Viel mehr als eine Punk-Band

Das feministische und kremlkritische Künstler:innenkollektiv Pussy Riot wurde zum Symbol des Widerstands gegen Russlands Präsident Putin. Am 3. September kommen sie im Rahmen ihrer „Riot Days“-Europa-Tour auch ins Theater am Goetheplatz.

Die Bilder aus der Moskauer Christ-Erlöser-Kathedrale gingen um die Welt: mit bunten Motorradhauben vermummt, stürmte das 2011 gegründete Künstler:innenkollektiv Pussy Riot vor zehn Jahren die berühmte Kathedrale in Moskau. Ihr „Punk-Gebet“ am Altar, eine illegale Protestaktion gegen den russischen Staat und die ultraorthodoxe Kirche, in dem Sätze wie „Mutter Gottes, Jungfrau, verjage Putin!“ fielen, wurde nach nur 41 Sekunden aufgelöst – und das Kollektiv weltweit bekannt. Es folgte die Festnahme der Mitglieder Marija Aljochina, Nadeschda Tolokonnikowa und Jekaterina Samuzewitsch, Untersuchungshaft, ein umstrittener Gerichtsprozess, ein Schuldspruch wegen „Rowdytums aus religiösem Hass“ sowie eine Verurteilung zu zwei Jahren Straflager.

Auch zehn Jahre nach der legendären Protestaktion in Moskau wird der Protest von Pussy Riot nicht leiser.

Inzwischen gehört das Kollektiv neben Alexej Nawalny und Garri Kasparow zu den wohl bekanntesten Gegner:innen des russischen Präsidenten Wladimir Putin. Den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine verurteilten Pussy Riot aufs Schärfste und sorgten mit einer spontanen Unterstützungsaktion für ukrainische Hilfsorganisationen im Februar erneut für weltweite Aufmerksamkeit: Unter dem Stichwort UkraineDAO (Abkürzung für eine „Dezentrale Autonome Organisation“) verkaufte das Künstler:innenkollektiv virtuelle Anteile an einem Bild der ukrainischen Flagge, sogenannte NFTs. Bereits in den ersten 24 Stunden der Aktion kamen umgerechnet drei Millionen US-Dollar zusammen.

Riot Days-Tour als Weckruf für Europa

Nach ihrer spektakulären Flucht aus dem Hausarrest getarnt als Essenslieferantin im Mai dieses Jahres, gelang es Pussy Riot-Mitglied Maria Aljochina über Belarus und Litauen nach Berlin zu gelangen, pünktlich zum Auftakt ihrer geplanten Europa-Tour. Diese hatten Pussy Riot bereits im November geplant, also noch vor dem russischen Angriff auf die Ukraine. Aktueller denn je, soll ihre „Riot-Days“-Tour nun ein künstlerisches Zeichen gegen den Krieg setzen und ein Weckruf für Europa sein.

„Europa sponsert diesen Krieg durch den Kauf von Öl und Gas“

Klare und kritische Worte fand Pussy Riot-Mitglied Maria Aljochina auf einer Pressekonferenz vor ihrem Konzert in München. Das Protestkollektiv möchte mit ihrer “Anti-War-Tour“ neben der Kritik an Putin auch auf die Mitverantwortung Europas verweisen, aufrütteln und der teilweise vorherrschenden Gleichgültigkeit gegenüber dem Krieg entgegenwirken, wie der br berichtete. „Jede:r kann Pussy Riot sein“, unter diesem Motto forderten Pussy Riot auf ihren bisherigen Auftritten zum politischen Aktivismus auf.

Viel mehr als Punk 

Ihr neues Album Matriarchy Now besteht aus nur sieben Songs, in denen es um Sex und Selbstermächtigung geht. Das Album ist unverkennbar von der US-amerikanischen Punkband Bikini Kill sowie von der US-amerikanischen feministischen Electropunk-Band Le Tigre inspiriert. Beides sind prägende Bands bzw. Nachfolgerinnen der Riot Grrl Bewegung, von der sich Pussy Riot stark beeinflusst zeigen. In Deutschland wurden Pussy Riot bisher überwiegend als Punk-Band wahrgenommen, dabei ist das feministische Künstler:innenkollektiv viel mehr als das. Ihre Auftritte sind laut Süddeutscher Zeitung eher eine musiktheatralische Performance als ein normales Konzert. Politischer Aktivismus und Rebellion stehen im Zentrum ihres Wirkens. Laut Pussy Riot-Mitglied Maria Aljochina ist die Kunst dabei Mittel zum Zweck: „Kunst ist wichtig. Kunst kann die Welt verändern und ein anderes Bild zeichnen von dem, was gerade passiert, oder auch von dem, was in Zukunft passieren wird. Darum haben totalitäre Staaten und auch autoritäre Staaten Angst vor politischer Kunst.“ 

Weitere Infos zum Konzert im Theater Bremen und Karten gibt es hier.

 

 

Veröffentlichung: 26.8.22