Tanzend zwischen Bremen und Hannover

Gefördert von TANZPAKT Stadt-Land-Bund haben die Choreografen Felix Landerer und Helge Letonja 2019 das Projekt TanzRAUM Nord initiiert, um neue Impulse und Dynamiken für die Stärkung der freien Tanzszene zwischen Bremen und Hannover zu erzeugen. Das Kernstück hierfür bildet das 10-köpfige Ensemble Of Curious Nature, das mit der neuen Doppelproduktion im Oktober im Theater Bremen Premiere feiert. Diana König hat die beiden getroffen.

Mit „Adrift/The Resonance“ stehen erstmals zwei Arbeiten von euch an einem Abend auf der Bühne. Ihr arbeitet in TanzRAUM Nord jetzt seit zwei Jahren zusammen, die Förderung läuft noch diese Spielzeit. Ist dieser Abend so etwas wie ein künstlerisches Ergebnis eurer strukturellen Zusammenarbeit? Wenn ja, worin liegt die?

Helge Letonja: Ich glaube nicht, dass dieser Abend das Ergebnis unserer Zusammenarbeit ist. Aber es treffen unsere beiden Sprachen im Ensemble aufeinander und haben so eine Wechselwirkung auf das andere Stück, das ist das Interessante daran. Es zeigt den Facettenreichtum der Arbeit von Of Curious Nature  und wie die Compagnie zusammengewachsen ist.

Felix Landerer: Es war vielleicht ursprünglich mal als Abschlussarbeit geplant, aber das konnte man so durch Corona gar nicht herstellen. Es fühlt sich eher an wie die erste Produktion, die die Compagnie zusammenführt, und zwar in all der Komplexität, die Tänzer:innen und die Leiter.

Ihr habt an unterschiedlichen Orten mit unterschiedlichen Menschen geprobt?

Helge Letonja: Wir mussten uns durch die Pandemie auf zwei Orte aufteilen, auf Hannover und auf Bremen. Seitdem die Corona-Verordnungen im März diesen Jahres gelockert wurden, konnten wir wieder zusammenarbeiten.

Felix Landerer: Es ist ja jetzt überhaupt erst wieder möglich, Ensemblestücke zu machen, die nicht unter Abstandsregeln entwickelt werden müssen, wieder frei arbeiten zu können und mit einer größeren Gruppe. Deswegen fühlt es sich eher wie ein Anfang als ein Ende an.

Wie hat sich eure Arbeit durch das zwischen Hannover und Bremen pendelnde Ensemble verändert? Welche Impulse hat es gesetzt?

Helge Letonja: Diese Einschränkungen waren für alle sehr schwierig. Ensemblearbeit ist ja ein Miteinander, ein Aufeinander zugehen und das war lange Zeit nicht möglich. Wir haben sehr tolle Leute, sehr offene Menschen. Aber ein Ensemble ist auch eine Familie und die braucht Zeit zum Wachsen. Die hatten wir jetzt in der Vorbereitung für diesen Doppelabend wieder. Daraus entsteht eine große Kraft.

Ihr betont beide die Pause, unter der ihr gelitten habt, und das Gefühl, dass das jetzt eigentlich mehr ein Anfang ist. Die Förderung von TanzRAUM Nord läuft nach dieser Spielzeit jedoch aus. Was habt ihr bisher erreicht von den Zielsetzungen und was fehlt euch?

Felix Landerer: Der Ursprungsgedanke, dass wir ein Ensemble bilden wollen und kontinuierlich arbeiten, den haben wir erreicht. Ich war mit den künstlerischen Produkten sehr zufrieden. Auch wenn wir noch nicht wissen, wie es weitergeht, ist es trotzdem eine spannende und lohnende Erfahrung so ein Ensemble zu führen. 

Helge Letonja: Uns ging es darum, ein Ensemble zu schaffen, in dem die Tänzer:innen sozialversicherungspflichtig beschäftigt sind, ihnen eine Kontinuität und Absicherung zu bieten. Das erreicht zu haben, ist eine große Bereicherung für den gesamten nordwestdeutschen Raum, das findet man sehr selten im ganzen Bundesgebiet. Und die neuen Förderanträge liegen vor.

