THEATER BREMEN SOMMERTIPPS
Das Theater Bremen ist in der Spielzeitpause: hier ein paar Tipps für den Sommer ohne Theater!
Erst vor kurzem habe ich die Flussinsel Harriersand kennengelernt. Ein Ausflug dorthin ist herrlich. Besonders gemütlich, wenn man Fahrradfahren und Zugverkehr unangestrengt kombiniert. Mit dem Zug nach Brake, Fischbrötchen am Fähranleger – eins auf die Hand und eins in die Tüte – und dann rüber. Auf der Halbinsel radelt man immer nach Norden. Sandstrand mit Blick auf Industrieanlagen. Toll. Kind und Buch sollte man unbedingt mitnehmen. Während der Nachwuchs Freddie oder die Bändigung des Bösen von Anke Stelling liest, ein wunderbares Buch über Freundschaft für alle ab 10, verschlingt man selbst – nein, noch nicht das zweite Fischbrötchen – sondern Schäfchen im Trockenen derselben Autorin und freut sich darauf, das damit die Spielzeit 20/21 im Kleinen Haus eröffnet wird.
Zurück geht´s mit Rückenwind über die grüne Insel und während man in Farge auf den Zug nach Hause wartet, kann man endlich noch ein Fischbrötchen verdrücken.
Simone Sterr, Leitende Dramaturgin Schauspiel
1999 legte Klaus Theweleit den ersten Band von geplanten und skizzierten vier Bänden seiner Untersuchung der Ordnungs- und Gewaltgeschichte der westlichen Zivilisation vor. Band 1 Pocahontas in Wonderland. Skakespeare on Tour erzählte die Geschichte der historischen Pocahontas als „Urmutter aller Amerikaner“, untersuchte Shakespeares Sturm als Amerika-Stück und lieferte dazu „eine Bildergeschichte ‚des Indianischen‘ von 1600 bis jetzt“. Band 4 you give me fever erschien im gleichen Jahr und widmete sich Arno Schmidts Seelandschaft mit Pocahontas. Ein Buch über das Schreiben, über Sexualität im deutschen Nachkrieg und zugleich eine ausgedehnte Kanufahrt – Tour de Dümmer – durch Schmidts literarische Geographien.
14 Jahre später – 2013 – erschien der 2. Band: Buch der Königstöchter. Von Göttermännern und Menschenfrauen. Es ging um Medea und andere Königstöchter, die griechische Antike, Mythenbildung und Kolonialismus, Landnahmen und Männerphantasien. Die Landnahme der Einwanderer geschieht über den Körper der Königstöchter, deren Schicksal es ist, sich mit „dem Kolonisator“ verbinden zu müssen, von Medea über Europa zu Leda und Alkmene, weiter zu Malinche und Pocahontas. # MeToo bezeichnet so den Anfang der griechischen Kultur.
Jetzt ist endlich nach weiteren sieben Jahren der vierte Band des Pocahontas-Komplexes erschienen. Warum Cortés wirklich siegte. Eine Technologiegeschichte der eurasisch-amerikanischen Kolonialismen. Ich freue mich sehr drauf. Seit fast vierzig Jahren, seit seinen Männerphantasien, begleiten Theweleits Bücher mein Denken und Fühlen. Und für alle, die die drei ersten Bände nicht kennen: Matthes & Seitz hat auch sie wieder aufgelegt. Genau wie die Männerphantasien.
Michael Börgerding, Intendant
Irgendwann wandern (Österreich?), bestimmt schwimmen (Rhein in Basel und Vierwaldstättersee!), Töchter treffen (Berlin oder Bremen). Aber alles offen, örtlich wie zeitlich unbestimmt. Doch ein Termin steht felsenfest: 15. August 2020, Scuderie del Quirinale, Roma, Raffael-Ausstellung.
Und auf der Hinreise vielleicht ein Besuch in Urbino, dem Geburtsort des Malers? Wieder im ehemaligen Kloster wohnen, von oben auf den Hauptplatz schauen, unter sich in der Nacht einen virtuosen Cellospieler hören. Und am Morgen in den gegenüberliegenden Palazzo Ducale gehen, den Federico da Montefeltro, martialischer Feldherr und Förderer der Kunst in Personalunion, sich Mitte des 15. Jahrhunderts hat erbauen lassen. Hier hängt eines der rätselhaftesten Werke der Bildenden Kunst, das man immer wieder sehen kann: Piero de la Francescas Geißelung. Ansonsten natürlich: endlich richtig lesen. Lange Romane. Und das vorgenommene Pensum dann doch nicht bewältigen. Doch für diesen bedauernswerten Umstand gibt es einen genialischen Literaturtipp, den man vielleicht vorziehen sollte. Pierre Baynard, französischer Schriftsteller und Psychoanalytiker, hat schon vor Jahren ein hinreißend amüsant kluges Buch geschrieben: Wie man über Bücher spricht, die man nicht gelesen hat.
Brigitte Heusinger, Leitende Dramaturgin Musiktheater
Mein heißer Sommertipp ist Bootfahren. Muss nicht mit dem „knallroten Gummiboot“ von Wencke Myrhe sein. Aber Paddeln ist eine fröhliche Freizeitaktivität, bei der man vorankommt und doch sicher in seiner eigenen Corona-Bubble bleibt; man sich bewegt und doch auch entspannt; man Hitze und Kühle ideal verbinden kann und gute Gespräche führen oder meditativ dem Wasserplätschern lauschen. Ich habe die letzten Jahre in Gent gelebt, einer belgischen Stadt mit viel Wasser und schönen Kanälen, und war erstaunt, was für ein neuer, anderer Blick sich vom Wasser aus nochmal auf alles eröffnet. Und in der freien Natur ist paddeln dann nochmal ganz anders schön … Bin gespannt, was Bremen und das Umland in dieser Hinsicht zu bieten haben.
