns ermöglicht und mit auf den Weg gegeben hast. Danke für die gute Zeit!
Veröffentlicht am 21. Januar 2025