Glaubt ihr, dass TanzRAUM Nord die Situation für Tanzschaffende insgesamt positiv erweitert hat und habt ihr ganz konkrete Vorstellungen, wie sich das Modellprojekt zu den zukünftigen Räumen und Möglichkeiten von Künstler:innen verhält, die nicht unbedingt unmittelbar mit Of Curious Nature verbunden sind?

Helge Letonja: Viele Ensembles kämpfen für so eine Förderung. Eine Schwierigkeit dabei ist, dass häufig lieber Strukturen gefördert werden, als Menschen.  Aber da kann sehr viel in der Zukunft passieren. Ich würde schon sagen, dass es eine neue Offenheit gibt, über solche Förderungen in der freien Szene nachzudenken. Dieses Compagnie-Modell ist auf jeden Fall ein Anstoß, in diese Richtung zu denken.

Felix Landerer: Ich würde gern noch einen anderen Aspekt nennen, nämlich die Unterschiedlichkeit zu einem Theater-Ensemble: das ist eine gewisse Freiheit. Es gibt so mehr Raum für Entwicklung, wir haben mehr Zeit für die Proben, weniger Spielverpflichtungen, wir müssen nicht in einer bestimmten Anzahl von Wochen mit etwas fertig sein, die Deadlines sind nicht so eng gestrickt wie im Stadt- oder Staatstheater.

Helge Letonja: Mit einem kontinuierlichen Ensemble kann man natürlich auch ganz andere Verpflichtungen eingehen, langfristiger planen und viel mehr Gastspiele realisieren. Das geht in der freien Szene nicht so leicht, weil nach dem Projekt oft alle andere Engagements haben.

Hat TanzRAUM Nord die freie Szene zwischen Bremen und Hannover näher zusammengebracht?

Felix Landerer: Ehrlich gesagt war durch Corona wenig möglich. Im Kleinen haben wir da schon etwas erreicht, aber nicht in dem Umfang, in dem wir uns das vorgestellt haben. Wir hatten Residenzprogramme mit freien Künstler:innen aus dem Raum Hannover geplant und das war jetzt alles kleiner als gedacht.

Helge Letonja: Man muss aber auch die Impulse sehen, die entstanden sind, gerade im Sommer erst bei Dancing in the Streets und dazu gibt es ja viele Vernetzungsaktivitäten, die gar nicht über die Compagnie gehen, sondern auf Ebene der Künstler:innen passieren. Ich glaube, da können wir noch einiges erwarten, auch wenn das jetzt noch nicht so sichtbar ist.

Die Förderung läuft nach dieser Spielzeit aus. Wie wird es weitergehen?

Helge Letonja: Das können wir im Moment noch nicht sagen, aber es wird weitergehen – für mich war es immer ein Ziel, eine stabile Compagnie zu etablieren. Wir haben Anträge gestellt und warten jetzt. Ich bin nicht in diese Arbeit reingegangen mit dem Gedanken, dass mit Auslaufen der Förderung das Projekt endet. Wir haben uns ein Repertoire von 13 Stücken erarbeitet, wir wollen auf jeden Fall weitermachen.

Felix Landerer: Mit einem festen Ensemble ist ein enormer finanzieller Aufwand verbunden. Und da muss man schon darauf achten, dass die Förderung eine Höhe hat, die garantiert, dass man nicht immerzu mit neuen Förderanträgen beschäftigt ist oder das Ensemble nur kurz oder verkleinert weitergeführt werden kann. Wir blicken gespannt in die Zukunft.

Das Ensemble Of Curious Nature, TanzRAUM Nord, wird gefördert von TANZPAKT Stadt-Land-Bund aus Mitteln der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien, Niedersächsisches Ministerium für Wissenschaft und Kultur, Kulturbüro der Landeshauptstadt Hannover, Senator für Kultur Bremen, Theater Bremen, Stiftung Niedersachsen, Karin und Uwe Hollweg Stiftung.

 

 

Veröffentlichung:  28.09.21