Stefan Bläske, Leitender Dramaturg im Schauspiel ab der Spielzeit 20/21
Meine Spielzeitpause beginnt immer mit einem langen Besuch im Buchladen, bei dem ich so viel Lesestoff zusammensuche, dass er für die ganze Zeit reicht. Normalerweise lese ich im Sommer die Romane, die wir in der kommenden Spielzeit auf die Bühne bringen. Doch Schäfchen im Trockenen und Moby-Dick kenne ich schon, Ronja Räubertochter auch. Damit ist die Situation ungewohnt offen: Ich kann lesen was ich möchte. Auf der Suche nach Buchtipps schleudern mir momentan alle das gleiche entgegen: „Lies doch die neue Hegel-Biografie, das muss dich als Philosophin doch interessieren.“ Und langsam überlege ich, ob ich einen Klaus-Vieweg-Sommer mache, denn schließlich ist der Jenaer Philosophieprofessor als Hegel-Forscher nicht nur der Autor dieser vielbesprochenen Biografie, sondern er schreibt zu dem auch noch Detektivromane. Dann könnte ich mit Hegel. Der Philosoph der Freiheit und Mr. Spock und der malerische Doppelmord zu Königsleben vom gleichen Autor in der Sonne sitzen …
Diana König, Leitung Presse
Zu einem gelungenen Sommer gehört auf jeden Fall eine Zeit an der Nordsee. Dieses Jahr nicht Norwegen, dafür Norden. Anschließend das Fahrrad für lange Touren fit machen und hoffentlich schöne Sommertage radelnd verbringen. Endlich Zeit wichtige Bücher zu lesen, wie zum Beispiel das neue Buch von Katharina Nocun und Pia Lamberty: Fake Facts: Wie Verschwörungstheorien unser Denken bestimmen. Und nach dem großartigen Roman Americanah von Chimamanda Ngozi Adichie werde ich unbedingt einen weiteren Roman von ihr lesen: Die Hälfte der Sonne.
Rebecca Hohmann, Leitung Junges Theater Bremen
Mein Lieblingsausflug bei Fernweh: „Die komplette Palette“ – die Hemelinger Karibik, wie sie auch liebevoll genannt wird, ist ein superschöner Ort an der Weser; Kulturprojekt, Bar und Mini-Strand in einem, eine skurrile Sammlung von Booten zum Verleih, sagenhafte Sonnenuntergänge und Urlaubsgefühle for free. Außerdem zu empfehlen: Mein absoluter Lieblings-Sommer-Drink: „Die Libelle“. Jeweils 2cl Gin, Aperol, Holunderblütensirup und Zitronensaft in einem Shaker mit viel Eis kräftig mixen. (Wenn man keinen Shaker hat, kann man die Zutaten auch im Glas verrühren, aber glaubt mir, geschüttelt schmeckt er besser als gerührt!)
Nathalie Forstman, Leitung Junge Akteur*innen
Seit Kindheitstagen unverzichtbarer Bestandteil jedes Sommerurlaubs: Kniffel. Nimmt kaum Platz weg im Reisegepäck, lässt sich schon zu zweit prima spielen und besticht mit narrativem Tiefgang bei denkbar einfachen Spielregeln. Fünf Würfel und ein lederner Würfelbecher, bestenfalls seit Generationen im Familienbesitz, dazu ein Stapel Punktezettel, die man zur Not auch selbst erstellen kann, mehr braucht es nicht. Beim Kniffel ergeben Glücksspiel und strategisches Können eine äußerst dankbare Kombination, denn während bei Siegen wiederholt die eigene Spielanlage gerühmt wird, lassen sich Niederlagen bequem auf nicht enden wollendes Würfelpech schieben. Kenner*innen spielen die letzte Runde stets streng von oben nach unten und erzählen immer wieder gern, dabei vor Jahren auch schon mal den Bonus im oberen Punkteblock erzielt zu haben. Zum Spiel, das man am Besten nach dem Abendessen beginnt, passen Dosenbier und lokale Schnapsspezialitäten, die immer dann zum Einsatz kommen, wenn jemand einen Kniffel, also fünf gleiche Zahlen gewürfelt hat. Also in der Regel mindestens ein halbes Dutzend Mal pro Spiel. Sollten Ihre Mitspieler*innen vehement behaupten, sich die wiederholt unterdurchschnittlichen Ergebnisse des aktuellen Urlaubs wirklich nicht erklären zu können, sie hätten ja früher fast ausschließlich 300er Runden gespielt, ist das übrigens absolut glaubwürdig. Mir geht es nämlich genauso.
Gregor Runge, Künstlerische Leitung Tanz
„… when i talk about being success being collective and not individual, requiring a community’s response, I mean that we need to observe the ripple of impact your performance has on the people and environments you move within. We need to see how your performance matter to us…” (From: Albert- László Barabási: The Formula. The universal Laws of success. The science behind why people succeed or fail)
Alexandra Morales, Künstlerische Leitung Tanz