Thunberg, Wijsen, Mai und du?
Im Moks-Stück Und alles geht es um das alltägliche Ohnmachtsgefühl angesichts der Nachrichtenlage. Wie Kinder und Jugendliche den Krisen trotzen, beschreibt Rebecca Hohmann, Künstlerische Leitung des Jungen Theaters und Dramaturgin der Produktion.
Die gute Nachricht ist, dass laut einer repräsentativen Umfrage des Liz Mohn Center der Bertelsmann Stiftung die Mehrheit der jungen Menschen zwischen 12 und 18 Jahren im Jahr 2023 optimistischer in die Zukunft blickt als noch im Jahr 2022, und dass immer mehr Kinder und Jugendliche bereit sind, sich für die Gesellschaft zu engagieren.
Das mag zunächst verwundern, da die Nachrichtenlage uns jeden Tag vor Augen führt, dass wir gefühlt in einem Dauerkrisenmodus leben.
So ergeht es auch dem 12jährigen Ehsan in dem Stück Und alles (Tout ca tout ca) von Gwendoline Soublin. Ehsan liebt Fernsehen – vor allem die Kurznachrichten. Doch die andauernde Berichterstattung über Kriege, Umweltverschmutzung und dekadente Präsidenten setzt ihm ganz schön zu und er beschließt eine Pause zu machen und weg zu gehen. Allein die Klimakrise stellt die Menschheit vor gewaltige Herausforderungen. Die wissenschaftlichen Erkenntnisse sind erdrückend: steigende Temperaturen, schmelzende Gletscher, steigende Meeresspiegel und häufigere extreme Wetterereignisse bedrohen unseren Planeten und unsere Zukunft.
Obwohl Kinder und Jugendliche am wenigsten für den Klimawandel verantwortlich sind, sind sie schon jetzt am stärksten von den Folgen der Klimakrise betroffen.
Die Aussicht, dass die Lebensbedingungen in der Zukunft nicht mehr so sein werden, wie wir sie jetzt vorfinden, ist bedrohlich. Expertinnen und Experten bestätigen: Die Klimakrise belastet viele Kinder und Jugendliche psychisch stark. Mit Blick auf die Zukunft hätten sie Angst, seien wütend oder verzweifelt: Wie wird die Welt in 10 oder 20 Jahren aussehen? Hat es noch Sinn, Kinder zu bekommen? Und: Wieso tut die Politik nichts? Um nicht in der Angst zu erstarren und nur ohnmächtig zuzuschauen, sind weltweit Kinder und Jugendliche mit erstaunlichem Ausmaß aktiv und engagieren sich für Umwelt- und Klimaschutz.
Die prominenteste Vertreterin ist sicherlich Greta Thunberg, die 2018 im Alter von 15 Jahren mit ihrem Schulstreik fürs Klima begonnen hat und damit die weltweite Bewegung „Fridays for Future“ begründet hat.
Auch andere Kinder beeindrucken mit weitreichenden Initiativen, von denen hier einige erwähnt seien. Die Schwestern Isabel und Melati Wijsen aus Bali gründeten 2013 „Bye Bye Plastic Bags“, eine Bewegung, die sich gegen Plastikverschmutzung auf ihrer Insel aber auch weltweit einsetzt. Sie begannen ihre Kampagne im Alter von 10 und 12 Jahren. Die kanadische Anishinaabe-Indigene Autumn Peltier begann bereits im Alter von acht Jahren, sich für den Schutz des Wassers einzusetzen. Sie hat vor den Vereinten Nationen gesprochen und ist eine bekannte Aktivistin für sauberes Wasser. Im Jahr 2022 setzte sich der neunjährige Lenny Kraut in der hessischen Stadt Karben für ein Aufforstungsprojekt in seiner Heimatstadt ein, nachdem er im Urlaub auf Kreta von der vertrockneten Natur geschockt war. 26.000 Quadratkilometer sind nun in Absprache mit dem Bürgermeister eingeplant, um den Wald zu erweitern.
Während dieser Artikel entsteht, bringt Jonte Mai aus Bremen einen von ihm umgestalteten Kaugummiautomaten ins Foyer des Jungen Theater Bremen, der in den nächsten Tagen vor dem Brauhaus angebracht wird.
Darin hat er im Herbst Frühblüher-Blumenzwiebeln deponiert, die man sich für 50 Cent aus dem Automaten ziehen kann. Im Frühjahr findet sich darin insektenfreundliches Saatgutkonfetti. Seitdem er sieben Jahre ist setzt er sich für den Insektenschutz ein. Mit der Idee „Naturschutz to go“ ermöglicht er es anderen, im Handumdrehen etwas für die Artenvielfalt zu tun. Dafür wurde er bereits mehrfach bundesweit ausgezeichnet, u. a. gewann er im Alter von 13 Jahren den #beebetter-Award 2020 in der Kategorie „Private Initiativen“ oder 2021 den Hauptpreis des BundesUmweltWettbewerb. Seine Automaten finden sich mittlerweile in vielen Städten Deutschlands und Europas.
Sein Antrieb: Ich möchte Menschen motivieren, Bewusstsein schaffen und zeigen, dass schon im Kleinen Großes bewirkt werden kann.
Und so endet auch die Geschichte von Ehsan im Stück Und alles damit, dass er aktiv wird und handelt. Dass er mit seinem Tun die Welt ein Stück besser macht. Er inspiriert damit die anderen Figuren des Stücks und vielleicht ja auch, wer weiß, den einen oder die andere Zuschauer:in.
Veröffentlicht am 22. September 2023